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Pay for Performance bleibt Glaubensfrage - Empirie überaus schwach

Artikel 2258 Seit langem gibt es unter Gesundheitswissenschaftlern und teilweise unter Gesundheitsökonomen eine lebhafte Diskussion über Sinn und Unsinn einer leistungs- oder erfolgsabhängigen Honorierung der Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Während BefürworterInnen dieser Form der finanziellen Steuerung einen Erfolg versprechenden Ansatz zur Unterstützung erwünschter Verhaltensweisen der Anbieter, zur Verbesserung der Versorgungsqualität und letztlich auch zur Kostendämpfung sehen, verweisen SkeptikerInnen auf die zusätzlich anfallenden Kosten, fragliche Qualitätsverbesserungen sowie die Gefahr unerwünschter Effekte durch rein pekuniäre Motivation und mögliche Fehlsteuerung durch Verlagerung auf einkommensrelevante Leistungen.

Etwas Licht in die laufende Debatte zu bringen verspricht ein kürzlich in der Fachzeitschrift Health Policy veröffentlichter Überblicksartikel mit dem Titel Effects of pay for performance in health care: A systematic review of
systematic reviews
. Darin bestätigt die deutsch-niederländische Forschergruppe nicht nur die große Bandbreite von Erfahrungen und Erkenntnissen, sondern vor allem, dass die zustimmende oder ablehnende Haltung von einer Reihe zusätzlicher Faktoren und damit letztlich von der eigenen Einstellung abhängt.

Pay-for-performance (P4P) oder performance-based payment (PBP) bezeichnet eine solche erfolgsabhängige Vergütung, die sich an Hand festgelegter Qualitäts- oder Ergebnisindikatoren bemisst und zur Steigerung der Behandlungsqualität und verbesserter Versorgung beitragen soll. P4P ist als ein externes Anreizsystem im Rahmen der Bezahlung für Gesundheitsleistungen beispielsweise von niedergelassenen Ärzten oder Krankenhäusern, das Leistungserbringer motivieren soll, vordefinierte Ziele möglichst weitgehend zu erfüllen. Diese erfolgsorientierte Vergütung soll zum einen direkten Einfluss auf das Einkommen eines Leistungserbringers haben und zum Anderen über ein öffentlich zugängliches Berichtssystem indirekte Auswirkungen auf das Verhalten von Leistungserbringern haben.

Im Unterschied zu Deutschland haben andere Länder teils langjährige Erfahrungen mit leistungs- und qualitätsorientierten variablen Vergütungsanteilen bzw. P4P. In den USA finden seit über 20 Jahren erfolgsorientierte Prämien auf der Basis bestimmter Qualitätsindikatoren Anwendung. Großbritannien ist bemüht, die hausärztliche Qualität mithilfe finanzieller Anreize in Form leistungsbezogener Vergütungsanteile zu verbessern. Praktisch alle britischen Praxen beteiligen sich am dortigen P4P Programm, das niedergelassenen Hausärzten auf Grundlage von 150 festgelegten Qualitätsindikatoren eine durchschnittlich 25-prozentige Einkommenssteigerung beschert. Auch viele andere Länder wie Kanada, Israel, Neuseeland, Taiwan oder Ruanda wenden zunehmend P4P-Ansätze an.

Wie alle marktorientierten Neuerungen - vor allem wenn sie aus den USA kommen - stieß der P4P-Ansatz seit Anbeginn auf große Resonanz vor allem unter Gesundheitsökonomen, aber auch bei Gesundheitswissenschaftlern. Mittlerweile liegt eine Vielzahl von Studien und wissenschaftlichen Publikationen zu den Wirkungen von erfolgsabhängiger Honorierung im Gesundheitswesen vor. Überwogen anfangs eher positive Auswertungen und Einschätzungen, die vielfach aus der Feder der Initiatoren stammten und zumeist nur kurzfristige Auswirkungen erfassten, hat sich mittlerweile die verfügbare empirische Evidenz unübersehbar zu kritischeren Bewertungen verschoben. Auf weniger optimistische Ergebnisse wies das Forum Gesundheitspolitik beispielsweise im letzten Jahr mit dem Artikel "Pay for performance" auch nach 6 Jahren ohne positive Wirkung hin. Die Heterogenität der Befunde konnten auch verschiedene systematische Meta-Analysen nicht reduzieren, da sie jeweils unterschiedliche Schwerpunkte verfolgten.

