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Gesundheitsökonomik

„Die Versorgung in den Vordergrund rücken“

Riedlingen / Lesedauer: 3 min

Bei seinem Vortrag zeigt Gesundheitsökonom Prof. Neubauer Chancen für Kliniken in der Fläche auf
Veröffentlicht:17.10.2012, 19:35

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Für Professor Günter Neubauer, Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomik in München, ist die Entscheidung ganz einfach: Wenn der Landkreis das wirtschaftliche Risiko für die Kliniken an einen privaten Investor abgeben kann, dann sollte das Argument der Versorgung in den Mittelpunkt der Entscheidung gestellt werden. Das spricht für ein Drei-Standorte-Modell, das eine Versorgung für die Menschen in der Fläche, im ländlichen Raume ermöglicht. „Die Entscheidung müsste völlig klar sein für alle Kreisräte“, so Neubauer.

Dabei ist Neubauer kein Politiker. Er ist Ökonom. Er ist Berater der Bundesregierung und auch Praktiker durch seine Arbeit in etlichen Klinik-Aufsichtsräten. So wurde er vom Vorsitzenden der Bürgerinitiative zum Erhalt der Kliniken, Dr. Hartmut Pernice, begrüßt. Viele Bürger waren der Einladung ins Lichtspielhaus gefolgt. Darunter auch Interessierte aus Laupheim und ein Duzend Kreisräte. Zur Enttäuschung der Verantwortlichen hatten die anderen Kreisräte abgesagt oder sich gar nicht erst rückgemeldet.

In seiner rund 45-minütigen Rede zeigte Neubauer Trends und Entwicklungen in der Krankenhauslandschaft auf, die zum Dilemma für viele Kliniken geführt haben, ehe er konkrete Modelle darstellte.

„Es herrscht ein Verdrängungswettbewerb in allen Größenklassen bei Krankenhäusern“, so Neubauer. Denn in den vergangenen 15 Jahren sind die Patientenzahlen um 18 Prozent gestiegen, gleichzeitig aber die Verweildauer um 40 Prozent gesunken. Folge: Überkapazität von 20 Prozent der Betten. Die Kosten sind allein in den vergangenen sechs Jahren um 28 Prozent gestiegen, die Erlöse nur um 23 Prozent. Folge: Ein Minus von drei Milliarden Euro bei den Krankenhäusern. Der Druck umzustrukturieren nahm zu.

Gewinner dieser Situation waren, so Neubauer, die privaten Krankenhausträger, die in der Zeit etliche Häuser übernahmen. Nicht weil sie das bessere Management hätten, so der Professor. Sondern: Sie haben die kürzeren und schnelleren Entscheidungswege und haben mehr Erfahrung in der Optimierung von Prozessen. Neubauer traut den privaten Anbietern einiges zu. Mit Blick au die verbliebenen Bieter im Kreis Biberach meinte er: „Alle Betreiber haben bewiesen, dass sie in 97 Prozent der Fälle aus roten Zahlen schwarze Zahlen machen konnten.“ Und dann noch ein Kernsatz, der mehrmals am Abend fiel: „Kein privater Träger kann seinem Eigentümer erklären, dass er Häuser übernehmen will, die dauerhaft rote Zahlen schreiben.“ Wer ein Angebot abgibt, der ist sich sicher, dass er Gewinn machen kann.

In seiner Analyse stellte Neubauer auch die Vorteile eines zentralen Standorts dar. Das Ein-Standort-Modell erreiche eine höhere Auslastung, habe es leichter in der Personalgewinnung . Auch eine höherwertige Ausstattung und weitergehende medizinische Spezialisierung ist möglich. Nachteile gibt es allerdings auch: Verlust an Bürgernähe, Abwanderung von Patienten und Verlust an Wirtschaftkraft und Attraktivität.

Als Alternative für die Fläche stellte er das Integrierte Versorgungszentrum (IVZ) vor, das in der Konzeption dem „Laupheimer Modell“ ähnelt. Das IVZ besteht aus drei Teilen: Einer vollstationären Versorgung mit 75 Betten, einem gemeinsamen Gerätepool und einem Diagonstikzentrum. Das IVZ kooperiert mit dem Hauptklinikum. Zweite Komponente ist eine tagesklinische Facharzt-Versorgung. Diese können die Infrastruktur vor Ort mit nutzen und sind mit den zuweisenden Ärzten vernetzt. Und dritter Bestandteil sind die Haus- oder Primärärzte. Gemeinsam wird ein 24-Stunden-Notfalldienst am IVZ mit Notfallbetten organisiert. Ein Krankenhaus am Ort sei wichtig. „Auch ein ambulanter Operateur will für alle Fälle Betten im Hintergrund haben“, sagt Neubauer.

„Aus meiner Sicht ist eindeutig, dass Riedlingen weitergeführt werden kann“, sagte Neubauer. Als beste Option für die Zukunft sieht er eine Restrukturierung des Hauses im Verbund der Kliniken im Kreis mit einem eigenen Schwerpunkt.