Auch grosse Spitäler kämpfen zunehmend mit Problemen

Die Rede vom Ärztemangel ist nicht neu. Immer stärker erfasst das Thema nun aber auch die grossen Spitäler in der Stadt Zürich. Die zwei zuständigen ärztlichen Direktoren sehen vor allem auch auf leitender Ebene Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung.

Reto Scherrer
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Die Chirurgen des Stadtspitals Triemli sind bei einer Herzoperation. Sie reparieren mit diesem Eingriff eine Herzklappe des Patienten. (Bild: Christian Beutler / NZZ)

Die Chirurgen des Stadtspitals Triemli sind bei einer Herzoperation. Sie reparieren mit diesem Eingriff eine Herzklappe des Patienten. (Bild: Christian Beutler / NZZ)

Die Lage ist schwierig. Das meint Andreas Zollinger. Er ist ärztlicher Direktor am Stadtzürcher Triemlispital und verfolgt die Suche nach Ärzten, wenn Stellen frei sind, mit zunehmender Sorge. Dass es in der Schweiz nicht gerade Mediziner im Überfluss gibt, ist schon länger bekannt. Nun sind die damit einhergehenden Schwierigkeiten aber auch bei den grossen Spitälern verstärkt spürbar, wie Zollinger im Gespräch sagt. Zwar sei es nach wie vor kein Problem, genug Assistenzärzte zu finden. Doch auf leitenden Stufen werde es in letzter Zeit merklich harziger.

Längerfristige Vakanzen

Das zeigt auch ein Blick in die einschlägigen Stellenportale. Gesucht werden Oberärzte und leitende Ärzte; in Kliniken auf dem Land sind auch die Chefärzte nicht einfach zu ersetzen. Zollinger beobachtet, dass sich diese aufwendige Suche in manchen Disziplinen zusätzlich verschärft. Gerade Pädiater seien sehr gesucht – auch das Triemlispital müsse oft mit längeren Vakanzen etwa bei Oberarztstellen auskommen, weil es nicht gelinge, innert kurzer Zeit einen neuen Kinderarzt zu rekrutieren.

In andern Fachrichtungen bestehen diese Mangelerscheinungen ebenfalls verstärkt: zum Beispiel bei den Rheumatologen, bei Gynäkologen oder auch bei Intensivmedizinern. Während es für Vertreter der erstgenannten Disziplinen – aus monetären und arbeitszeitlichen Gründen – interessant ist, eine eigene Praxis zu eröffnen, handelt es sich bei der Intensivmedizin schlicht um eine sehr belastende Tätigkeit. Schichtarbeit ist hierbei die Regel, was dazu führt, dass viele Wochenende und Nächte im Spital statt im Kreis der Familie verbracht werden. Auch sonst ist die Arbeit belastend; im Gegensatz zu andern Disziplinen gilt es hier, immer wieder auch mit Todesfällen klarzukommen.

An der ganzen Situation frustrieren Zollinger insbesondere zwei Dinge. Erstens glaubt er, dass die Politik den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat. Das werde gravierende Folgen haben: «In fünf Jahren werden wir darüber sprechen müssen, welche Leistungen wir mit dem vorhandenen Personal überhaupt noch erbringen können.»

Zweitens stösst sich Zollinger an der aus seiner Sicht mangelhaften Unterstützung ausbildender Spitäler durch die öffentliche Hand. Er wisse von Spitälern, die ihre Zahl an Assistenzärzten deutlich reduziert hätten – aus Effizienzüberlegungen. So lassen sich etwa aus drei früheren Assistenzstellen zwei neue Oberarztstellen generieren. Das klingt zwar nach einem Abbau, da die Oberärzte aber ihre Weiterbildung abgeschlossen haben, brauchen sie keine Betreuung mehr. Und durch ihr Mehr an Erfahrung können sie die medizinischen Leistungen effizienter erbringen.

Oberarzt-Stufe kritisch

Werden generell weniger Assistenzärzte ausgebildet, sind in der Folge Oberärzte schwieriger zu finden. Gerade auf dieser Stufe schätzt denn auch Jürg Hodler, ärztlicher Direktor am Universitätsspital Zürich (USZ), die Lage als «am kritischsten» ein. Aber sein Spital könne nicht damit rechnen, offene Stellen auf Stufe Oberarzt oder leitender Arzt mit externen Leuten zu besetzen: «Der Oberarzt-Nachwuchs kommt im Normalfall aus dem eigenen Haus.»

Doch das Universitätsspital steht dabei in Konkurrenz mit unzähligen andern Spitälern, die gleichfalls um die am USZ fertig ausgebildeten Assistenzärzte buhlen. Und es hat laut Hodler nicht bei allen die besten Karten. Manche der Assistenzärzte seien nach sechs Jahren am grössten Spital im Kanton froh, wenn sie in einen kleineren Betrieb wechseln könnten, wo zudem nicht noch die akademischen Pflichten die ganze Zeit rufen würden. Geld spiele in diesen Fällen keine entscheidende Rolle. Das USZ profitiert aber im Gegensatz zu vielen andern, regionalen Spitälern davon, dass es als universitäre Institution über die Landesgrenzen hinaus einen guten Ruf geniesst. So gelingt es gemäss Hodler, in einigen Fällen sehr gute ausländische Kräfte als Kaderärzte zu gewinnen. Wer meine, diese verdrängten die Schweizer aus den Spitälern, müsse eines Besseren belehrt werden: Ohne Zuzüger aus dem Ausland gehe es heute auch im Universitätsspital nicht mehr.

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