Schrobenhausen
"Natürlich ist eine gewisse Sorge dabei"

SZ-Gespräch mit Landrat Roland Weigert und Geschäftsführer Dietmar Eine über das Kreiskrankenhaus

13.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:40 Uhr

Für rund 7,4 Millionen Euro bekam das Kreiskrankenhaus Schrobenhausen im Jahr 2011 einen neuen Operationssaal. Auch darüber hinaus wird viel investiert. Im vergangenen Jahr schrieb die Klinik dennoch Verlust, zum zweiten Mal hintereinander. Arch - foto: Petry

Schrobenhausen (SZ) Die Nachrichten über die Probleme der Pfaffenhofener Ilmtalklinik haben in den vergangenen Wochen für viel Diskussionsstoff geführt, nicht nur in Behördenkreisen, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern. Dass die Zeiten für kleine Kliniken allgemein nicht einfacher geworden sind, belegen mittlerweile Klinikbilanzen landauf landab. SZ-Redakteur Mathias Petry sprach mit Landrat Roland Weigert und dem Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses, Dietmar Eine, über die Situation in Schrobenhausen.

Herr Eine, Sie sind frisch aus dem Urlaub zurück; was in Pfaffenhofen los war, werden Sie dennoch mitbekommen haben. Mit welchen Gefühlen nehmen Sie die Ereignisse dort wahr?

Eine: Ja, und natürlich ist eine gewisse Sorge dabei, denn die Anforderungen an das Gesundheitswesen sind zunehmend kritisch zu bewerten. Die Frage ist: Inwieweit werden sich in der neuen Legislaturperiode nach der Bundestagswahl die Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser verändern.

Wie sieht die Situation in Schrobenhausen denn konkret aus?

Eine: Das Gesamtunternehmen mit allen Betriebsstätten (auch das Kreisaltenheim, Anm.d.Red.) hat das Jahr 2012 mit über 900 000 Euro im Minus abgeschlossen, das Kreiskrankenhaus selbst mit 700 000 Euro. Diese Verlustsituation ergibt sich aus der sogenannten Kosten-Erlös-Schere, mit der wir zunehmend leben müssen. Wir haben auf der einen Seite ein Schrumpfen der Krankenhaus-Vergütungen zu verzeichnen und auf der anderen Seite deutlich gestiegene Versicherungsprämien und Sachkosten sowie gestiegene Personalkosten durch tarifliche Lohnerhöhungen. Diese Mehrkosten sind durch die Krankenhausvergütungen bei Weitem nicht mehr gedeckt.

Operieren Sie am Ende zu wenig?

Eine: Wir sind ein konservativ orientiertes Haus. Die größte Abteilung ist die Innere Medizin mit Kardiologie, Gastroenterologie und Nephrologie (Herz, Magen-Darm, Nieren, Anm.d. Red). Die Chirurgie mit Viszeral- (Allgemein, Bauch, Anm.d.Red.) und Unfallchirurgie ist in der Orthopädie dafür bekannt, dass nicht vorschnell operiert wird, dass wir konservative Behandlungswege im Sinne des Patienten gehen. Der Ansatz ist, so schonend wie möglich für die Patienten vorzugehen. Ich glaube, dass aber eher mehr Patienten zu uns kommen, weil sie die Verlässlichkeit unseres Hauses kennen.

Wie sieht es denn mit den Operationsquoten aus – wie wirkt sich das bei Ihnen aus?

Eine: Operationsquoten, die das Haus vorgibt, gibt es bei uns nicht. Es gibt jedoch vom Gesetzgeber Regelungen, sogenannte Mindestmengen, aber die sind zurzeit teilweise ausgesetzt. Grundsätzlich müssen zur Erfüllung von Qualitätsstandards beispielsweise in der Endoprothetik 50 Knie pro Jahr in der Klinik operiert werden. Im Kreiskrankenhaus behandeln wir jährlich 200 Patienten. Allein deshalb ist das für uns kein Thema.

Das heißt: Wer im Dezember zu Ihnen kommt, muss keine Angst haben, dass er für die Quote noch schnell unters Messer kommt?

Eine: Genau.

Haben Sie auch in anderen Bereichen mit solchen Quoten zu tun?

Eine: Nein, andere Bereiche, in denen es Mindestmengen gibt, werden nicht in Schrobenhausen bedient.

Weigert: Wir haben uns dazu entschieden, auf einigen Feldern mit bestimmten Leistungserbringern zu kooperieren, um die Qualität sicherzustellen. Sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie haben wir deshalb verschiedene Kooperationspartner. Als Kreiskrankenhaus haben wir ein umfängliches qualitativ hochwertiges Leistungsspektrum. Bestimmte Leistungen sind jedoch in Krankenhäusern mit höchster Versorgungsstufe zu behandeln. Daher haben unsere Ärzte auch sehr gute Verbindungen zu den Kliniken in Ingolstadt, Augsburg und München.