Die nun vorgelegte Meta-Meta-Analyse versucht, auf diesem widersprüchlichen Gebiet einen strukturierten umfassenden Überblick über vorliegende Evidenzen zu P4P-Wirkungen und deren Begleitumständen zu liefern. In diese Meta-Meta-Analyse schlossen die Autoren aus Rotterdam und Nürnberg insgesamt 22 Studien ein, die einen sehr breiten Kanon von P4P-Effekten aufzeigten. Zwar deuten einige Analysen auf eine mögliche (Kosten-)Effektivität einer erfolgsabhängigen Honorierung von Leistungserbringern hin; allerdings sind die Hinweise insgesamt nicht überzeugend, denn viele Studien fanden überhaupt keine oder allenfalls sehr schwache Auswirkungen auf die Effektivität und nur wenige Untersuchungen konnten P4P-Effekte überzeugend von denen anderer Veränderungen abgrenzen. Während P4P zur Abschwächung von Ungleichheiten zwischen verschiedenen sozioökonomischen Gruppen beitragen konnte, war bei anderen Ungleichheiten kein positiver Effekt zu beobachten. Allerdings fand das deutsch-niederländische Forscherteam Hinweise auf unerwünschte Wirkungen insbesondere bei solchen Behandlungen, für die keine erfolgsabhängige Vergütung erfolgte.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

• Allenfalls geringe Effektivitätssteigerung bei Prävention: Begutachtungen der Effektivität des P4P-Ansatzes bezogen sich im Wesentlichen auf präventive Maßnahmen wie Impfungen und Früherkennung zeigten ein sehr gemischtes Bild, das keine Rückschlüsse zulässt, zumal die in einigen Studien erfasste positive Auswirkung von P4P ausgesprochen gering war.

Unterschiedliche Effekte bei verschiedenen Krankheiten: P4P hatte geringen Einfluss auf die Behandlungsqualität bei Asthma und Diabetes, aber nicht bei Herzerkrankungen.

Nachhaltigkeitslücke: Die zumeist ohnehin eher schwachen Wirkungen von P4P sind im ersten Jahr nach Einführung erfolgsabhängiger Honorierung am stärksten ausgeprägt und geht danach zurück.

• Kosteneffektivität: Es fehlt bisher der Nachweis, dass P4P-Ansätze die mit ihrer Einführung und Umsetzung einhergehenden Mehrausgaben für das Gesundheitssystem rechtfertigen, indem potenzielle bzw. erwünschte Kostendämpfungen die dafür erforderlichen Ausgaben zumindest kompensieren. Zudem lassen die Studien auch regelmäßig die Frage offen, ob gemessene Verbesserungen nicht allein durch die aufgrund des P4P-Ansatzes vermehrt verfügbaren Ressourcen erklärbar sind.

• Auswirkungen auf Behandlungen außerhalb der erfolgsabhängigen Honorierung: Auch hier zeigt die Zusammenschau diverser Meta-Analysen ein sehr uneinheitliches Bild, das den Verdacht auf negative Effekte auf nicht für die leistungsabhängige Vergütung relevante Procedere und die intrinsische Motivation nahe-, aber nicht belegen.

• Gesundheitliche Ungleichheit: P4P kann zumindest kurzfristig zu einer Verringerung sozialer Ungleichheit bei der Nutzung von Präventionsangeboten beitragen, indem Anbieter proaktiver Personen für diese Maßnahmen rekrutieren; ansonsten bleiben aber vertikale und vor allem horizontale Ungleichheiten weitgehend unberührt.

• Öffentliches Berichtswesen: Die mit der leistungsabhängigen Vergütung medizinischer Anbieter verbundene Offenlegung von Daten zur Qualität ihrer Versorgung scheint zu einer Verstärkung der erwünschten P4P-Effekte beizutragen bzw. diese zu einem nicht unerheblichen Teil mit zu verursachen.

• Abhängig von einer Vielzahl anderer Faktoren: Letztlich hängen die Wirkungen des performance-based payment von einer ganzen Reihe Umsetzungs- und Umgebungsfaktoren ab, nämlich von der Art der Erfolgs- und Zielvorgaben, Größe der Einrichtung, Häufigkeit der erfolgsabhängigen Honorierung etc.

Von dem Artikel Effects of pay for performance in health care: A systematic review of systematic reviews von Frank Eijkenaara, Martin Emmert, Manfred Scheppach und Oliver Schöffski, in der Health-Policy Ausgabe 110 (2-3) steht für Nicht-Abonnenten nur das Abstract kostenfrei zur Verfügung.

Jens Holst, 3.8.13