Keine Zunahme von blutigen Spitalaustritten

Die neue Spitalfinanzierung hat weniger negative Auswirkungen auf die medizinische Versorgung als erwartet. Es gibt aber die Tendenz, chronisch Kranke und mehrfach Erkrankte an andere Institutionen abzuschieben.

Claudia Schoch
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Die jüngste Umfrage im Laufe des Sommers 2013 bei rund 1500 Ärzten ergab, dass das neue System in den Augen der Befragten für die Patienten direkt eher wenig Auswirkungen hat (Symbolbild). (Bild: Andreas Bodmer / NZZ)

Die jüngste Umfrage im Laufe des Sommers 2013 bei rund 1500 Ärzten ergab, dass das neue System in den Augen der Befragten für die Patienten direkt eher wenig Auswirkungen hat (Symbolbild). (Bild: Andreas Bodmer / NZZ)

Seit nunmehr zwei Jahren gelten für die Finanzierung von stationären Spitalaufenthalten die neuen Fallpauschalen Swiss DRG. Sogenannte blutige Spitalaustritte, wie befürchtet wurde, gibt es offenbar kaum, doch beklagen sich Spitalärzte über Verzögerungen bei den Übertritten in Reha-Kliniken. Die Veränderungen, die sich seit der Reform bei den Spitalbehandlungen abzeichnen, scheinen insgesamt für die Patienten nicht gravierend zu sein. Allerdings erkennen nur wenige Ärzte eine Verbesserung der Versorgungsqualität dank Swiss DRG.

Doch auch Verschlechterungen der medizinischen Versorgung sieht heute ein deutlich geringerer Teil der Ärzte als anfänglich. Vor der Einführung fürchteten 61 Prozent eine Verschlechterung, heute sind es noch 36 Prozent. Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) hatte begleitend zur Einführung der neuen Spitalfinanzierung eine Befragung der Ärzte beim Forschungsinstitut GFS Bern in Auftrag gegeben. Die Umfrage wurde zum dritten Mal durchgeführt. Die erste Untersuchung fand 2011 noch kurz vor Einführung des neuen Systems statt.

Ökonomische Überlegungen

Die jüngste Umfrage im Laufe des Sommers 2013 bei rund 1500 Ärzten in Akutspitälern, ambulanten Arztpraxen, psychiatrischen Kliniken und Rehabilitationskliniken, die der NZZ vorliegt, ergab, dass das neue System in den Augen der Befragten für die Patienten direkt eher wenig Auswirkungen hat. Die Beachtung ökonomischer Kriterien werde im Spitalalltag indes üblicher. Dabei machten die Ärzte die Beobachtung, dass versucht werde, chronisch Kranke und an mehreren Krankheiten leidende Patienten in anderen Einrichtungen unterzubringen. Auch seien Behandlungen von mehrfach Erkrankten auf mehrere Spitalaufenthalte aufgeteilt worden. Dies dürfte nicht im Sinne des Erfinders von Swiss DRG sein.

Für den Entscheid, ob jemand spitalambulant oder stationär behandelt werde, würden oft ökonomische Überlegungen angestellt. Die Entscheide ergingen aber zumeist nicht zulasten der Patientinnen und Patienten, meinten die befragten Ärzte. Sie sind ferner überzeugt, dass weiterhin weitgehende Behandlungsfreiheit bestehe. Die Patienten würden auch optimal versorgt.

Vor Einführung von Swiss DRG befürchteten viele, dass Krankenkassen und Spitalverwaltungen künftig auf die Behandlung vermehrt Einfluss nehmen könnten. Das hat sich offenbar nicht bestätigt. Ihr Einfluss sei in der Akutmedizin klein. Anders stelle sich die Lage bei der Psychiatrie und der Rehabilitation dar. In diesen Bereichen gelten aber die Swiss-DRG-Pauschalen noch nicht.

Die Ärzte beklagten, dass Krankenkassen oft Überweisungen in Reha-Kliniken verzögerten, da sie ihre Kostengutsprachen nur schleppend abgäben. Im neuen Spitalfinanzierungs-System sind raschere Übertritte in der Regel im finanziellen Interesse der Spitäler; längere Spitalaufenthalte in jenem der Versicherer, wenn sich dadurch die Reha verkürzt. Die Ärzte sind ausserdem der Meinung, dass «Bloody Exits», die Rehospitalisierungen wegen derselben Diagnose zur Folge haben könnten, unter dem neuen Abrechnungs-System nicht zugenommen hätten.

Das neue System bedeutet indessen für die Ärzte, wie sie angeben, mehr administrativen Aufwand. Diesen erledigten sie in zusätzlichen Überstunden, er gehe damit nicht auf Kosten der Patienten. Die von den Ärzten mit dem Patienten verbrachte Zeit blieb unter dem neuen System praktisch konstant (vgl. Grafik) und beträgt etwas mehr als 200 Minuten pro Arbeitstag.

Mehr Administrativaufwand

Deutlich zugenommen hat in den Akutspitälern die Zeit, die Ärzte für medizinische Dokumentation und Patientendossiers aufwenden. Innerhalb von drei Jahren sind es 20 Minuten mehr pro Arbeitswoche. Diese Zeit fliesst in die Überstunden, die sich in Akutspitälern auf durchschnittlich 8,1 Stunden pro Woche beläuft. Die Autoren der Studie nehmen an, dass der höhere Zeitaufwand Folge der gestiegenen Anforderungen an die Dossierarbeit ist, die Swiss DRG im Rahmen der Codierung und der weiteren Controlling-Prozesse verlangt. In der Psychiatrie fällt die Zunahme der Aufwendungen für die Beantwortung von Anfragen von Krankenversicherungen auf. Der Zeitaufwand für patientennahe Tätigkeiten hat sich demgegenüber in den letzten drei Jahren deutlich reduziert. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Reha-Kliniken.

Die Arbeitsorganisation in den Akutspitälern beurteilt ein Drittel der Befragten als schlecht. Diese Schwierigkeiten schlagen sich aber nicht in der Arbeitszufriedenheit nieder, die unter Ärzten mit über 80 Prozent noch immer sehr hoch ist. Von den Assistenzärzten zeigten sich 2013 freilich 23 Prozent unzufrieden, 2011 waren es nur 17 Prozent.

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