Gesundheitswesen
Oberster Schweizer Gesundheitsdirektor: «Wir haben zu viele Spitäler»

Für den Basler Regierungsrat Carlo Conti liegen Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen drin. Einen Teil der Akut-Spitäler in der Schweiz werde man in geriatrische Zentren umwandeln müssen, sagt der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren.

Roman Seiler und Anna Wanner
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Regierungsrat Carlo Conti in seinem Büro in Basel. Nicole Nars-Zimmer

Regierungsrat Carlo Conti in seinem Büro in Basel. Nicole Nars-Zimmer

Herr Conti, laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) stiegen die Kosten in der Grundversicherung im ersten Halbjahr um zehn Prozent, weil die Kosten für stationäre Spitalbehandlungen explodierten.

Carlo Conti: Diese Zahlen sind zu hoch. Viele Spitäler stellten 2012 ausgeführte Behandlungen erst 2013 in Rechnung. Die Zahlen der Gesundheitsdirektorenkonferenz weisen auf eine unterdurchschnittliche Kostensteigerung im Bereich Spital stationär hin.

Zur Person

Der 59-jährige Jurist Carlo Conti (CVP) ist seit 2000 Vorsteher des Gesundheitsdepartements von Basel-Stadt. Zudem ist der verheiratete Vater von drei Kindern Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. (sei)

Fakt ist: Seit Anfang 2012 werden stationäre Behandlungen im Spital mit Fallpauschalen abgerechnet. Das erhöht die Kosten.

Ein Teil dieser Kostensteigerung hat damit zu tun, dass die Investitionskosten der Spitäler neu in die Fallpauschalen eingerechnet werden. Ein weiterer Grund dafür ist, dass gewisse Kantone noch nicht 55 Prozent der Kosten einer Fallpauschale übernehmen. Den vollen Anteil müssen sie erst 2017 bezahlen.

Die Kostensteigerungen sind ein Indiz dafür, dass Effizienzsteigerungen auf sich warten lassen.

Effizienzsteigerungen liegen drin. Darum bemühen wir uns. Wir haben schweizweit zu viele Akut-Spitäler. Einen Teil davon wird man wegen der alternden Bevölkerung in geriatrische Zentren umwandeln müssen.

Auch die Preise müssen sinken.

Insgesamt zeigt sich, dass der Wechsel zur Vollkostenfinanzierung heikel ist. Der Grundversicherung werden nun die vollen Kosten belastet. Die Quersubventionierung von Behandlungen durch die Zusatzversicherung entfällt, was deren Versicherte entlastet. Die Kassen kündigen aber erst jetzt auf Druck der Finanzmarktaufsicht Prämiensenkungen in der Privatversicherung an.

Ein Indiz dafür, dass die Fallpauschalen zu hoch sind, liefert eine Studie. Sie zeigt, dass Spitäler ihre Finanzsituation stark verbessern.

Um diese Zahlen präzis zu analysieren, benötigt man die detaillierte Aufteilung der Abschlüsse nach Grund- und Zusatzversicherten. Dann sieht man, dass diese höheren Gewinne aus dem Bereich der Zusatz- und nicht der Grundversicherung stammen. Es findet sogar noch eine gewisse Quersubventionierung aus dem privaten Bereich statt.

Eine Senkung der Basispreise schliessen Sie aus?

Die Basispreise werden zwischen Krankenversicherern und Spitälern ausgehandelt. Das hat für 2013 bereits zu niedrigeren Preisen geführt.

Obendrein steigen die Kosten im ambulanten Spitalsektor überproportional. Das entlastet die Steuerzahler, weil sich die Kantone daran nicht beteiligen müssen.

Die Einführung der neuen Spitalfinanzierung hat die Kantone nicht ent-, sondern belastet. Denn ausserkantonale Behandlungen übernimmt nun nicht mehr die Zusatz-, sondern die Grundversicherung. Richtig ist aber: Die Verlagerung in den ambulanten Bereich wird wegen der modernen Medizin und der Zunahme älterer Patienten noch ansteigen. Daher muss das Finanzierungssystem im ambulanten Bereich mittelfristig konzeptionell überdacht werden.

Die stärker steigenden Kosten haben eine durchschnittliche Erhöhung der Grundversicherungsprämien um 2 bis 2,5 Prozent zur Folge. Korrekt?

Dazu kann ich keine Stellung beziehen, da wir die vom BAG genehmigten Prämien noch nicht kennen.

Kassenvertreter rechnen für 2015 mit einem noch höheren Anstieg.

Davon gehe ich nicht aus. Der Druck auf die Preise wird zunehmen. Es wird weitere Effizienzsteigerungen geben. Aber wir haben ein zunehmend grösseres Mengenproblem. Auch wegen des medizinischen Fortschritts steigt die Zahl der Gesundheitsleistungen, die Patienten beziehen. Die Prämienentwicklung hängt davon ab, wie es uns gelingt, diese Zunahme zu beeinflussen.