Wolfgang Raab "Uniklinik hat ein Defizit von 9,3 Millionen"

Düsseldorf · Der Ärztliche Direktor der Uniklinik spricht über das erste negative Jahresergebnis seit 2006 und Fehler beim Bau des Klinikzentrums ZOM II.

 Das Klinikzentrum "ZOM II" mit Platz für fünf Fachkliniken, zentrale Notaufnahme und Heliport auf dem Dach belastet die Uniklinik, sagt Wolfgang Raab.

Das Klinikzentrum "ZOM II" mit Platz für fünf Fachkliniken, zentrale Notaufnahme und Heliport auf dem Dach belastet die Uniklinik, sagt Wolfgang Raab.

Foto: EnD

Herr Raab, nur wenige Meter von Ihrem Büro steht der 170 Millionen Euro teure Klinikneubau, das Zentrum für Operative Medizin (ZOM) II, seit 2009 leer. Was ist da schiefgegangen?

Raab Eine Summe von mehreren Dingen. Zu Beginn der Bauphase gingen zwei Firmen pleite, eine davon war für die Konzeption der technischen Ausrüstung zuständig. Bei der Übertragung der Aufgaben auf eine andere Firma passierten Fehler, weil die Unterlagen nicht vollständig vorlagen. Doch die Grundproblematik ist, dass die Planungsphase für das Projekt zu lang ist und sich die Anforderungen in der Zeit verändert haben: Das ZOM II wurde bereits 1999 geplant. Damals bestand die Grundkonzeption, dass die Kliniken, die den größten Gebäudesanierungsbedarf haben, ins ZOM II ziehen. Doch ich wollte den Bau nicht nur zukunftsoffen, sondern zukunftsfähig gestalten, so dass wir möglichst effizient arbeiten können.

Die Verzögerungen hängen also auch mit nachträglichen Änderungen der Uniklinik zusammen?

Raab Ja, auch. Wir haben Nutzungsänderungen eingebracht, die bis 2009 umgesetzt wurden. Sie wurden gutachterlich mit 14 Wochen — von insgesamt 69 Wochen — veranschlagt. Doch die Änderungen waren notwendig: Wenn Sie Auto fahren und in den Rückspiegel schauen, würden Sie aus dem zurückliegenden Straßenverlauf ja auch nicht den zukünftigen ableiten, weil das schiefgehen würde.

Für das ZOM bedeutet das?

Raab Die Betriebsabläufe mussten gestrafft, Fachdisziplinen mit ähnlichen Anforderungen, zum Beispiel bei der OP-Dauer, im ZOM zusammengeführt und die technische Ausstattung entsprechend geändert werden. Wenn eine OP ausfällt, bleibt der OP-Saal nicht ungenutzt. Ein anderer Chirurg kann dann dort operieren.

In welchem Zustand befindet sich das Projekt jetzt?

Raab Wir freuen uns, dass die Unterlagen aller Sachverständigen für die bauaufsichtliche Abnahme seit kurzem der Stadt vorliegen.

Wann ist mit der Eröffnung zu rechnen?

Raab Ende des 1. Quartals 2014.

Das Bauprojekt wird mit Pannenprojekten wie der Hamburger Elbphilharmonie und dem Berliner Flughafen verglichen. Alleine die Kosten für den Stillstand des Gebäudes liegen pro Jahr bei zwei Millionen Euro. Ist das nicht eine Verschwendung von Landesmitteln?

Raab So betrachtet könnte man das annehmen. Die Problematik ist, dass die beteiligten Firmen sich so verhakt hatten, dass es erheblicher Mediationsverfahren bedurft hat, den Bau zügig abzuschließen.

Die Uniklinik sorgt auch mit einem anderem Fall für Negativ-Schlagzeilen: Sie ermittelt seit vergangenem Dezember gegen ihren ehemaligen Kardiologie-Direktor wegen des "Verdachts auf wissenschaftliches Fehlverhalten bei der Durchführung klinischer Studien und der Auswertung der im Rahmen der Studien erhobenen Daten". In welchem Stadium befinden sich die Ermittlungen?

Raab Die Kommission der Universität für die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis untersucht den Fall. Anfang Juli werden wir die Ergebnisse und die unserer Datensichtung einer externen Expertenkommission, die die Uniklinik eingesetzt hat, präsentieren. Es ist wichtig, dass die Bewertung in externen Händen liegt.

Hätte die Uni auch bei der Überprüfung von Schavans Doktorarbeit Externe beteiligen sollen?

Raab Ich bin der Meinung, dass, wenn ich einen komplexen Sachverhalt habe, der politisch im Rampenlicht steht, es sinnvoll ist, Externen die Bewertung von Ergebnissen zu überlassen. Auch als Schutzmaßnahme gegenüber allen am Verfahren Beteiligten.

Was hat die Uniklinik dazugelernt?

Raab Dass wir unsere Prozesse untereinander besser abstimmen müssen. Wir benötigen eine wechselseitige Rückkoppelung zwischen dem forschenden und dem klinischen Teil.

Was haben Sie dazu gelernt?

Raab Dass die Möglichkeiten von mir unterschätzt worden sind und dass der Umfang der Nachfragen, die ich bereits in den vergangenen Jahren an die Betroffenen stellte, so sicherlich nicht ausreichend war.

