Endlich Transparenz im Gesundheitswesen

Das Gesundheitssystem muss jeweils den Lackmustest der direkten Demokratie durchlaufen. Nach dem Nein zur Managed-Care-Vorlage konzentriert sich Bern auf eine Politik der kleinen Schritte. Auch für deren Gelingen ist Transparenz unabdingbare Voraussetzung. Kommentar von Claudia Schoch

Claudia Schoch
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Im Gesundheitswesen bestehen zahlreiche Baustellen. Kaum jemand, ausser vielleicht einigen Mitarbeitern des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), verfügt noch über den Überblick. Grundlegende Reformen indessen haben es schwer vor dem Volk. Im stationären Bereich ist mit der seit Anfang Jahr geltenden neuen Spitalfinanzierung ein Durchbruch gelungen. Ob ihr auch Erfolg beschieden sein wird, ist noch ungewiss. Die Anzeichen sind aber gut, dass die Reform mehr Wettbewerb unter den Spitälern möglich macht und die Effizienz fördert, ohne gravierende Nachteile für den Grossteil der Patienten. Allerdings drohen protektionistische Vorkehren der Kantone. Eine Reform im ambulanten Bereich dagegen, welche Anreize zu einer effizienten Versorgung für Leistungserbringer und Patienten setzt, ist nach dem Nein im Juni zur Managed-Care-Vorlage in weite Ferne gerückt.

Zufrieden – doch was bringt die Zukunft?

Den Patienten scheint ihr gegenwärtiges Gesundheitswesen lieb zu sein. Sie misstrauen Veränderungen und vertrauen auf ihren Arzt und ihr Spital. Als Versicherte nehmen sie die hohen Kosten in Kauf, wobei – das gilt es zu bedenken – rund 30 Prozent die Prämien verbilligt erhalten. Mit ihrer Beurteilung liegen sie für den Moment nicht einmal so falsch. Auch die OECD, die regelmässig die Gesundheitssysteme verschiedenster Länder miteinander vergleicht, stellt der Schweiz ein gutes Zeugnis aus. Sie lobt das System mit einem einfachen Zugang für alle zu einer Vielzahl von Erbringern medizinischer Leistungen und einer breiten Auswahl an Versicherern. Mit einem Kostenanteil von 11,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts ist der Preis aber hoch. Doch noch vor einigen Jahren stand die Schweiz direkt hinter den USA an der Spitze. Jetzt ist sie auf Platz sieben gerutscht. Das ist jedoch nicht primär ihr Verdienst, sondern die Folge der relativen Verteuerung in andern Ländern wie den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Dänemark, die aufgerückt sind. Auch die OECD rät der Schweiz zu Reformen, um einem Kostenanstieg zu begegnen und die gute Versorgung für die Zukunft zu sichern.

Trotz den moderaten Prämiensteigerungen von 1,5 Prozent für Erwachsene im kommenden Jahr dürfen wir uns nicht in Sicherheit wähnen. Es kann keineswegs von einem anhaltenden Trend ausgegangen werden. Die Prämienerhöhungen schwankten in der Vergangenheit ausserordentlich, zwischen 0,5 und 8,7 Prozent (vgl. Grafik). Ebenfalls volatil ist die Kostenentwicklung in der Krankenversicherung. Sie verzeichnete in den letzten Jahren jährliche Zunahmen von 0,7 bis 6,6 Prozent.

Bundesrat Alain Berset hat es bei der Bekanntgabe der Prämien angesprochen: Nötig ist mehr Transparenz. Dem ist vollumfänglich beizupflichten. Es geht darum, endlich mehr Durchblick zu erhalten. Das gilt für sämtliche Belange, für die Krankenversicherung und für die Struktur der Gesundheitskosten, für die Finanzflüsse, etwa von den Kantonen zu den Spitälern. Zwar ist die Rechnungslegung bei den Versicherern nun vereinheitlicht. Ihre Geschäftsberichte sind aber teilweise noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Das Prämiensystem ist so komplex, dass es nur wenige durchschauen. Kaum nachprüfbar ist, ob die Prämien wirklich in den Kantonen kostendeckend sind. Oder hat der Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger recht, wenn er moniert, dass Zürich noch immer Prämien anderer Kantone, wie Bern, St. Gallen oder Thurgau, quersubventioniert? Intransparenz herrscht auch bezüglich der Leistungserbringer. Wer kann schon Qualität und Effizienz seines Arztes beurteilen? Wer jene des Spitals, in welchem er behandelt werden soll? Erste Schritte sind getan, so publiziert das BAG Mortalitätsraten der Spitäler. Wie aufschlussreich diese aber sind, darüber streiten sich Fachleute.

Einzig bei genügender Transparenz wird der Stimmbürger Vertrauen schöpfen in grössere Reformen, die Qualität und Bestand des Gesundheitswesens sicherstellen. Transparenz wird auch nötig sein, um die Bürger von der Berechtigung der Vielfalt der Krankenversicherungen zu überzeugen. Fehlt das Vertrauen, könnte die Linke mit ihrer Initiative für eine öffentliche Kasse und einen Schritt hin zu mehr Staatsmedizin ein bedrohlich leichtes Spiel haben.

Politik der kleinen Schritte

Vorerst aber bleibt dem Gesundheitsminister nur eine Politik der kleinen Schritte. Manches ist eingeleitet. So ist Berset dabei, einen Masterplan zur Förderung und Besserstellung der Hausarztmedizin auszuarbeiten. Der Arzttarif Tarmed wird einer Revision unterzogen. Das elektronische Patientendossier soll kommen. Ein neues Gesetz zur Aufsicht über die Krankenversicherer ist dem Parlament zugeleitet. Auch hat Berset eine Vorlage verabschiedetet, um Korrekturen von in der Vergangenheit zu viel beziehungsweise zu wenig bezahlten Prämien vorzunehmen. In Aussicht gestellt hat er, sich rasch der massiven Zuwanderung von Ärzten anzunehmen, die nach dem Auslaufen des Ärztestopps Anfang Jahr eingesetzt hat. Weiter will er Vorkehren zur Senkung der Medikamentenpreise anpacken. Ferner ist die Installation einer generellen Qualitätsstrategie in Vorbereitung. Angekündigt hat er eine weitere Verfeinerung des Risikoausgleichs, die Prüfung eines Hochrisikopools und der Trennung von Grund- und Zusatzversicherung. Schliesslich ist die Abschaffung der Kinderprämien für einen Teil der Versicherten in Diskussion. All diese Massnahmen werden auf ihren Beitrag zu Effizienz und Qualität in einem freiheitlichen Gesundheitssystem zu prüfen sein.