Rhön-Klinikum Die Krawallbrüder der Klinikszene

Drei gestandene Unternehmerpersönlichkeiten kämpfen um die Macht beim Rhön-Klinikum. Jedem geht es vor allem ums eigene Ego. Einer liegt gerade mit dem Kartellamt im Clinch. Am Ende werden wohl alle verlieren.

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Foto von Eugen Münch, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Rhön-Klinikumg-AG.

Alle haben sie Großes geleistet. Eugen Münch baute Deutschlands erste private Klinikkette Rhön-Klinikum auf, Bernard große Broermann den Hamburger Konkurrenten Asklepios. Ludwig Georg Braun machte den Klinikzulieferer B. Braun im hessischen Melsungen zu einem Weltunternehmen. Zudem diente das Familienoberhaupt bis 2009 der Wirtschaft als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Inzwischen rangeln die drei Ausnahme-Unternehmer um Macht und Einfluss beim Rhön-Klinikum (Umsatz 2012: 2,9 Milliarden Euro; der Konzerngewinn stieg im ersten Halbjahr 2013 um ein Prozent auf 50,8 Millionen Euro, erwartet werden für 2013 Umsätze von rund 3,03 Milliarden Euro).

Umsatz und Bettenzahl in Deutschlands Klinikketten

Eugen Münch: Mit eisernem Ellenbogen

Der Typ: Münch ist gelernter Müller. Wegen einer Mehlallergie sattelte er in den Sechzigerjahren um und studierte Betriebswirtschaft. 1974 schmiedete er im fränkischen Bad Neustadt Rhön-Klinikum, Deutschlands erste private Klinikkette. Mit seiner hemdsärmeligen Art gelang es Münch, gerne bei Bier oder Wein, Kommunalpolitikern ein Krankenhaus nach dem andern abzuschwatzen, insgesamt 54 Spitäler, die heute 2,9 Milliarden Euro Umsatz machen. Auch als Aufsichtsratschef kann Großaktionär Münch (12,5 Prozent) noch nicht loslassen. Der gemütliche Pfeifenraucher entpuppt sich bei näherem Hinsehen als schwieriger Patriarch, der den Managern häufig dazwischenfunkt.

Die Rhön-Klinikum AG

Sein Problem: Münch hat keine Kinder. Den alternden Gründer treibt es, die Zukunft von Rhön zu sichern. Daher entschloss er sich schweren Herzens, sein Lebenswerk an den Dax-Konzern Fresenius zu verkaufen. Aus dessen Klinikgruppe Helios und den Rhön-Kliniken soll die größte deutschlandweite Krankenhauskette mit sechs Milliarden Euro Umsatz und mehr als 40 000 Betten entstehen. Doch dazu muss Münch eine Hürde überwinden, die er einst selbst zum Schutze seines Unternehmens errichtete: die Zustimmung von 90 Prozent der Aktionäre.

Im vergangenen Sommer scheiterte der Patriarch damit, obwohl mehr als 80 Prozent der Anteilseigner dafür waren. Ausgerechnet der Krankenhauslieferant B.Braun und der Erzrivale Asklepios blockierten die Übernahme – heimlich hatten sie etwa zehn Prozent der Rhön-Anteile zusammengekauft.

Seine Finten: Um den Zusammenschluss dennoch durchzubekommen, bedient sich Münch der Rechtsanwaltskanzlei Bub Gauweiler. Deren Kopf, Bayerns Ex-Innenminister Peter Gauweiler (CSU), ist für Penetranz bekannt. Gauweilers Kanzlei trieb schon die Manager der Deutschen Bank zur Weißglut, indem sie erst für Medienunternehmer Leo Kirch kämpfte und heute für dessen Erben streitet. Gauweiler kämpft um Schadensersatz für Kirchs Pleite, die angeblich durch eine Äußerung des damaligen Bankchefs Rolf Breuer befördert wurde. Er quält das Kreditinstitut mit Anfechtungsklagen wegen Formfehlern auf Hauptversammlungen.

In dieser Mission setzt nun auch Münch die Bayern ein. Prompt sorgte Gauweiler-Anwalt Franz Enderle bei der Rhön-Hauptversammlung am 12. Juni mit dafür, dass Münch die Herabsetzung der Annahmeschwelle gelang: indem er die Gegenstimmen von B.Braun nicht mitzählte, da angeblich ein Formfehler vorlag. Nach Ansicht der Braun-Seite hätten die Stimmen berücksichtigt werden müssen. Über die Nichtberücksichtigung ließ Versammlungsleiter Münch die übrigen Aktionäre im Dunkeln. Seither ist klar, wie Münchs Ankündigung zu verstehen war, er werde mit „Eisenellenbogen“ kämpfen.

Warum er verliert: Vor wenigen Tagen reichten Asklepios und B.Braun vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth eine Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung ein. Es kann Jahre dauern, bis die Gerichte entscheiden. Der Zusammenschluss rückt damit erst mal in weitere Ferne. Es sei denn, Münch fällt noch eine weitere Finte ein. Auch eine Kooperation erscheint denkbar.

Bernard Grosse Broermann: Der Anschleicher

Foto von Bernhard Broermann, Chef der Asklepios Kliniken GmbH Quelle: dpa/dpaweb

Der Typ: Broermann, 69, wuchs auf einem Bauernhof in Süd-Oldenburg auf. „Auf den Höfen herrscht eine unternehmerische Einstellung“, erzählte er einmal, „man muss für sich selbst sorgen können.“ Broermann wurde zwar kein Bauer, aber selbstständiger Unternehmer: Nach dem Studium von Jura und Betriebswirtschaft, unter anderem an den Elitehochschulen in Fontainebleau (Frankreich) und Harvard (USA), gründete der Überflieger eine Immobilienfirma und dann einen Finanzvertrieb.

