Amerikas Krankenkassen-Gigant setzt energische Expansion fort

Die bisher auf den Binnenmarkt ausgerichteten US-Krankenversicherungen schielen ins Ausland: Amerikas Marktführer Unitedhealth übernimmt nun Brasiliens Nummer eins, Amil.

Christiane Hanna Henkel, New York
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Der Marktführer UnitedHealth Group Inc., dessen Firmensitz in Minnetonka steht, geht nun im Ausland auf Expansionskurs. (Bild: Keystone/AP)

Der Marktführer UnitedHealth Group Inc., dessen Firmensitz in Minnetonka steht, geht nun im Ausland auf Expansionskurs. (Bild: Keystone/AP)

Nachdem die amerikanische Krankenversicherung Unitedhealth Group mittels Akquisitionen bereits in den USA ihre Stellung als grösster Anbieter von Krankenversicherungen hat ausbauen können, geht das Unternehmen aus Minnetonka im Gliedstaat Minnesota nun im Ausland auf Expansionskurs: Für 4,9 Mrd. $ will Unitedhealth 90% des brasilianischen Marktführers Amil Participações übernehmen.

Energische Expansion

Die am Montag angekündigte Akquisition ist eine der grössten in der Firmengeschichte und bildet den vorläufigen Höhepunkt einer seit Jahren verfolgten aggressiven Strategie des externen Wachstums. 2005 hatte sich der Konzern Pacificare für 9,2 Mrd. $ und 2007 Sierra Health Services für 2,6 Mrd. $ einverleibt. Mit einem Börsenwert von 59 Mrd. $, Erträgen von 101,9 Mrd. $ und 75 Mio. Versicherten gehört Unitedhealth zu den grössten Krankenversicherungen der Welt. Den nun erfolgten Sprung ins Ausland begründet Unitedhealth mit dem Potenzial des brasilianischen Marktes: So sei die Anzahl der Besitzer einer privaten Krankenversicherung von 2005 bis 2011 um 37% gestiegen, und dennoch sei erst ein Viertel der Brasilianer krankenversichert; in den USA sind es 80%.

Erfolgsgeschichte eines Arztes

Hinter Amil steht eine jener unternehmerischen Erfolgsgeschichten, wie sie in der Form und Fülle wohl nur von Talenten in aufstrebenden Volkswirtschaften mit entsprechenden Geschäftschancen geschrieben werden können. Anfang der siebziger Jahre übernahm der frischgebackene Arzt Edson Bueno ein strauchelndes Krankenhaus. Und eine der Ideen, mit denen er in den folgenden Jahren das Krankenhaus wirtschaftlich sanieren würde, sollte die Basis werden für ein späteres Milliardengeschäft: Bueno kreierte ein Versicherungsprodukt, das Patienten ermöglichte, die Leistungen des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen. Der Grundstein für Amil war gelegt.

In den letzten Jahren konnte der in Rio de Janeiro beheimatete Krankenversicherer vor allem davon profitieren, dass sich das volkswirtschaftliche Gerüst Brasiliens stabilisieren und der Wohlstand im Land wachsen konnte. Immer mehr Brasilianer wurden Teil des formalen Arbeitsmarkts und erhielten über ihren Arbeitgeber eine Krankenversicherung. Unternehmen gehören denn auch zu den wichtigsten Kunden von Amil. Der Konzern versichert 6 Mio. Menschen und betreibt 70 Krankenhäuser; im letzten Jahr hat Amil bei einem Umsatz von 4,45 Mrd. $ einen Gewinn von 88 Mio. $ erzielt.

Die mit Bargeld bezahlte Akquisition selbst soll in zwei Schritten ablaufen. Zunächst übernimmt Unitedhealth bis Ende des vierten Quartals 60% der Aktien von Amil; dabei handelt es sich im Wesentlichen um das im Besitz des Gründers und seines Geschäftspartners befindliche Aktienpaket, das 70% der Titel umfasst. Und bis Mitte des kommenden Jahres will Unitedhealth die im Streubesitz befindlichen Papiere – rund 30% der ausstehenden Valoren – übernehmen, indem den Aktionären ein entsprechendes Angebot gemacht wird. Amil-Gründer Bueno wird dann noch 10% an dem brasilianischen Krankenversicherer halten, diesen weiterhin als CEO führen und im Verwaltungsrat von Unitedhealth Einsitz nehmen.

Schweizer Inspirationen

Mit Amil erwirbt Unitedhealth übrigens den Betreiber einer kleinen Flotte von Rettungshelikoptern – ein für Brasilien innovativer Geschäftszweig –, zu deren Aufbau einer von Amils Mitbegründern während seiner Skiferien in der Schweiz inspiriert worden sein soll.