Charité-Chef Karl Max Einhäupl spricht im Morgenpost-Interview über Hightech-Medizin, Budgetverhandlungen und dringende Bauprojekte in Berlin.

Die Charité muss an mehreren Standorten große Bauvorhaben bewältigen. Gleichzeitig werden Kooperationen mit Vivantes und dem Deutschen Herzzentrum vorangetrieben. Über die wichtigsten Aufgaben an Deutschlands größtem Universitätsklinikum in diesem Jahr sprachen die Morgenpost-Redakteure Christine Richter und Andreas Abel mit dem Vorstandsvorsitzenden der Charité, Karl Max Einhäupl.

Berliner Morgenpost: Herr Professor Einhäupl, wie beurteilen Sie für die Charité das Jahr 2013? Es war ja kein einfaches...

Karl Max Einhäupl Ich glaube, kein Jahr ist einfach für die Charité. Das vergangene Jahr war sehr stark bestimmt durch den bevorstehenden Bauprozess am Bettenhochhaus in Mitte. Wir mussten ausschreiben und einen Generalunternehmer finden. Der zweite Schwerpunkt war das Berliner Institut für Gesundheitsforschung, BIG, eine gemeinsame Institution von Charité und Max-Delbrück-Zentrum. Eine internationale Gutachtergruppe hat das Projekt sehr positiv bewertet. Nun geht es darum, das Konzept in gemeinsame Entwicklungs- und Forschungsaktivitäten zu überführen.

Sind Sie bei der Sanierung des Bettenturms im Zeitplan?

Wir sind noch im Zeitplan. Wir wollten im letzten Quartal 2013 mit den Bauarbeiten beginnen, aber die Ausschreibung hat länger gedauert als geplant. Nun beginnen wir in diesem Januar. Wir haben die Zeit aber gut genutzt und die sogenannten Medien, also Sauerstoff, Druckluft, Heizung und Strom abgebaut. Am Jahresende trat das Haushaltsgesetz in Kraft. Auf dieser Grundlage wird die Vergabe abgeschlossen, dann kann der Unternehmer sofort mit dem Bau beginnen.

>>>Die Zusammenarbeit mit dem Herzzentrum<<<

Reichen die finanziellen Mittel aus?

Die Finanzmittel sind um 17,5 Millionen Euro auf jetzt 202,5 Millionen Euro aufgestockt worden. Wir haben derzeit keinerlei Indizien dafür, dass wir damit nicht zurechtkommen. Natürlich stecken in jedem Bauprojekt Risiken. Aber wir haben das Gebäude für unser Lehr- und Forschungszentrum Charité Cross-Over für 86 Millionen Euro gebaut und lagen damit genau im Plan. Zusammen mit Vivantes haben wir für 14 Millionen Euro das neue gemeinsame Laborgebäude gebaut und sind auch dort im Plan geblieben. Wir haben also gezeigt, dass unsere Planungsprozesse stimmen. Die 17,5 Millionen Euro Mehrkosten beim Bettenhaus sind marktbedingt. Der Bietermarkt ist sehr eng, das treibt den Preis nach oben. Aber unter den jetzigen Bedingungen haben wir den Anspruch, auch bei den Baumaßnahmen in Mitte im vorgegeben Budget zu bleiben.

Auf diese Sanierung schaut die ganze Stadt – erst recht der Finanzsenator. Der sagt, die Charité kann nicht richtig wirtschaften...

Ich weiß nicht, ob der Finanzsenator das immer noch sagt. Aber wenn er es immer noch sagt, würde ich ihm an dieser Stelle gern widersprechen. Die Charité hat seit 2008 jeden Jahresplan, so wie er mit dem Aufsichtsrat vereinbart war, erfüllt. Die Zahlen für 2013 liegen noch nicht vor, aber wir haben den Anspruch, die vereinbarten Ziele auch in diesem Jahr zu erreichen. Auch bei den erwähnten Bauprojekten haben wir ja gezeigt, dass wir das können.

In dem Ersatzbau sind weniger Betten als im Hochhaus. Wirkt sich das finanziell aus?