1984, zehn Jahre nach Münch, entschied Broermann, Rhön anzugreifen, und gründete die Krankenhauskette Asklepios. Heute betreibt er 100 Kliniken, fast doppelt so viel wie Münch, setzt mit 2,9 Milliarden Euro allerdings ähnlich viel um wie Rhön. Während Münch hemdsärmelig daherkommt, tritt Broermann vornehm und zurückhaltend auf. Dem Mann von Welt gehört das Luxushotel Kempinski Falkenstein im Taunus (62 Zimmer, 22 Suiten). Broermann liebt es, im Stillen und Geheimen zu arbeiten: Sein Lieblingsmusical ist „Das Phantom der Oper“.

Sein Problem: Broermann fühlt sich missverstanden. Weil er 2012 den Zusammenschluss von Fresenius und Rhön torpedierte, sieht er sich in der Öffentlichkeit als Verhinderer und Bremser gebrandmarkt. Dabei gehe es ihm doch um den Erhalt marktwirtschaftlicher Strukturen, lässt er verbreiten. In Wirklichkeit hat Broermann aber wohl vor allem sein eigenes Unternehmen im Auge. Denn durch eine Verbindung von Rhön mit Fresenius würde ein Krankenhauskonzern mit riesiger Einkaufs- und Preismacht entstehen – und Asklepios deutlich ins Hintertreffen geraten.

Seine Finten: Geschätzte 150 Millionen Euro mobilisierte Broermann im vergangenen Frühjahr, um heimlich Rhön-Aktien zu kaufen. Mit seinem Paket von mehr als fünf Prozent verhinderte er so in letzter Minute die Übernahme von Rhön durch Fresenius. Zudem wollte der Asklepios-Gründer seinen Anteil noch auf über zehn Prozent aufstocken, was das Kartellamt im März auch genehmigte. Damit hätte Broermann Rhön dauerhaft blockieren können. Er schien am Ziel zu sein.

Warum er verliert: Weil Broermann die Auflagen, den Verkauf zweier Kliniken, nicht erfüllte, untersagte das Kartellamt Ende Juli die Aufstockung wieder. Auch die Asklepios-Klage gegen den Rhön-Beschluss könnte scheitern. Der Widerspruch soll erst nach der Hauptversammlung eingereicht worden sein.

Ludwig Georg Braun: Der Scheinheilige

Foto von Ludwig Georg Braun, Chef des Medizintechnikherstellers B. Braun Quelle: dpa

Der Typ: Als Vorstandschef ließ Ludwig Georg Braun seinen mehr als 40 000 Mitarbeitern jeden Arbeitstag um 12 Uhr einen geistlichen Spruch mailen. Der gelernte Bankkaufmann und Vater von fünf Kindern leitete von 1977 bis 2011 den Medizintechnikhersteller B.Braun im nordhessischen Melsungen. Heute führt der 69-Jährige den Aufsichtsrat der Familienfirma. Häufig zeigte er eine klare Kante. Als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages von 2001 bis 2009 forderte er von den Arbeitnehmern Nullrunden und riet den Unternehmern, Teile der Produktion nach Osteuropa zu verlagern. Dass Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ihn „unpatriotisch“ zieh, störte ihn nicht. Braun ist ein zäher Kämpfer; er läuft noch immer Marathon (Bestzeit: 3:15 Stunden).

Sein Problem: Brauns Familienfirma und Münchs Wunschpartner Fresenius sind direkte Wettbewerber. Beide beliefern Krankenhäuser etwa mit Kanülen und Spritzen. Beide erwirtschafteten vor gut zwei Jahrzehnten noch einen ähnlichen Umsatz, umgerechnet rund eine Milliarde Euro. Seither hat Braun zwar auf fünf Milliarden Euro zugelegt, Konkurrent Fresenius dagegen auf 20 Milliarden. Das dürfte L.G. gewaltig wurmen. Die zwei Buchstaben stehen übrigens für Ludwig Georg und nicht, wie manche Mitarbeiter schmunzelnd meinen, für „Lieber Gott“.

Seine Finten: Braun agiert wie Broermann im Verborgenen. Auch er kaufte 2012 heimlich Rhön-Aktien auf, um die Übernahme durch Fresenius zu verhindern. Anwalt Markus Linnerz von der Bonner Kanzlei Flick Gocke Schaumburg, der Braun auf der diesjährigen Rhön-Hauptversammlung vertrat, wies sich nicht offen als Braun-Bevollmächtigter aus, sondern operierte als verdeckter „Legitimationsaktionär“. Sowohl Braun als auch Broermann haben die Beschlüsse des Aktionärstreffens angefochten. Die beiden haben noch eine Rechnung mit Münch offen: 2005 boten Asklepios und Braun für das Universitätsklinikum Gießen-Marburg, den Zuschlag erhielt jedoch Rhön.

Warum er verliert: Mit seinem Feldzug gegen Fresenius und Rhön hat Braun den eigenen Vertriebsleuten einen Bärendienst erwiesen: Die Fresenius-Kliniktochter Helios hat bereits angekündigt, demnächst Braun-Produkte weitgehend auszulisten. Rhön-Gründer Münch hat im Interview mit der WirtschaftsWoche (Heft 26/2013) bereits durchblicken lassen, auf die Lieferungen von Braun auch verzichten zu können.

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