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Transparenz kann Berliner Kliniken helfen, verloren gegangenes Vertrauen in ihre Arbeit mit Frühgeborenen zurückzugewinnen.

© dpa

Berliner Kliniken: Nicht alle Frühgeborenenzentren legen ihre Daten offen

Überlebensquote, Infektionshäufigkeit, Ärzteempfehlung: Zwei Drittel der Berliner Frühgeborenenzentren haben die Hygienedaten zur Veröffentlichung freigegeben und gezeigt, dass sie eine Lehre aus dem aktuellen Fall gezogen haben. Doch nicht alle Einrichtungen geben sich so transparent.

Bei manchen Chefärzten von Berliner Frühgeborenen-Stationen herrscht offenbar pure Angst. Angst, die eigene Abteilung könnte in den Strudel um die aktuellen Infektionen an Charité und Deutschem Herzzentrum gezogen werden. Und so duckten sich drei von neun Zentren zur Frühchenversorgung – so genannte Perinatalzentren – weg, als der Tagesspiegel um Daten zu Infektionen und Hygiene bat.

Die Helios-Klinik Berlin Buch zum Beispiel zog kurz vor der Veröffentlichung die Zusage zur Datenfreigabe wieder zurück. Dabei hatten die Helios-Kliniken für den gerade erschienen „Klinikführer Berlin-Brandenburg 2013“ von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin (erhältlich im Tagesspiegel-Shop unter Tel. 29 021 520) Hygienedaten für drei ihrer Krankenhäuser in der Region freigegeben. Doch für das Perinatalzentrum in Buch gilt diese Offenheit offenbar nicht.

Das evangelische Waldkrankenhaus Spandau machte methodische Bedenken geltend. Und das St.-Joseph-Krankenhaus Tempelhof lehnte die Freigabe der internen Hygienedaten ab, weil dies „insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen, stark emotionalisierten Debatte letztlich unsere Arbeit“ konterkariere .

In der Tat, die Debatte um Infektionen, die in jüngster Zeit auf Frühchenstationen grassierten, ist sehr emotionalisiert. Verständlich: Geht es doch um extrem empfindliche Menschlein, die umsorgt und geschützt werden müssen, deren Kampf ums Überleben anrührt. Die Vorstellung, diese könnten in der Klinik durch Hygienefehler von gefährlichen Keimen bedroht werden, löst heftige öffentliche Reaktionen aus. Das war nach den Infektionsfällen auf der Frühgeborenenstation im Uniklinikum Mainz 2010 so, das war im Klinikum Bremen-Mitte ein Jahr später nicht anders und das folgte nun auch in Berlin.

Klar ist aber auch, dass gerade Perinatalzentren sehr genau kontrolliert werden und viele Daten erheben müssen und diese zum Teil auch veröffentlichen.

Seit 2009 zum Beispiel müssen die Perinatalzentren Qualitätsdaten vorlegen, etwa zur Zahl der verstorbenen Frühchen oder auch zu Augenschäden und Hirnblutungen als einige der typischen Komplikationen bei den kleinen Patienten. Die Vergleichstabelle enthält die Überlebensquoten nach Klassen des Geburtsgewichts getrennt. Denn die besonders unterentwickelten Kinder, die mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm zur Welt kommen, sind eine große Herausforderung für das Können und die Routine der Ärzte und Schwestern auf den Frühchenstationen.

Und natürlich hängt die Überlebenswahrscheinlichkeit auch davon ab, wie schwer krank und wie unterentwickelt die Babys sind. Das Vivantes-Klinikum Neukölln und die Charité versorgen viele dieser „Problemfälle“. In den Jahren 2007 bis 2011 waren das 495 (Neukölln) und 775 (Charité) extrem frühgeborene Kinder. Die Charité etwa behandelt derzeit ein Früchchen, das mit 350 Gramm zur Welt kam, einem Zehntel des Geburtsgewichtes eines reifen Neugeborenen. Einerseits erfordert das eine hohe Expertise für diese schwierige Klientel, anderseits hat es auch Einfluss auf die Überlebensquote. Ein weiterer Indikator für das fachliche Ansehen ist die Empfehlungsquote niedergelassener Ärzte. Für den Klinikführer 2013 haben rund 250 Gynäkologen empfehlenswerte Häuser zur Behandlung von Frühgeborenen genannt. Das Ergebnis ist in der Tabelle ersichtlich.

Und schließlich – aus aktuellem Anlass besonders brisant – bietet die Tabelle auch Daten zur Klinikhygiene, die bisher unter Verschluss lagen. Seit 1997 gibt es in deutschen Kliniken ein System, das Klinikinfektionen überwachen soll: KISS. Das steht für Krankenhausinfektionen-Surveillance. Für diese Datenerhebung muss zum Beispiel dokumentiert werden, wie oft Infektionen ausbrechen, welche Keime dabei auftraten und wie viel Händedesinfektionsmittel auf den Stationen verbraucht wird.

Zwei Drittel der Berliner Perinatalzentren haben die Hygienedaten zur Veröffentlichung freigegeben und gezeigt, dass sie eine Lehre aus dem aktuellen Fall gezogen haben: dass gerade jetzt Transparenz helfen kann, verloren gegangenes Vertrauen in die Arbeit zurückzugewinnen. Allein diese Bereitschaft ist schon ein Qualitätswert an sich, unabhängig vom konkreten Ergebnis. So wie bei der DRK-Klinik Westend, die die vergleichsweise hohen Infektionszahl offenlegt – und gleichzeitig darauf verweisen kann, dass die Station seit länger als einem Jahr infektionsfrei sei. Nun kann sich jede Mutter, jeder Vater selbst ein Bild machen, wo ihr eigenes Kind zur Welt kommen sollte.

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