Panorama

Organ-Schieberei in München Direktor vertuschte Skandal

Am Münchner Klinikum rechts der Isar wird offenbar zu lax mit Organspende-Regeln umgegangen.

Am Münchner Klinikum rechts der Isar wird offenbar zu lax mit Organspende-Regeln umgegangen.

(Foto: dpa)

In München ermittelt die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer Organ-Schieberei am Münchner Klinikum rechts der Isar. Der Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik soll seit mehr als zwei Jahren von kriminellen Machenschaften bei einer Lebertransplantation gewusst haben, ohne etwas zu unternehmen.

Ein Abteilungsleiter am Münchner Klinikum rechts der Isar wusste offenbar seit mehr als zwei Jahren von kriminellen Machenschaften in Zusammenhang mit einer Lebertransplantation, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, der Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik habe ein Gedächtnisprotokoll weggeschlossen, das eine Organ-Schieberei an dem Klinikum der TU München im Jahr 2010 entlarvt.

Eine alkoholkranke Patientin soll nach einer Transplantation im Jahr 2011 an den Folgen der Operation gestorben sein.

Eine alkoholkranke Patientin soll nach einer Transplantation im Jahr 2011 an den Folgen der Operation gestorben sein.

(Foto: dpa)

Der Gastroenterologe habe es bei sich verwahrt, wie eine Sprecherin des Klinikums der Zeitung bestätigte. Zu den Motiven und dem Verhalten des Professors könne sie nichts sagen. Der Chefarzt selbst wollte sich zu dem Sachverhalt "derzeit nicht äußern".

Der Professor muss jetzt gegenüber seinem Arbeitgeber und dem für die Universitätskliniken verantwortlichen Wissenschaftsministerium erklären, weshalb er in der Sache nichts unternommen hat. Manipulationen bei der Erstellung der Warteliste für Organtransplantationen verstoßen gegen das Transplantationsgesetz. Der "SZ" zufolge wird die Transplantationspraxis an dem Klinikum in Fachkreisen schon länger kritisch beäugt.

Alkoholkranke stirbt nach Transplantation

Mehrere Ärzte berichteten der Zeitung, dass an ihrem Krankenhaus die strengen Richtlinien zur Organtransplantation großzügiger interpretiert würden als anderswo. So hätten auch Alkoholkranke, die nicht - entsprechend der Richtlinien - seit mindestens sechs Monaten völlig abstinent waren, Spenderorgane erhalten. Im Jahr 2011 sei eine "hochgradig alkoholkranke" Patientin, der dennoch eine Leber transplantiert worden war, wenige Tage nach der Operation gestorben.

Noch im August dieses Jahres, als das Klinikum rechts der Isar nach den Organ-Betrügereien in Göttingen und Regensburg intern alle Lebertransplantationen der vergangenen fünf Jahre überprüfte, sagte der Professor nichts. Auch in dem Bericht des Klinikums rechts der Isar zu etwaigen Transplantationsauffälligkeiten, der dem bayerischen Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) Ende August vorgelegt wurde, erwähnte er den Fall der verschobenen Leber mit keinem Wort.

Erst am vergangenen Montag war ein Arzt des Klinikums aus den Flitterwochen zurückgekehrt und hatte auf die Existenz des Gedächtnisprotokolls hingewiesen. Aus diesem geht nach SZ-Informationen "eindeutig hervor", dass Blut einer unbekannten Person benutzt worden war, um einen Leberpatienten so krank erscheinen zu lassen, dass er bald eine Spenderleber erhielt. Verfasst hat das Protokoll ein dritter Arzt. "Wir gehen davon aus, dass manipuliert wurde, können aber noch nichts über das Ausmaß sagen", hieß es dazu aus dem Klinikum. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Schärfere Kontrollen

Auch die Politik reagiert auf den Verdacht. Eine ärztliche Expertenkommission werde Ende Oktober mit der Inspektion beginnen, sagte eine Sprecherin des bayerischen Wissenschaftsministeriums. Dabei gehe es vor allem darum, die Organisationsstrukturen der Zentren in München, Augsburg, Würzburg, Erlangen und Regensburg zu überprüfen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, hatte die bayerischen Behörden im Zusammenhang mit den Kontrollen der Transplantationszentren scharf kritisiert. "Mich irritiert sehr, dass aus der bayerischen Staatsregierung vor einiger Zeit vermeldet worden war, dass man die bayerischen Programme überprüft und nichts gefunden habe", sagte er, als die Vorfälle in München Ende September bekannt geworden waren.

Quelle: ntv.de, dpa

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