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Abrechnungssystem

Auch das Abrechnungssystem schwächt die Krankenhäuser

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Werden die Fallzahlen überschritten, gibt es Abschläge – Kliniken in Baden-Württemberg gelten als besonders effizient
Veröffentlicht:21.09.2012, 22:25

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Die Lage ist ernst, in manchen Regionen fast hoffnungslos. Die Krankenhäuser rutschen in die roten Zahlen, obwohl sowohl die Zahl der Kliniken als auch die Zahl der Betten in den vergangenen Jahren in ganz Deutschland stark zurückgegangen sind. Gleichzeitig werden mehr Fälle behandelt, die Patienten können deutlich früher nach Hause.

„Wenn mehr als die Hälfte der Krankenhäuser im Land trotz nachgewiesener Effizienz keine Überschüsse erzielen können, dann stimmt etwas im System nicht“, beklagt der Verbandsdirektor der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft, Matthias Einwag . 755 Euro je Einwohner und Jahr betragen nach dem jüngsten Krankenhaus-Ranking des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) die Krankenhauskosten in Baden-Württemberg, ein extrem günstiger Wert. Dennoch nimmt der Schuldenberg zu.

Finanzielle Engpässe im Gesundheitssystem lassen der Politik seit Jahren keine Ruhe mehr. Den großen Wurf hat noch keine Bundesregierung geschafft. Derzeit schwimmen die gesetzlichen Krankenkassen zwar im Geld. Den Kliniken aber fehlt es an allen Ecken und Enden. „Das begreift kein Mensch mehr“ sagt Klaus Pavel (CDU), der Landrat des Ostalb-Kreises. Eine Trennung von den Krankenhäusern kommt für ihn aber vorerst nicht infrage. Pavel will an der kommunalen Trägerschaft und an der dezentralen Struktur in seinem Kreis festhalten.

Gestern stellte sich im Bundesrat eine klare Mehrheit der Länder hinter einen von Bayern eingebrachten Entschließungsantrag, der den Kliniken in den anstehenden Verhandlungen mit den Kassen etwas mehr Spielraum sichern soll. Im Kern geht es gar nicht darum, krampfhaft die Zahl der Krankenhäuser hochzuhalten. In der Konzentration auf weniger Häuser liegen auch Chancen: Autor Boris Augurzky formulierte es provokant, als er im Juni seine RWI-Studie vorlegte: „Es wäre schon viel gewonnen, wenn die knappen Ressourcen nicht auf alle Krankenhäuser verteilt würden, sondern nur auf die, die eine gute Qualität bieten und wirtschaftlich arbeiten.“

Das geltende Abrechnungsprinzip führt unter anderem zu finanziellen Schräglagen. Von Land zu Land gelten unterschiedliche „Basisfallwerte“, die Kassen und Kliniken aushandeln – Pauschalen für jede Behandlung. Ein „Case Mix“-Index regelt, wie die Kliniken honoriert werden, wenn sie ihre Fallzahlen überschreiten: Dann gibt es Abschläge. Nur drücken diese im Folgejahr auf die neuen Sätze im gesamten Bundesland. Das trifft auch Kliniken, bei denen keine zusätzlichen Fälle aufgelaufen sind. Insbesondere Häusern im ländlichen Raum macht diese Begleiterscheinung mehr zu schaffen.

Ein wenig die Lage verbessern soll in Zukunft ein Orientierungswert“ den Ende September das Statistische Bundesamt zum ersten Mal für Krankenhäuser vorlegt. Dieser funktioniert im Prinzip wie der Warenkorb bei der Ermittlung der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten. Personalkosten, immerhin zwei Drittel der Klinikausgaben, oder Aufwendungen für die Energieversorgung fließen darin ein. Gerade die laufenden Kosten haben zuletzt bei den Kliniken die Bilanzen verschlechtert. Bislang dürfen Budgetsteigerungen prozentual nicht höher liegen als die Steigerung bei den Kasseneinnahmen. Diese nehmen nicht so stark zu wie die Betriebsausgaben. Die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft hat die zusätzlichen Belastungen für 2012 bereits ausgerechnet: 3,5 Prozent mehr müssen die Kliniken den Pflegekräften zahlen, mehr als vier Prozent mehr der Ärzteschaft. Mindestens 2,5 Prozent mehr fallen für Sachkosten an.

An der Grundtendenz wird sich aber auch durch andere Verrechnungsmethoden nichts ändern. Bundesweit werden weitere Kliniken schließen müssen. In Baden-Württemberg machten 2011 schon 60 Prozent der Häuser keinen Gewinn mehr. In Bayern waren es knapp 40 Prozent.

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