Forschen mit dem Morbi-RSA

Das DIMDI wird zum Datenhort

Mehr Einblick in die Versorgung: Ab sofort wird der Morbi-RSA transparent - auch für Verbände und Wissenschaftler. Die Idee: Ein besserer Einblick in die medizinische Versorgung. Die Krankenkassen sind nicht gerade begeistert.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Mit diesem Zentrum lässt sich rechnen: So groß wird der Datenhort des DIMDI freilich nicht sein.

Mit diesem Zentrum lässt sich rechnen: So groß wird der Datenhort des DIMDI freilich nicht sein.

© PR / imago

BERLIN. Steht die deutsche Versorgungsforschung vor einem neuen Frühling? Zumindest soll es künftig auch für Wissenschaftler möglich werden, an die Versorgungsdaten der Krankenkassen heran zu kommen.

Bei der wissenschaftlichen Auswertung der Datenbanken der Krankenkassen gilt Deutschland bisher als Entwicklungsland. Grund ist unter anderem, dass es für Wissenschaftler bisher relativ aufwändig ist, im zersplitterten Gesundheitswesen an relevante Daten überhaupt heranzukommen.

Mit der am 18. September in Kraft getretenen Transparenzverordnung soll sich das ändern: Das Bundesversicherungsamt (BAV) soll künftig sämtliche Daten, die die Kassen im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) pseudonymisiert zur Verfügung stellen, an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) weiterleiten.

"Es handelt sich um eine Vollerhebung, in die alle 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherte einbezogen werden", betont Dr. Michael Schopen, Leiter der Abteilung Medizinische Information am DIMDI.

Konkret geht es um Stammdaten sowie um Daten zur Arzneimittelverordnung, zu ambulanten und stationären Diagnosen und zu anderen Leistungsausgaben.

Zum Nutzerkreis gehören auch IQWiG und GBA

Am DIMDI werden die eingehenden Daten für die längerfristige Archivierung erneut pseudonymisiert und danach für einen genau definierten Nutzerkreis digital zur Verfügung gestellt.

Wer dieser Nutzerkreis genau ist, wird im Paragraf 303 e des SGB V detailliert aufgelistet. Neben den Körperschaften der Ärzte und Krankenkassen gehören dazu unter anderem der gemeinsame Bundesausschuss (GBA), das IQWiG, die Bundesregierung, die Spitzenverbände der Selbsthilfe sowie Institutionen der Versorgungsforschung.

Losgehen soll es schon im kommenden Jahr. "Wir erwarten bis Anfang Februar 2013 die erste Datenlieferung vom BVA für die Jahre 2009 und 2010. Derzeit gehen wir davon aus, dass wir in der zweiten Jahreshälfte 2013 erste Daten zur Verfügung stellen können", sagte Schopen der "Ärzte Zeitung".

Die Vorbereitungen am DIMDI laufen schon jetzt auf Hochtouren. Unter anderem wird ein neues Rechenzentrum aufgebaut. Denn die Morbi-RSA-Daten müssen von allen anderen Datenströmen des DIMDI räumlich getrennt sein.

Anders als in der Vergangenheit, wo dem DIMDI neue Aufgaben häufiger ohne neue Finanzmittel aufs Auge gedrückt wurden, steht für die Datentransparenz Geld zur Verfügung. Fünf neue Stellen werden geschaffen.

Die Kostenträger sind noch skeptisch

Das Geld für den neuen Service kommt von den gesetzlichen Kassen. Die strömen nicht gerade über vor Begeisterung und weisen unter anderem darauf hin, dass die übermittelten Daten nicht mehr besonders aktuell sind, wenn sie beim DIMDI freigeschaltet werden.

"Ich wage zu bezweifeln, dass uns das qualitativ kurzfristig nach vorne bringt", sagte der Geschäftsführer des IT-Dienstleister der Krankenkassen BITMARCK, Rainer Gurski, bei einer BITKOM-Veranstaltung zur Datenauswertung im Gesundheitswesen.

"Das braucht Zeit in der Umsetzung. Bis hier erste Ergebnisse erzielt werden, wird noch Gremienarbeit auf politischer Ebene nötig sein", so Gurski.

Auf AOK-Seite sah das Rüdiger Bräuling, Geschäftsführer der AOK Systems, ähnlich: "Ob die Rechtsverordnung für das DIMDI ihren Zweck erfüllt, muss sich zeigen. Innerhalb der AOK können wir heute schon Vergleiche anstellen zwischen der Gesamtheit der Versicherten und einzelnen Ortskrankenkassen."

Tatsache ist allerdings, dass die Krankenkassen beim Thema wissenschaftliche Versorgungsforschung bisher eher wenig aktiv sind. Bräuling machte da auch keinen Hehl draus: "Wir sind nicht die, die die Qualität der ärztlichen Versorgung überwachen. Das tun andere."

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