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Klinikverbund

Kreistag bombardiert die Gutachter mit Fragen

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Sechs Stunden lang ging es um die Zukunftssicherung der Oberschwabenklinik
Veröffentlicht:11.10.2012, 18:45

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Sechs Stunden lang hat sich der Kreistag gestern mit der Zukunft seines Klinikverbundes OSK befasst. Auch das klamme Raumklima in der Wetzisreuter Halle konnte die Räte nicht davon abhalten, die Gutachter des Bremer Instituts BAB sowie die OSK-Geschäftsleitung mit Fragen zu bombardieren. Auf der Grundlage des Strukturgutachtens, über das die Schwäbische Zeitung ausführlich berichtet hat („Kreistag ringt um Lösung für die Kliniken“, 11. Oktober), soll der Kreistag am 9. November eine Entscheidung treffen.

Und zu den drei bekannten Szenarien – vom Erhalt aller fünf Standorte bis hin zur Reduzierung der drei Allgäuhäuser auf die Klinik in Wangen und die Spezialisierung auf Orthopädie in Bad Waldsee – kamen jetzt noch zwei weitere Varianten. Als 1plus gilt die Option, nur Isny zu schließen und dafür eine Grundversorgung in Leutkirch zu bieten. 3plus ist eine Variante des offensichtlich mehrheitlich favorisierten Szenarios 3, das das EK als Schwerpunktversorger, das Ravensburger Heilig-Geist-Spital als Geriatrie und die Konzentration im Allgäu auf Wangen als Grund- und Regelversorger vorsieht. Ob das Krankenhaus Bad Waldsee nur Fachklinik wird oder noch Betten für Innere Medizin vorsehen soll, das macht dann den Unterscheid zwischen Szenario 3 oder 3plus.

Unstrittig blieb: Die Oberschwabenkliniken machen Minus. Bis 2010 entstanden die Verluste vor allem im Allgäu. Doch ab 2011 war auch das Elisabethenkrankenhaus beträchtlich am Defizit von acht Millionen Euro beteiligt, das sich – so das Horrorszenario – bis 2017 auf 21 Millionen Euro jährlich auswachsen kann. Ein maximales Einsparpotenzial von zehn Millionen Euro bei der Optimierung von ärztlich-pflegerischen Diensten hat der BAB-Gutachter Peter Brückner-Bozetti errechnet, wenn alle fünf Standorte einbezogen werden. Und da bei den kleinen Häusern in Leutkirch und Isny (18 Betten) hier kaum gespart werden könne, bringe nur die komplette Schließung Spareffekte von zusammen rund drei Millionen Euro.

Dies und die Prognose, dass am EK über fünf Millionen jährlich einzusparen sind, brachte die Allgäu-Bürgermeister in Harnisch. Das rechtfertige nicht die politische Entscheidung, rund 60 000 Menschen im Raum Leutkirch-Isny ihrer wohnortnahen stationären Grundversorgung zu berauben, erklärten Leutkirchs Ob Hans-Jörg Henle und der Isnyer Bürgermeister Rainer Magenreuter. Sie wiesen auch darauf hin, dass viele Patienten dann an die Nachbarkrankenhäuser in Bayern abwanderten. Schützenhilfe erhielten sie aus der SPD-Fraktion. „Dann ist der Schließungsbeschluss ein Bauernopfer und es bleibt bei der deutlichen Schieflage“, so der Arzt Peter Clement. Und sein Fraktionskollege Rudolf Bindig bemühte ein Bildl aus der Medizin: „Jetzt amputieren wir erst mal die Hand und dann sehen wir weiter“.

Doch nicht nur Zahlen wurden bemüht, um die Situation der Oberschwabenklinik aufzuzeigen, sondern auch Zukunftsszenarien was Personal und Patienten anbelangt. Der erfahrene Medizinprofessor Hans-Reinhard Zerkowski schilderte als BAB-Gutachter dem Kreistag eindrücklich, dass es für Profilierung, hohe medizinische Qualität und Patientenzufriedenheit an kleinen Krankenhäusern in der Provinz künftig gar nicht genügend Ärzte gebe. Für junge Ärzte in der Ausbildung fehlten die nötigen Fallzahlen, und gerade junge Ärztinnen legten Wert auf familienfreundlichere Arbeitsbedingungen mit der nötigen Infastruktur, beispielsweise Kinderkrippen. Und Betriebswirtschaftler Brückner-Bozetti warf immer wieder ein: „Außerdem bekommen Sie das nicht finanziert.“

Nach 39 Veranstaltungen, an der sich im September über 1000 Beschäftigte und Bürger beteiligt haben, wird jetzt am 9. November der Kreistag das vorläufig letzte Wort haben. Doch nach dieser Entscheidung seien die Hausaufgaben noch längst nicht gemacht, so Landrat Kurt Widmaier: Erst müsse man im eigenen Haus aufräumen und dann nach Partnern suchen. Dazu richte man einen Runden Tisch mit allen Beteiligten in der Region ein, auch mit der Stadt Weingarten als Träger des Krankenhauses 14 Nothelfer. OSK-Geschäftsführer Dr. Sebastian Wolf hatte einen Herzenswunsch: eine nachhaltige Lösung. „Wir sollten nicht alle zwei Jahre neu diskutieren und streiten. Unsere engagierten Mitarbeiter sehnen sich nach Klarheit und Sicherheit.“