Organspende

Ärzte suchen neues Vertrauen

Vor einem Jahr hat der Skandal von Göttingen die Transplantationsmedizin erschüttert. Ärzte suchen nach Wegen zu neuem Vertrauen. DSO-Chef Hess setzt auf Transparenz und Datenqualität. Er selbst ist aber nur noch ein halbes Jahr im Amt.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Der Organspendeausweis: Wann erlebt er seine Renaissance?

Der Organspendeausweis: Wann erlebt er seine Renaissance?

© Steinach / imago

REUTLINGEN. Der Vertrauensverlust in die Organspende und die Transplantationsmedizin in Deutschland ist immens - und die Verantwortung, es zurück zu gewinnen, sieht der hauptamtliche Vorstand bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Dr. Rainer Hess, bei allen Beteiligten.

Beim Baden-Württembergischen Ärztetag in Reutlingen vergangenes Wochenende mahnte er: "Wenn man das System verändern will, muss man Gesamtverantwortung übernehmen." Hess warb dafür, nicht nur die Beweggründe einzelner Ärzte, sondern auch das System der Honorierung von Transplantationen insgesamt zu betrachten.

"Das DRG-System ist für die Organspende das schlechteste System, das ich kenne." Gegen den Göttinger Arzt, der Wartelisten manipuliert hatte, beginnt am 19. August die Gerichtsverhandlung.

Hess beklagte die Datenbasis rund um das Transplantationswesen in Deutschland. Zwar seien genügend und qualitativ hochwertige Daten vorhanden, diese müssten aber nun sinnvoll in einem Register zusammengeführt werden.

Neben den Herkunfts- und Patientendaten, die die DSO und Eurotransplant routinemäßig erheben, habe das AQUA-Institut in Göttingen Qualitätsdaten zur Transplantation - "die sind aber völlig abgekoppelt von den DSO- und Eurotransplant-Daten". "Uns fehlt der Gesamtüberblick", so Hess.

Bewerber für ein solches Register gebe es bereits viele, auch der AQUA-Instituts-Leiter Professor Joachim Szecsenyi hatte kürzlich seinen Hut in den Ring geworfen. "Erst wenn wir ein Register haben, können wir entscheiden, welche Kliniken in Deutschland für die Transplantation benötigt werden."

Hess verlangte auch, dass auch die Kriterien der Bundesärztekammer bei der Vergabe von Organen - Dringlichkeit und Erfolgsaussicht - noch einmal überdacht werden.

Auch der Diskussion, ob der Hirntod das geeignete Kriterium zur Feststellung des Todes sei, muss sich die Bundesärztekammer erneut stellen. Professor Frank-Ulrich Montgomery kündigte in Reutlingen an, dass die überarbeitete Richtlinie zum Hirntod demnächst vorliegen werde.

"Wir müssen hier wissenschaftliche Faktoren zu Grunde legen, nicht ethische oder philosophische Überlegungen", erklärte Montgomery. Auch er kritisierte die Fehlanreize, die durch das DRG-System für Transplanteure entstehen können.

Baden-Württemberg nicht im Fokus von Prüfungen

Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) forderte mehr Anstrengungen, um die Zahl der Organspenden in Baden-Württemberg wieder zu erhöhen. Das Land unterstütze das Aktionsbündnis Organspende und fördere die Ausbildung und Qualifizierung der Transplantationsbeauftragten mit 300.000 Euro, sagte Altpeter in Reutlingen.

Erste Qualifizierungskurse seien im Oktober geplant. Sie hob hervor, dass keine Klinik in Baden-Württemberg bei der Überprüfung der Prüfkommission (PÜK) negativ aufgefallen sei.

Der Bericht der PÜK wird seit Monaten erwartet. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte im Frühjahr angekündigt, den Bericht noch Ende Juni vorzulegen. Jetzt wird es wohl September werden.

Dem Vernehmen nach fehlen noch die Berichte aus Münster und Essen. In Bayern gehen einige Kliniken juristisch gegen eine Veröffentlichung vor. "Die Transplantationszentren haben das Recht darauf, zu den Vorwürfen gehört zu werden und eine Stellungnahme abzugeben", erklärte Montgomery.

Wie lange bleibt Vorstand Hess noch im Amt?

Aus der klinischen Praxis berichteten Ärzte wie Professor Alfred Königsrainer aus Tübingen oder Professor Karl Träger, Transplantationsbeauftragter der Uniklinik Ulm, von verunsicherten Angehörigen.

Allerdings stünde bei vielen Betroffenen die Frage im Vordergrund, wer die Organe von ihrem gestorbenen Angehörigen bekommen solle. An der täglichen Arbeit auf Station habe das novellierte Transplantationsgesetz bisher nichts geändert, so Königsrainer.

Wie lange DSO-Vorstand Hess sich noch für Strukturänderungen in der Transplantationsmedizin und der Organspende einsetzen wird, ist noch nicht klar. "Ich kämpfe dafür, ich habe nur noch ein halbes Jahr", erklärte er.

Der Vertrag mit dem Juristen an der Spitze der DSO wurde zunächst für ein Jahr geschlossen. BÄK-Präsident Montgomery erklärte allerdings: "Wenn wir keinen ärztlichen Nachfolger für Rainer Hess finden, dann müssen wir noch mal reden."

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