Ja, wir haben dort weniger Betten, rund 340 statt 490. Ein Teil der Betten ist aber an andere Standorte verlagert worden. Wenn die Dinge gut laufen, kommt es zu keinem nennenswerten Erlöseinbruch. Der Umzug hat uns viel Geld gekostet. Aber wir planen so, dass wir in den nächsten drei Jahren auch mit den vorhandenen Betten unsere Ziele erreichen.

Wird es nötig sein, um 2013 im Haushalt auf eine schwarze Null zu kommen, Infrastrukturmittel aus dem Drittmittelbereich heranzuziehen?

Um es klar zu sagen: Drittmittel der Forschung heranzuziehen, um ein Defizit auszugleichen, war nie geplant. Das wäre undenkbar. Aber bei allen Drittmitteln werden auch sogenannte Overheads ausgereicht. Das sind Budgets, die die allgemeinen Kosten an einem Forschungsprojekt – also zum Beispiel Gebäude-, Heiz- oder Verwaltungskosten – abdecken sollen. Es ging um die Frage, ob und in welchem Umfang wir einen Teil dieser Overheads benötigen, um die gestiegenen Infrastrukturkosten zu decken. Es ist bisher kein einziger Euro aus diesen Budgets abgezogen worden. Aber wir wollen, um das vereinbarte Jahresziel zu erreichen, zumindest sicherstellen, dass dieses Budget dafür benutzt werden kann. Ob wir es am Ende tun müssen, wird der Vorstand gemeinsam mit der Haushaltskommission des Fakultätsrates entscheiden. Das zu prüfen, geschah vorsorglich.

Welche weiteren Infrastrukturprojekte kommen 2014 auf die Charité zu?

Wir haben am Klinikum Benjamin Franklin in beiden Gebäudeteilen die Strangsanierung weitestgehend abgeschlossen. Wir haben bereits mit der Sanierung der OP-Bereiche angefangen, zehn OP-Säle müssen saniert werden. Die Gebäude stammen aus den 60er-Jahren. Man wundert sich, dass sie überhaupt so lange durchgehalten haben. Die Sanierung wird etwas über zwei Jahre dauern. Ein bisher ungelöstes Problem in Steglitz ist die Fassade. Sie muss ebenfalls saniert werden. Die Fassade ist jetzt auch noch zum Baudenkmal erklärt worden, das wird die Kosten erhöhen. Ein weiteres Projekt dort, das bald abgeschlossen wird, ist die Herrichtung von drei Stationen für die psychiatrische Klinik. Die Psychiatrie in Westend, die hohe Gebäudekosten verursacht, soll nach Steglitz verlegt werden.

Wie weit ist das Berliner Institut für Gesundheitsforschung, BIG, schon entwickelt?

Wir erstellen derzeit den Wirtschaftsplan, der im Februar im Aufsichtsrat verabschiedet werden soll. Dann sollen die Budgets für verschiedene Projektbereiche festgelegt werden – wobei das kein einfacher Prozess ist. Natürlich wird sowohl im Max-Delbrück-Zentrum als auch in der Charité darüber diskutiert, welches der beste Weg ist, um das BIG zum führenden Standort für Biomedizin in Europa zu machen. Und wir haben jetzt die ersten Projekte für Wissenschaftler ausgeschrieben, die ab Januar gefördert werden sollen.

Zusammenarbeit gibt es auch mit Vivantes. Sind Sie damit zufrieden?

Das gemeinsame Labor arbeitet hervorragend. Wir haben außerdem den Vertrag für eine neue gemeinsame Strahlentherapie im Rahmen eines Medizinischen Versorgungszentrums am Vivantes Klinikum im Friedrichshain unterschrieben. Vivantes wird den Baugrund und die Bauten bereitstellen, die Charité wird das gemeinsame Institut leiten. Die Eröffnung ist für 2015 geplant.

Und in der Patientenversorgung?

Wir berechnen gerade, wie eine Zusammenarbeit beim Catering funktionieren kann. Allerdings gibt es sowohl bei der Herstellung und dem Transport der Speisen als auch bei der Menüauswahl für die Patienten erhebliche Unterschiede zwischen beiden Unternehmen, die wir jetzt angleichen müssen.

In diesem Jahr gab es Probleme auf dem Gebiet der Geriatrie. Sind die schon ausgeräumt?

