Krankenkassen :
Merkel erwägt Abschaffung der Praxisgebühr

Von Andreas Mihm, Berlin
Lesezeit: 2 Min.
Im Wartezimmer: Zehn Euro müssen die Patienten bislang beim Arzt je Quartal zahlen
Wegen der Rekordreserven der Krankenversicherung kommt jetzt die Praxisgebühr auf den Prüfstand. Die FDP will das schon lange. Bislang hatte die Kanzlerin aber stets abgelehnt.

Die Bundesregierung erwägt die Abschaffung der Praxisgebühr von zehn Euro im Quartal. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) denke intensiv über die Argumente nach, die für oder gegen die Gebühr vorgebracht würden. „Die Bundeskanzlerin betrachtet das Gesamtbild, das sich jetzt im Gesundheitsfonds und auch bei den gesetzlichen Krankenkassen bietet“, sagte Merkels Sprecher.

Ungeachtet der Forderungen des Koalitionspartners FDP und des von ihr gestellten Gesundheitsministers Daniel Bahr, die Gebühr abzuschaffen, hatte Merkel dies bisher abgelehnt. Gesundheitspolitiker der Union hatten nur Bereitschaft zu einer Änderung der Gebühr erkennen lassen, die die Patienten 1,9 Milliarden Euro im Jahr kostet. 2011 waren insgesamt 5,2 Milliarden Euro Zuzahlungen für Arzt- und Krankenhausbesuche, Arznei- und Heilmittel oder Fahrdienste erhoben worden. Bahrs Sprecher bekräftigte, man sehe keinen Grund für die Beibehaltung der Gebühr, die die Zahl der Arztbesuche nicht steuere und „verkorkst“ sei. Auch SPD, Grünen und Linke fordern die Abschaffung der 2004 von Rot-Grün mit Stimmen der Union eingeführte Gebühr.

Krankenkassen haben bis Jahresende voraussichtlich 14 Milliarden Euro Reserve angespart

Mit durchschnittlich 18 Arztkontakten gehen Deutsche im internationalen Vergleich häufig zum Arzt. Die Praxisgebühr hat daran nichts geändert, was als Beleg für ihre mangelhafte „Steuerungswirkung“ gilt. Tatsächlich war sie 2004 vor allem eingeführt worden, um Finanzierungslücken zu schließen.

Am Donnerstag hatte das Bundesversicherungsamt neue Schätzungen verbreitet, wonach der Gesundheitsfonds, der die Beiträge und Steuergelder sammelt, um sie an die Kassen zu verteilen, dieses Jahr einen Überschuss von 13 Milliarden Euro ausweisen wird. Der Grund dafür ist vor allem die gute Arbeitsmarktlage. Die Krankenkassen dürften Ende des Jahres zusätzlich 14 Milliarden Euro Reserven angesammelt haben.

Erste Krankenkassen haben freiwillig angekündigt, wegen der guten Finanzlage und unter politischem Druck ihren Mitgliedern die Praxisgebühr ab nächstem Jahr zu erstatten. Voraussetzung ist aber die dokumentierte Teilnahme an Vorsorgemaßnahmen. Mit der Techniker Krankenkasse (TK) beschloss am Freitag die zweitgrößte gesetzliche Krankenkasse, die Praxisgebühr kommendes Jahr zu erstatten und den sechs Millionen Mitgliedern zusätzlich einen Bonus von 80 Euro zu zahlen. Bisher schütten acht meist kleinere Kassen einen Bonus aus, weitere haben dies aber für 2013 angekündigt.