Kurzaufenthalt in Langzeitpflege

Seit Anfang Jahr rechnen Spitäler ihre Leistungen umfassend nach Fallpauschalen ab. Damit ist es finanziell attraktiv, Patienten rasch weiterzuverlegen, etwa in Pflegezentren. Dort spürt man entsprechend Veränderungen gegenüber dem alten System.

Reto Scherrer
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Die in den Spitälern neu eingeführten Fallpauschalen wirken auch auf die Pflegezentren. (Bild: EQ)

Die in den Spitälern neu eingeführten Fallpauschalen wirken auch auf die Pflegezentren. (Bild: EQ)

Die veränderten Bedingungen der Spitalfinanzierung mittels Fallpauschalen machen sich auch in den Pflegezentren der Stadt Zürich bemerkbar. Das bestätigt deren ärztliche Direktorin und Chefärztin des städtischen Geriatrischen Diensts, Gabriela Bieri. Ihre Statistik zeigt, dass die Zahl der Eintritte in den ersten acht Monaten des Jahres – und damit der neuen Spitalfinanzierung – gegenüber dem Vorjahr um einen Viertel auf knapp 1000 angestiegen ist. Fast die Hälfte der Patienten konnte in dieser Zeit nach Hause entlassen werden; ein Jahr zuvor lag dieser Anteil bei rund einem Drittel. Ebenso wurden mehr ärztliche Leistungen abgerechnet.

Verändertes Image

Als hauptsächlichen Grund für diesen Ansturm nennt Bieri den höheren Druck, unter dem die Spitäler seit Einführung der Fallpauschalen stehen. Diese können nun bei den Versicherern nicht mehr die Anzahl Tage in Rechnung stellen, die ein Patient in einem Spitalbett zugebracht hat, sondern erhalten entsprechend der Diagnose und der Behandlung eine Pauschale. Dadurch wird es finanziell attraktiv, die Patienten möglichst rasch an andere Institutionen zu verweisen oder nach Hause zu entlassen, was sich nun am Beispiel der Zahlen aus den Pflegezentren ablesen lässt.

Bieri nennt aber nicht nur quantitative Aspekte, die sich verändert haben. Auch das Image der Pflegezentren sei ein etwas anderes geworden: «von der Endstation in Richtung Reha-Klinik». Auch sei das «Schreckgespenst des Pflegheims» relativiert worden. Das sei zwar einerseits positiv, weil so die Angst vor einem Eintritt, die bisher mancherorts feststellbar gewesen sei, verringert werde, anderseits könne und wolle man aber ausdrücklich nicht zu kleinen Rehabilitationskliniken werden. Daran müssten hin und wieder auch einige Zuweiser erinnert werden. Seitens der Spitäler steigt nämlich laut Bieri der Druck, auch Patienten zu übernehmen, die nicht in ein Pflegeheim gehören. So gehöre etwa ein jüngerer Mann mit gebrochenem Knöchel zur Rehabilitation in eine spezialisierte Klinik; an Pflegezentren sollten dagegen primär Patienten überwiesen werden, die multimorbid sind, also meist ältere, von mehreren Krankheiten betroffene Personen. Solche werden im Spital oft wegen eines einzigen, akuten Leidens behandelt. Eine geriatrische Gesamtbeurteilung finde meist erst in den Pflegezentren statt, meint Bieri. Hier habe man eher Zeit, auch soziale Abklärungen zu treffen und zu prüfen, ob selbständiges Wohnen überhaupt noch möglich sei.

Keine «Minispitäler»

In drei der zehn Pflegezentren der Stadt Zürich (Entlisberg, Käferberg und Riesbach) werden seit Anfang Jahr Stationen für die sogenannte Übergangspflege, also für die ersten Wochen nach dem Spitalaufenthalt, betrieben. Deren Schaffung habe sich bewährt, erklärt Bieri, nennt aber dennoch mehrere Nachteile. Unter anderem habe die Zahl der internen Verlegungen zugenommen. Auch könnten die Wünsche der Patienten hinsichtlich der Übergangsstation, in die sie verlegt würden, nicht berücksichtigt werden. Schliesslich befürchtet Bieri, dass Pflegezentren sich immer mehr zu «Minispitälern» entwickeln – aber ohne die entsprechende personelle Dotation.