Krankenversicherte in Deutschland bekommen in Hunderttausenden Fällen negative Bescheide zu Leistungen wie Krankengeld, Reha oder Hilfsmitteln. Das geht aus Daten des Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) hervor.

Vergangenes Jahr wurden 1,5 Millionen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf Initiative der Kassen begutachtet. In 16 Prozent der Fälle urteilte der MDK, dass die Arbeitnehmer wieder arbeiten könnten. Bei fast 700.000 Prüfungen zu Reha-Leistungen kamen die MDK-Ärzte in 39 Prozent der Fälle zu dem Ergebnis: medizinische Voraussetzungen nicht erfüllt.

Für Hilfsmittel wie zum Beispiel Hörgeräte wurden fast 500.000 Gutachten geschrieben – negative Bescheide gab es bei 37 Prozent.

Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK, sagte: "Wir haben den Eindruck, dass die Kassen unter dem Damoklesschwert der Zusatzbeiträge alle Anstrengungen zum Sparen unternehmen." Allein im vergangenen Jahr stiegen die Ausgaben der gesetzlichen Kassen fürs Krankengeld von 8,5 auf 9,2 Milliarden Euro.

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) hatte bereits in ihrem Jahresbericht im Sommer auf die Vielzahl solcher Fälle hingewiesen. Laut UPD, Verbraucherzentrale und VdK haben viele Berater den Eindruck, dass es mehr Fälle gibt, in denen Kassen den Versicherten Krankengeld oder andere Leistungen nicht gewähren wollten. Die Kassen können den MDK für Gutachten beauftragen. Allerdings fehlen Zahlen, wie oft die Versicherung auf Grund eines Gutachtens eine Krankschreibung aufhebt.

Mascher rät, Patienten sollten sich "auf keinen Fall damit zufriedengeben, wenn der MDK ein Hörgerät über den Festbetrag ablehnt oder eine Reha-Leistung". Problematisch sei, dass Entscheidungen zur Arbeitsunfähigkeit oft nach Aktenlage getroffen würden. "Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen ist das fatal." Man könne Widerspruch einlegen, der behandelnde Arzt könne ein zweites Gutachten einfordern.

Krankenkassen rufen Betroffene zu Hause an

UPD-Beraterin Judith Storf sagte über solche Fälle bei psychischen Erkrankungen: "Der Leidensdruck dieser Betroffenen ist relativ hoch." Oft komme es vor, dass Krankenkassen Betroffene zu Hause anriefen, um sie wieder zum Arbeiten zu bewegen. Dörte Elß, Beraterin der Verbraucherzentrale Berlin: "Was nicht geht, ist das ständige Anrufen." Versicherte könnten sich aber Anrufe von Sachbearbeitern einer Krankenkasse verbitten und schriftliche Mitteilungen verlangen. Elß meinte, es könne aber auch etwas Gutes haben, wenn sich eine Kasse um eine zügige Genesung kümmere.

Der Geschäftsführer des Medizinischen Diensts des GKV-Spitzenverbands, Peter Pick, wies darauf hin, dass seit 2010 die begutachteten Fälle bei Arbeitsunfähigkeit, Reha und Hilfsmitteln leicht gesunken seien. Die Gutachten würden sorgfältig erstellt. Menschen, die psychische Leiden hätten, wieder in die Arbeitswelt zu integrieren, habe oft auch einen guten Effekt. Bei Leistungen wie Hilfsmitteln sei es oft so, dass es statt des ursprünglich vorgesehenen Produkts ein anderes oder etwa eine Physiotherapie gebe.