Wir kooperieren auf diesem Gebiet mit dem Evangelischen Geriatriezentrum. Es war nicht einfach, das unter Dach und Fach zu bekommen, aber wir stehen kurz vor einem Vertragsabschluss. Wir werden diese Zusammenarbeit weiter pflegen – und wollen hier auch mehr mit Vivantes zusammenarbeiten.

Der Bedarf in der Geriatrie wird sicher stark zunehmen...

Natürlich gibt es immer mehr alte Menschen, denn wir werden alle älter und die Geburtenrate sinkt. Es wird auf Dauer in Deutschland zu wenige Kliniken geben, die die Geriatrie noch organisieren können. Es gibt aber auch ein qualitatives Problem, denn die geriatrische Forschung in Deutschland ist, von einigen Standorten abgesehen, nicht ausreichend. Die Charité hat sich vorgenommen, die Medizin der zweiten Lebenshälfte zum Schwerpunkt zu machen.

Die Kooperation mit Vivantes soll 45 Millionen Euro Einsparungen pro Jahr erbringen. Das sind politische Vorgaben. Ist das überhaupt machbar?

Ja, das ist eine realistische Zahl, wir werden in diesem Jahr die 45 Millionen Euro einsparen können. Wir hätten sicherlich auch alleine Einsparungen erzielt, aber der gemeinsame Dialog mit Vivantes hat einen gewaltigen Schub nach vorn gebracht. Wir kooperieren auch klinisch. In der Stammzellentherapie etwa oder bei der Behandlung von Eierstockkrebs arbeiten wir inzwischen eng zusammen.

Gibt es neue Angebote für Patienten?

Wir wollen am Standort Steglitz ein Zentrum für Gefäßchirurgie eröffnen. Dort sollen Chirurgen und Gefäßmediziner zusammenarbeiten. In Mitte werden wir unseren Operationsroboter durch ein Modell der neuesten Generation ersetzen. Die Patienten werden natürlich nicht vom Roboter operiert. Aber der Roboter unterstützt den Chirurgen bei sehr diffizilen Operationen, vor allem in der Thoraxchirurgie wie auch in der Urologie. Am Virchow-Klinikum haben wir inzwischen große Routine mit dem Cyber Knife. Das ist ein Bestrahlungsgerät, mit dem man Tumore ganz präzise, also millimetergenau, bestrahlen kann. Und wir haben ein Tool entwickelt für die Erkennung von Erkrankungen, die durch den Defekt eines einzigen Gens hervorgerufen werden. Es gibt etwa 3000 dieser monogenen Erbkrankheiten. Eine Arbeitsgruppe hat es geschafft, dass mit einem einzigen Test 2800 davon diagnostiziert werden können.

Was wünschen Sie sich für 2014?

Ich wünsche mir für die Gesundheit in Deutschland, dass die neue Bundesregierung Dinge, die für die Krankenhäuser, insbesondere für die Uniklinika von allerhöchster Relevanz sind, regelt. Der Wettbewerb in der Gesundheitsforschung und -versorgung ist enorm intensiv geworden. Unsere Krankenhausfinanzierung muss sich ändern, das gilt insbesondere für die universitäre Medizin. Wenn die Bundesregierung will, dass die Universitätsmedizin Innovationen vorantreibt und umsetzt, dann muss sie das auch finanzieren. Die Universitätsmedizin ist im Vergütungssystem schlecht abgebildet.

Und Ihr persönlicher Wunsch für 2014?

Ich wünsche mir, dass die Mitarbeiter der Charité das nötige Verständnis dafür entwickeln, dass die Gratwanderung zwischen einem knappen Budget und einer hohen Qualität der Versorgung und Forschung an der Charité ebenso schwierig wie erfolgreich ist. Wir haben rund 16.000 Mitarbeiter im Konzern. Ich wünsche mir, dass es uns 2014 gelingt, diesen Mitarbeitern eine gute Perspektive zu geben und die Verdichtung der Arbeitsprozesse auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen. Für die Berlinerinnen und Berliner soll die Charité auch weiterhin ein verlässlicher Partner in allen Gesundheitsfragen sein.