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Neue Sorge um Kliniken: Private blasen zum Angriff

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Diepholz - Von Anke SeidelDen Kliniken im Landkreis Diepholz droht neues Ungemach, wenn eine Wettbewerbsklage gegen das Kreiskrankenhaus in Calw (Schwarzwald) den Erfolg hat, den sich der Bundesverband Deutscher Privatkliniken offenbar wünscht: Zuschüsse an kommunale Krankenhäuser sollen untersagt werden, weil sie den Wettbewerb verzerren.

Landrat Cord Bockhop ist in großer Sorge: „Wenn wir nur noch wirtschaftlich denken sollen, dann können wir bei unseren Kliniken runterzählen wie beim Raketenstart...“

Will heißen: Nacheinander müssten die Krankenhäuser des Landkreises – zurzeit Twistringen, Diep holz, Sulingen und Bassum – schließen. Im Augenblick ist der Klinikverbund mit seinen mehr als tausend Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber im Landkreis.

Bockhop hat insbesondere die Struktur des knapp 2 000 Quadratkilometer großen Landkreises mit seinen knapp 210 000 Einwohnern im Blick: „Wir müssen in der Fläche eine Grundstruktur vorhalten. Flächendeckende Grundversorgung ist aber immer unwirtschaftlich. Deshalb muss man uns die Möglichkeit geben, mit Steuergeldern diese Grundversorgung finanzieren zu können.“ Wobei kein Geld des Landkreises in den laufenden Betrieb der Kliniken fließe: „Wir haben dem Klinikverbund die Grundstücke und die Immobilien übertragen. Außerdem hat es zinslose Darlehen gegeben“, so der Landrat, der sich ausgesprochen froh zeigt über das Engagement der Alexianer. Zwar seien auch sie ein privater Träger, aber mit öffentlichem und gemeinnützigem Auftrag.

„Krankenhäuser werfen keinen Gewinn ab“, sagt Bockhop. Und trotzdem hätten die Alexianer keinen der Standorte im Landkreis Diepholz in Frage gestellt.

Zwölf Millionen Euro wollen die Alexianer in den nächsten drei Jahren in die Kliniken im Landkreis Diep holz investieren – zwölf weitere Millionen Euro steuert der Landkreis bei, dafür gibt es einen Kreistagsbeschluss.

Müssten Krankenhäuser in der Zukunft ausschließlich nach dem europäischen Wettbewerbsrecht wirtschaften, dürfte der Landkreis solche Zuschüsse nicht mehr zur Verfügung stellen.

78 Seiten stark, so meldet der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser, ist die Klage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken, die vor dem Landgericht Tübingen verhandelt werden soll. Zu rechnen sei aber in jedem Fall mit einer weiteren Instanz, heißt es: Letztlich solle das Verfahren vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg enden – „mit einer europarechtlichen Klärung der Wettbewerbsregeln für deutsche Krankenhäuser“.

Unerlaubte Beihilfe nach dem EU-Wettbewerbsrecht: Mit diesem Argument könnten öffentliche Zuschüsse ausgehebelt werden – obwohl etliche Interessensverbände schon heute ein System der Krankenhaus-Unterfinanzierung in Deutschland beklagen.

„Da kann man nur hoffen, dass man in Brüssel – im kommenden Jahr sind Europa-Wahlen – nicht dem Wettbewerb das Wort redet“, so der Landrat. Er erinnert an die EU-Arbeitszeitrichtlinie, die den ehrenamtlichen Einsatz von Feuerwehrkräften beschneiden wollte (wir berichteten), aber schließlich doch nicht umgesetzt wurde.

Ein starkes Argument für die öffentliche Förderung der Kliniken liefert offensichtlich das deutsche Grundgesetz, das Dientsleistungen von sozialem, gesamtgesellschaftlichen Interesse schützt: Bürger der Bundesrepublik Deutschland haben darauf einen Anspruch. Demnach wäre die öffentliche Unterstützung für die Kliniken ein Kernbereich des Sozialstaatsprinzips, so argumentiert der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser.

Landrat Bockhop hofft, dass möglichst schnell eine Gerichtsentscheidung „auf der Grundlage unserer rechtsstaatlichen Verfassung“ fällt, damit das Damoklesschwert des gnadenlosen, ruinösen Wettbewerbs nicht länger über den Kliniken auch im Lankreis Diepholz schwebt.

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