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Volksaufstand

Die Schramberger können überraschend gut ohne ihr Krankenhaus leben

Rottweil / Lesedauer: 3 min

Die Versorgung funktioniert, trotzdem plant der Gemeinderat ein „Medizinisches Versorgungszentrum
Veröffentlicht:10.11.2012, 15:30

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Ende Oktober 2011 ist das Schramberger Krankenhaus geschlossen worden. Was hatte es in den Monaten zuvor für einen Volksaufstand gegeben: Empörte Leserbrief-Schreiber füllten fast täglich eine Zeitungsseite, jeden Montag kamen hunderte von Bürgern zu den Protest-Kundgebungen der Bürgerinititiative. Viele befürchteten einenn Versorgungsnotstand, manche warnten vor „tödlichen Folgen“.

Jetzt, ziemlich genau ein Jahr später, räumen auch Skeptiker ein, dass nichts von all dem eingetreten ist. „Ich fühle mich nicht unterversorgt“, erklärt ein junger Mann, der jüngst mit akuten Herzproblemen sofortige Hilfe benötigte. Seine Frau rief den Notarzt, der nach wie vor beim Roten Kreuz in Schramberg angesiedelt ist. „Das ging alles sehr schnell“, berichtet der inzwischen genesene Patient, „ich kam ins Villinger Krankenhaus und wurde dort perfekt versorgt.“ Andere haben Ähnliches erlebt.

„Die Stimmung hat sich total beruhigt“, bestätigt ein anderer Schramberger, und er fügt mit einem Schuss Selbstironie hinzu: „Es ist noch keiner gestorben, weil es hier kein Krankenhaus mehr gibt.“ Zwar, so sagt er, mieden viele das Krankenhaus im ungeliebten Rottweil angesichts der Auseinandersetzungen in der Vergangenheit, aber im ebenfalls nur 20 Minuten entfernten Wolfach gebe es, wie auch in Villingen-Schwenningen, gute Alternativen. Das Problem sei weniger die medizinische Versorgung, sondern mehr das Prestige und der soziale Aspekt, weil zum Beispiel Verwandtenbesuche jetzt aufwendiger seien. Andererseits setze sich in Schramber angesichts von immer mehr Schließungen die Erkenntnis durch, dass kleinere Krankenhäuser auf Dauer nicht zu halten seien, wie sich jetzt sogar im naheliegenden und größeren Horb (25 000 Einwohner) zeige.

Trotzdem lässt der Schramberger Gemeinderat nichts unversucht, die ärztliche Versorgung zu verbessern. Seit längerem laufen die Planungen wahlweise unter den Stichworten Poliklinik, Medizinisches Versorgungszentrum („MVZ“) oder Ärztezentrum. Gemeint ist ein ambulantes OP-Zentrum mit Fachärzten und Allgemeinmedizinern. Dazu will die Stadt mit den Beteiligten eine Gesellschaft gründen. Der Entwurf eines Architeklten liegt bereits vor. Und aiuch eine Fläche nahe des Busbahnhofs in der Innenstadt steht mit dem früheren und mittlerweile unbebauten Gelände der früheren Firma Haas zur Verfügung. Doch das Projekt ist ins Stocken geraten, weil das Interesse bei den Allgemeinmedizinern aus unterschiedlichsten Gründen – Alter, bestehende Mietverträge - gering ist. Inzwischen sprechen die Verantwortlichen nicht mehr von „MVZ“; sondern von drei unterschiedlichen Teilbereichen. Auf den dritten Bereich mit den Allgemeinärzten müsse man eventuell verzichten.

Offen ist auch das Schicksal des alten Krankenhauses, das Helios Ende Oktober endgültig an die Stadt i- nklusive 400 000 Euro für Erhaltungsmaßnahmen - abgegeben hat. Dazu hat der Landkreis Rottweil 750 000 Euro „Strukturhilfe“ zugesagt. Bisher gibt es keinerlei Vorstellungen über die künftige Verwendung der komplett leer stehenden Immobilie. Vorschläge aus der Bevölkerung, dort das Ärztentrum einzurichten stoßen in der Stadtverwaltung auf Ablehnung. Das Gebäude genüge modernen Ansprüchen nicht und sei auch nicht zweckmäßig, heißt es. Näheren Aufschluss soll eine Bürgerversammlung am 27. November bringen.