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Oberschwabenklinik

Vom Krankenhaus-Pool und dem Haifischbecken OSK

Leutkirch / Lesedauer: 5 min

Geschäftsführung droht den Mitarbeitern mit bevorstehender Insolvenz
Veröffentlicht:26.06.2013, 19:00

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Wer bei der Oberschwabenklinik in Leutkirch arbeitet, muss schwimmen können. Und zwar nicht erst seit der Erfindung des Personal-Pools, oder aufgrund der Schließung des Hauses, die am Wochenende bevorsteht. „Die letzten drei Monate waren die Hölle“, sagen einige Mitarbeiter in Leutkirch. Sie sind als Pflegepersonal tätig, möchten ihre Namen aber nicht in der Zeitung lesen. Zu groß ist die Befürchtung, dann endgültig das OSK-Schiff verlassen zu müssen.

Aber das steht ihnen vielleicht ohnehin bevor. Immerhin schreibt die Geschäftsführung in einem Brief an die Angestellten, der der Schwäbischen Zeitung vorliegt, von einer möglichen Insolvenz. Wörtlich heißt es: „Scheitert die Sanierung, ist die OSK im Februar 2014 zahlungsunfähig und kann auch die Gehälter nicht mehr bezahlen. Insolvenzantrag wäre zu stellen.“

Das hört sich anders an, als eine Arbeitsplatzgarantie und die Aussicht, selbst als Pool-Mitarbeiter bis im Frühjahr 2014 wieder einen festen Arbeitsplatz zu haben, wie sie der stellvertretende Geschäftsführer Jörg Hempel unlängst noch formuliert hatte. Für die Pflegedienstmitarbeiter ist die Havarie längst in vollem Gange.

Dabei ist eine von ihnen bei den 121 Beschäftigten dabei, die ab der kommenden Woche in einem der OSK-Häuser in Wangen, Isny und Bad Waldsee einen festen Platz gefunden hat. Trotzdem ist sie unzufrieden. „Es fehlt die Wertschätzung. Wir haben uns jahrelang für die Klinik eingesetzt, haben ausgeholfen wo es nötig war – und jetzt kommt nur dieses planlose Ende“, sagt sie. Denn ein richtiger Schließungsplan sei für sie nicht erkennbar gewesen, an Bord des OSK-Schiffs herrschte Chaos.

„Es läuft ja schon seit Monaten so, dass die Kollegen aus Wangen, Waldsee und Isny anrufen, und fragen, ob wir aushelfen können“, beschreiben die Pflegekräfte. Und – wie in Sozialberufen üblich – hätten sie das auch gemacht, so gut es eben ging. „Aber wenn man dann ein schlechtes Gewissen hat, wenn man mal einen Tag frei hat, läuft doch irgendwas schief“, sagen sie. Es klingt hilflos, auch weil die Hilfseinsätze ohne erkennbaren Plan organisiert wurden. „Da sind zum Beispiel Mitarbeiter von der Normalstation auf der Intensivstation in anderen Häusern eingesetzt worden, einfach so“, erzählen die Frauen. Ob diejenigen wirklich die notwendige Erfahrung für die Aufgabe hatten, habe nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Die OSK-Angestellten hoffen, dass sich das jetzt ändert, dass die Unsicherheit endlich ein Ende hat. Allerdings bleiben derzeit noch jede Menge Fragen offen. Vor allem für die 36 Mitarbeiter, die in den sogenannten Personal-Pool kommen. „Über die Pool-Zugehörigkeit ist man per Telefon und E-Mail informiert worden“, erzählen die Pflegedienstmitarbeiter. Mehr war bis Ende vergangener Woche nicht klar, mittlerweile gibt es immerhin einen Vorschlag, wo welcher Angestellte ab 1. Juli hinkommen könnte. Überhaupt sei noch so vieles unklar, angefangen etwa bei der Frage, wo sie künftig ihre Arbeitskleidung waschen lassen und lagern sollen. Zeit zum Einarbeiten bleibt jedenfalls kaum, einige Tage sind es im Höchstfall, dann muss das jeweilige Pflegepersonal auf egal welcher Station alles im Griff haben.

„Die Strukturen für einen Pool existieren doch noch gar nicht, die Pool-Managerin weiß auch von nichts“, sagen die Mitarbeiterinnen. Auch neue Verträge gibt es bislang dafür nicht, wie sie bei ihrem verantwortungsvollen Job rechtlich abgesichert sind, all das ist den Pflegekräften noch unklar. Dass einige der Mitarbeiter erst noch einen Führerschein machen oder ein Auto kaufen müssen, um überhaupt im Pool mitschwimmen zu können, erzählen sie. Und dass der Verdienst deutlich weniger wird, weil abgesehen von den zusätzlichen Fahrtkosten voraussichtlich weniger Bereitschaftsdienste gemacht werden können. Von einer bei Mitarbeiterversammlungen besprochenen finanziellen „Prämie“ für die Pool-Angestellten sei plötzlich auch keine Rede mehr.

Die Pool-Mitarbeiter fühlen sich zweitklassig, das ist spürbar. „Natürlich geht da der Neid untereinander los. Es traut sich ja schon keiner mehr zu sagen, wenn er eine Stelle bekommen hat“, bestätigen die Angestellten. Weil sofort die Frage folgt, woher derjenige seine Punkte im Sozialplan hat, nach dem die festen Arbeitsplätze in den OSK-Häusern „verteilt“ worden sind. Es hört sich nach einem Haifischbecken an, in dem die Mitarbeiter derzeit schwimmen müssen.

„Wir sind alle nervlich belastet bis an die Oberkante“, sagen die Frauen. Das habe Auswirkungen aufs Privatleben, Partner und Freundeskreis müssen das ewig gleiche Thema OSK aushalten. „Natürlich leiden alle drunter. Aber ich kann doch nichts machen, wenn ich beim Einschlafen und beim Aufwachen sofort immer nur ans Krankenhaus denken kann“, sagt eine – und wieder kommen ihr die Tränen. Ihre Kollegin fügt hinzu: „Es sind diese vielen Fragen, die einen so zermürben.“

Genau deshalb hätten sich viele Mitarbeiter bereits andere Arbeitsplätze gesucht. In die Kliniken in Lindau, Lindenberg, Kempten, Memmingen und in Pflegeheimen – dort sind diejenigen untergekommen, die das Schiff bereits verlassen haben. „Durch die Blume haben sie uns ja auch gesagt, dass sie froh sind über jeden, der geht“, sagen die Mitarbeiter, die bleiben wollen, verbittert. Überhaupt sei es unsicher, ob es mit der OSK weitergeht – selbst wenn die Tarifverhandlungen „erfolgreich“ sind, und die Angestellten 2013 und 2014 auf insgesamt zwölf Millionen Euro verzichten.

Da stellt sich den Pflegekräften die Frage, ob sich die ganze Anstrengung überhaupt lohnt. „Wenn wir jetzt auf alles verzichten, denen das Geld hinterhertragen, heißt das ja noch nicht, dass nächstes Jahr nicht trotzdem Schluss ist, und wir vor dem Nichts stehen“, sagen sie. Bis dahin schwimmen sie weiter – und hoffen auf einen erkennbaren Plan, einen Rettungsanker der Geschäftsleitung.