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Wirtschaft (Print WAMS)

„Von einem Kahlschlag kann keine Rede sein“

Klinikchef Martin Menger über eigene Fehler, Stellenabbau und seinen Weg, das UKGM doch noch profitabel zu machen

Welt am Sonntag:

Herr Menger, bislang sahen die Umsatzzahlen des UKGM noch befriedigend aus. Nun aber scheint der Konflikt über die Zukunft der Unikliniken erstmals auch gravierende betriebswirtschaftliche Folgen nach sich zu ziehen. Welchen Vorwurf muss sich der Betreiber Rhön Klinikum gefallen lassen?

Martin Menger:

Erst einmal möchte ich betonen, dass wir uns angesichts bis zuletzt steigender Umsatzzahlen und Investitionen von rund 550 Millionen Euro ganz und gar nicht verstecken müssen. Trotzdem haben wir sicher auch Fehler gemacht, ja. Ein großes Defizit war zum Beispiel, dass wir keine Konstanz in der Geschäftsleitung hinbekommen haben. Dass wiederholte Führungskräftewechsel gerade in einer Krise nicht geeignet sind, das Vertrauen der Belegschaft zu stärken, liegt auf der Hand. Außerdem müssen wir uns auch Fehler in der Kommunikation eingestehen: Die Tatsache, dass unser Szenario von 500 abzubauenden Stellen in die Öffentlichkeit geraten ist, hat verständlicherweise viel Porzellan zerschlagen. Das hätte nicht passieren dürfen – zumal es sich ja wirklich nur um ein Szenario handelte.

Dann nutzen Sie doch jetzt die Chance, Ihrer Belegschaft Planungssicherheit zu geben! Also: Wie viele Jobs werden Sie streichen müssen, um wieder profitabel zu werden?

Wir werden ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen und den Stellenplan durch die normale Fluktuation anpassen. Wir gehen dabei davon aus, dass über beide Standorte hinweg aktuell 236 Stellen davon betroffen sind. Ich möchte aber nochmals daran erinnern, dass wir in den vergangenen Jahren auch rund 450 Stellen aufgebaut haben. Von einem Kahlschlag kann also keine Rede sein kann.

Laut McKinsey muss das Uniklinikum seine Produktivität aber in den nächsten zwei Jahren um fünf Prozent steigern. Bedeutet das schlicht mehr Arbeit für weniger Leute – oder mit welchen Instrumenten wollen Sie das hinbekommen?

Das Restrukturierungskonzept umfasst ein Volumen von etwa 30 Millionen Euro für die nächsten 24 Monate. Es geht uns nicht um Mehrarbeit, sondern um die Optimierung der bisherigen Abläufe. Die Produktivität können wir spürbar steigern, ohne dass dies zu einer größeren Belastung des einzelnen Mitarbeiters führt. Erhebliche Einsparungen planen wir zum Beispiel im Sachkostenbereich. Zudem sollen die Verwaltungsstrukturen zentralisiert werden. Dies wird aus heutiger Sicht eine spätere Anpassung von rund 70 Vollzeitkräften nach sich ziehen.

Muss auch das Land Hessen wieder stärker in die Verantwortung gehen?

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Dass der Handlungsbedarf hinsichtlich des UKGM nun ein noch dringenderer ist, hat die Gewinnwarnung des Konzerns diese Woche klar verdeutlicht. Die Gremien haben daher ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das wir in Kürze detailliert vorstellen werden und von dem wir überzeugt sind, dass es dem UKGM eine nachhaltige Perspektive bietet. Aber auch das Land muss einen Beitrag leisten. Dazu zählt vor allem die systemgerechte Finanzierung der Gebäudeinvestitionen, mit der das Unternehmen von der Abschreibung entlastet würde. Diesen Vorschlag werden wir der hessischen Politik unterbreiten. Auf diese Weise würden wir übrigens lediglich mit anderen Unikliniken gleichgestellt. Wir haben eine Eigeninvestitionsquote von 90 Prozent, andere Unikliniken von unter 20 Prozent – den Rest finanziert dort der Staat.

Welche Summe erhoffen Sie sich?

Es kann dabei nicht um eine einmalige, konkrete Summe gehen, sondern um eine fortlaufende Finanzierung – so wie sie auch andere Unikliniken bekommen. Alleine die Tatsache, dass bestimmte Förderungsmodelle, wie etwa das Hochschulbauförderungsgesetz, ersatzlos gestrichen wurden, verdeutlicht das Problem einer fehlenden Planungssicherheit. Eine Einmalzahlung kann keine Kontinuität und Perspektive schaffen.

Seltsam ist nur, dass Sie diese Forderung erst heute stellen. Falls es wirklich so ist, dass ein Universitätsklinikum auch in privater Hand massive Investitionen des Staates benötigt – hätte man das nicht vorher wissen müssen?

Sie übersehen, dass sich im Vergleich zu Jahr 2005 die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen massiv geändert haben. Durch die Fallpauschalen wurden die Erlöse gedeckelt. Zudem haben die Tarife, gerade bei Ärzten, so stark zugelegt, dass die Personalkosten, die 70 Prozent eines Klinik-Betriebs ausmachen, um bis zu 40 Prozent gestiegen sind. Wir haben damals viele Szenarien entwickelt, aber wer kann schon alles vorhersehen?

Glauben Sie nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre noch immer an einen Erfolg des Projekts?

Zweifellos. Auch wenn unsere Gegner es nicht für statthaft halten: Ich bin überzeugt, dass man auch mit einer Uniklinik profitabel wirtschaften kann. Das Uniklilinikum Gießen-Marburg stünde heute ohne unsere millionenschweren Investitionen weitaus schlechter da und wäre damit eine viel größere Belastung auch für das Land, also auch für den Steuerzahler. Ich kann daher nur an die Politik appellieren, parteiübergreifend an einem Strang zu ziehen und mit uns gemeinsam eine Lösung zu finden.

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