Fast die Hälfte aller 36 deutschen Unikliniken schreibt rote Zahlen. 2011 erwirtschaftete die Uniklinik einen Überschuss von 1,71 Millionen Euro. Wie steht es nun um sie?

Raab Zu meinem Bedauern haben wir erstmalig seit 2006 kein positives Jahresergebnis. Unser operatives Defizit für 2012 liegt bei 9,3 Millionen Euro. Das ZOM-II-Projekt hat der Klinik unter finanziellen Aspekten stark geschadet. Im Vorgriff auf die Inbetriebnahme mussten wir zum Beispiel Pflegekräfte einstellen, dann aber Personalumstrukturierungen vornehmen. Zudem hatten wir 2012 viele Neuberufungen, die schon Jahre zuvor versprochen worden und auch notwendig waren.

Der Verband der Unikliniken sagt, dass die Kliniken nicht kostendeckend arbeiten könnten, weil sie sehr komplizierte und langanhaltende Krankheitsfälle behandeln und die Kosten über die Fallkostenpauschalen, die die Krankenkassen zahlen, nicht gedeckt werden. Wie gehen Sie mit dem Problem um?

Raab Das ist in der Tat ein Problem. Wir werden Sparmaßnahmen stärker umsetzen. Wir werden jeden einzelnen Bereich beleuchten, die mittelbare genauso wie die unmittelbare Krankenversorgung.

Wie wird sich das auf die Patienten und Mitarbeiter auswirken?

Raab Es ist eine große Herausforderung, bei steigendem Kostendruck und innerhalb der Fallkostenpauschalen eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen. Wir wissen, dass die Mitarbeiter schon jetzt sehr belastet sind. Deswegen denken wir darüber nach, in welchen Bereichen wir den Leistungsumfang nicht mehr aufrechterhalten können. Strukturelle Änderungen sind etwa in den Polikliniken und den Hochschulambulanzen denkbar.

Beim "Focus"-Ranking der 100 besten Kliniken landete die Düsseldorfer Uniklinik auf Platz 21. Wie will man diesen Status sichern?

Raab Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Berufungen von Professoren in den vergangenen Jahren waren sehr gut. Gerade wurden wir von der Deutschen Krebshilfe als onkologisches Spitzenforschungszentrum ausgezeichnet und werden mit drei Millionen Euro gefördert. Das ist eine hervorragende Auszeichnung, weil es bundesweit nur zwölf gibt. Und mit dem ZOM II werden wir eines der modernsten Krankenhäuser Europas haben.

Beim bundesweit größten Hochschulranking bewerteten Medizin-Studenten die Studiensituation in Düsseldorf, wie auch 2011, als schlecht. Wie erklären Sie sich das?

Raab Düsseldorf ist eine Pendler-Uni. Wir müssen gerade im räumlichen Bereich darauf reagieren. Einen Schritt dorthin haben wir schon mit einem Neubau unternommen: der O.A.S.E., dem Ort des Austauschs und der Entwicklung, mit Lernplätzen, einer Bibliothek und einem Café. Der wird von unseren Studierenden blendend angenommen. Außerdem waren viele Professuren in der Vergangenheit, gerade im theoretischen Bereich, nicht besetzt worden. Doch mit den Berufungen 2012 haben wir aufgeholt. Zudem verlagern wir ab dem Wintersemester die Ausbildung in Kleingruppen, die Ausbildung am Krankenbett wird ausgebaut, die Vorlesungen werden zurückgefahren. Bei der nächsten Evaluierung werden wir hoffentlich auf den vorderen Plätzen vertreten sein.

60 Prozent der Düsseldorfer Medizin-Studenten sind weiblich. Wie wirkt sich das auf die Uniklinik aus?

Raab Die Medizin wird weiblich. Das bringt ein Problem mit sich: Die Ausbildung der Ärzte kostet in der Regel 220 000 bis 230 000 Euro. Doch bereits wenige Jahre nach der Fachausbildung verlieren wir die Ärztinnen, weil sie Familie und Job nicht miteinander verbinden können. Das ist ein gesellschaftlich defizitäres Geschäft.

Wie gehen Sie damit um?

Raab Wir müssen familienfreundlicher werden. Wir haben bereits eine Kita mit Platz für 94 Kinder und wollen eine weitere bauen. Mein Ziel ist eine Kita mit einem Hotel: Die Ärztinnen können bei der Rufbereitschaft, bei der sie binnen 30 Minuten in der Klinik sein müssen, ihr Kind mitbringen, das Kind kann in der ihm vertrauten Umgebung übernachten. Viele Mütter wollen hochengagiert arbeiten, doch, zu Recht, auch die bestmögliche Betreuung für ihre Kinder.

Welches hehre Ziel haben Sie?

Raab Dass Düsseldorf bekannt wird als Ort der Mode, der Messe und der Medizin.

Wie können Sie sich entspannen?

Raab Sehen Sie das Bild auf meinem Tisch? Meine drei Kinder lenken mich ab. Meine Familie ist mein Batterieladegerät.

SEMIHA ÜNLÜ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP/ila)
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