FMH gegen Boni-Zahlungen an Spitalärzte

Die Ärztevereinigung FMH lehnt Boni-Zahlungen an Spitalärzte ab. Mit Blick auf die Qualität sollten Arzthonorare höchstens zu einem kleinen Teil leistungsabhängig sein.

Claudia Schoch
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Die seit Anfang 2012 für die Schweizer Spitäler geltenden Fallpauschalen Swiss DRG beschleunigen einen sich ohnehin in gewissem Sinne vollziehenden Kulturwandel in der stationären Behandlung. Wirtschaftliche Kriterien rücken angesichts der sich verteuernden Medizin zunehmend stärker ins Zentrum. Dies schlägt sich auch im Lohnsystem des ärztlichen Personals nieder. So sind Bonusklauseln in den Verträgen mit Chefärzten, Leitenden Ärzten und auch Oberärzten keine Seltenheit mehr.

In Deutschland sollen sich Boni bei neuen Verträgen mit Chefärzten bereits zu rund 50 Prozent durchgesetzt haben. In den Schweizer Akutspitälern rechnet die Verbindung Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) laut einer Begleituntersuchung des Forschungsinstituts GFS Bern damit, dass gegen 20 Prozent der Chefärzte und Leitenden Ärzte sowie 4 Prozent der Oberärzte in Akutspitälern heute Bonuszahlungen erhalten. Diese Boni sind jeweils an Zielvereinbarungen gebunden. Das heisst, sie sind abhängig davon, ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden. Definiert werden die Ziele meist über Fallzahlen und das Erreichen bestimmter Case-Mix-Punkte.

Boni und Qualität

Die FMH erachtet diese Entwicklung für nachteilig. Sie rät, wie der ärztliche Direktor des Spitals Wallis und FMH-Vizepräsident Pierre-François Cuénoud bestätigt, davon ab, Bonusverträge zu unterzeichnen. Cuénoud wendet sich damit indessen keineswegs gegen Qualitätskontrollen. Er meint vielmehr, der beste Weg, um Qualität zu steigern, sei, diese zu messen. Dabei gebe es aber bessere Wege als Bonuszahlungen. Die FMH-Delegierten haben im November ein Positionspapier zur Vereinbarung von Boni verabschiedet. Dieses soll Ärzten als Wegleitung bei Vertragsverhandlungen mit den Spitälern dienen. Das Papier hält die Unabhängigkeit der ärztlichen Tätigkeit hoch. Die FMH betont, dass Ärzte und Ärztinnen in ihrer medizinischen Tätigkeit keine Weisungen von nichtärztlichen Personen unterstehen dürfen. Damit unvereinbar sei es, Verpflichtungen zur Erbringung bestimmter medizinischer Leistungen oder bestimmter Umsätze einzugehen.

Folgerichtig lehnt die FMH zielbezogene Bonusvereinbarungen von Ärzten in Verträgen mit Spitälern ab. Sie wendet sich gegen Vereinbarungen, die an Mengenziele anknüpfen. Dies widerspreche dem Grundsatz, notwendige Behandlungen mit der erforderlichen Qualität zu erbringen. Die FMH betrachtet selbst Bonusvereinbarungen für nicht unbedingt geeignet, die an Qualitätsindikatoren anknüpfen.

Die Leiterin Tarife und Gesundheitsökonomie der FMH, Beatrix Meyer, verweist auf Untersuchungen der Ökonomin Margit Osterloh, die zeigten, dass Löhne, die sich an der Zielerreichung orientieren, bei komplexen Tätigkeiten oft zu unerwünschten Effekten, wie etwa Mengenausweitung, führen. Auch bestehe die Gefahr, dass man sich an leicht messbaren Verrichtungen orientiere und schwerer quantifizierbare Leistungen vernachlässige. Laut Osterloh sind deshalb in Systemen wie dem Gesundheitswesen nichtmonetäre Anreize, wie unterstützende Feedbacks durch Peers, zu bevorzugen.

Überwiegend pauschal

Für Cuénoud sind zur Qualitätssicherung Peer-Reviews zentral. In diesem Rahmen können Problemfälle besprochen werden, und aus Fehlern kann gelernt werden. Die FMH erachtet es in den Spitälern für wichtig, die intrinsische Motivation zu fördern, also das Bestreben zu unterstützen, sich aus eigenem Interesse zu engagieren. Die Förderung der extrinsischen Motivation, des Bestrebens, sich einzusetzen, weil man sich davon eine bessere Honorierung verspricht, sei im Bereich der Medizin nicht unbedingt qualitätsfördernd.

Cuénoud ist überzeugt, dass der Grossteil des Honorars eines Spitalarztes – auch des Chefarztes – aus der pauschalen Entschädigung bestehen sollte. Dabei sei es sinnvoll, verschiedene Pauschalen für unterschiedliche Funktionen beziehungsweise Leistungen in einem Bausteine-System vorzusehen, etwa für die Funktion eines Departementsvorstehers, für das Engagement in der Weiterbildung, die Betreuung von Assistenzärzten, für den Einsatz in betrieblichen Arbeitsgruppen.

Auch der Anteil am Honorar für die Behandlung von zusatzversicherten Privatpatienten sollte nach der Ansicht Cuénouds nicht überwiegen. Er kritisiert, dass es heute selbst öffentliche Spitäler gibt, bei denen der Anteil der pauschalen Entschädigung zu niedrig ist. Jeder Bereich – Patienten der Grundversicherung und jene mit Zusatzversicherungen – sollte auch, was die Vergütung der Ärzte angeht, selbsttragend sein. Bei zu grossen Anteilen am Arzthonorar aus den Zusatzversicherungen besteht der Verdacht von Quersubventionierungen. Immerhin machen die nur grundversicherten Patienten, insbesondere in öffentlichen Spitälern, den weitaus überwiegenden Teil aus.