Welcher Bereich macht denn das größte Defizit?

Eine: Immer noch die Gynäkologie/Geburtshilfe.

Weigert: Was die Mengen betrifft, ist das Tal der Tränen durchschritten. Es gibt immer mehr waschechte Schrobenhausener. Aufgrund optimaler personeller und technischer Ausstattung entscheiden sich immer mehr werdende Mütter für das breite Behandlungsspektrum der Gynäkologie/Geburtshilfe – eine Entwicklung, die sehr positiv stimmt.

Eine: In dem schlechtesten Jahr nach Auflösung der Belegabteilung 2009 waren es nur 180, jetzt sind es wieder über 280 Geburten. Aber die Vergütungen aus dem sogenannten DRG-System (Vergütung nach Pauschalen pro Erkrankungsfall, Anm.d.Red.) reichen im Bereich der Geburtshilfe nicht aus, um die Kosten zu decken.

Sie weisen jetzt im zweiten Jahr ein Defizit aus . . .

Eine: Die Hälfte aller Kliniken in Bayern ist inzwischen defizitär. Vor drei Jahren hatten wir noch ein leichtes Plus, vor zwei Jahren war es dagegen ein leichtes Minus.

Halten Sie eine Trendwende noch für denkbar?

Eine: Das hängt von der Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl ab. Ich hoffe, dass die Vergütung der Krankenhäuser wieder auf ein Niveau gehoben wird, das die ländliche Versorgung nachhaltig sichert.

Das wird ein übergeordnetes Ziel sein: dafür zu sorgen, dass die Menschen auf dem Land in der medizinischen Versorgung nicht schlechter gestellt sind als die in der Stadt?

Weigert: Als Landkreis haben wir das Interesse, in beiden Mittelzentren qualifizierte Grundversorger aufweisen zu können. In Neuburg ist es ja ein Ordenshaus, das sich selbst organisiert, in Schrobenhausen das Kreiskrankenhaus. Wir wollen für das Mittelzentrum Schrobenhausen, das ja nicht das kleinste Mittelzentrum der Region ist, Eichstätt ist zum Beispiel kleiner, und das Umland eine zentrale Einrichtung vorhalten, damit die Menschen heimatnah medizinische Dienstleistung abgreifen können. Es ist für die Menschen wichtig, dass sie heimatnah im Krankenhaus sein können. Ich kenne das zum Beispiel von meinem Vater, er ist 83. Es ist für ihn wichtig, dass er nicht nach München oder Augsburg muss.

Können Sie eigentlich – unabhängig von den gesetzlichen Rahmenbedingungen – selbst etwas tun, um das Haus wirtschaftlich effizienter aufzustellen?

Eine: Genau das war unser Thema der letzten Jahre: Es ging darum, das Leistungsspektrum zu analysieren und gegebenenfalls anzupassen. Wir stehen heute kurz vor dem Baubeginn der Angiographie-Einheit, ein Gerät, das ein Herzkatheter-Labor abbildet und die Möglichkeit verschiedener gefäßchirurgischer Operationen eröffnet. Diese neue Funktionseinheit ist eine Ergänzung des Spektrums in Schrobenhausen. In Erweiterung der bisherigen guten Kooperation mit Pfaffenhofen im Bereich der Kardiologie werden dann auch endlich im Krankenhaus in Schrobenhausen akute Herzinfarkte durch Chefarzt Hüttl schnell und qualitativ hochwertig therapiert werden können. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt für uns. In der gleichen Anlage können wir auch mit dem Team Limberger den gefäßchirurgischen Ansatz besser verfolgen.

Sie haben in den vergangenen Jahren viel Geld ins Krankenhaus gesteckt.

Weigert: Wir haben den Erweiterungsanbau mit 3,1 Millionen gemacht, die OP-Sanierung für 7,4 Millionen, jetzt kommt die Angio mit einem Schockraum für 1,3 Millionen. Die große Investitionssumme durch den Landkreis verdeutlicht die hohe Bedeutung der regionalen Patientenversorgung für die Bürgerinnen und Bürger aus Schrobenhausen und dem Umland.

Könnten Sie denn als Krankenhaus mit anderen Bereichen richtig Geld verdienen? Warum machen Sie zum Beispiel keine Schönheitschirurgie?

Eine: Tatsächlich kann man damit Geld verdienen, zumal Schönheitsoperationen in der Regel privat bezahlte und keine Kassenleistungen sind – aber kaum so viel, dass damit das Defizit gedeckt werden könnte. Für derartige Eingriffe wird hier in unserem Raum wohl auch der Bedarf fehlen.

Wie lange können Sie denn solche Defizite wie im vergangenen Jahr noch verkraften?

Eine: Die Kapitaldecke unseres Hauses ist gut. Insofern ist der Verlust des Jahres 2012 noch kein Grund für existenzielle Sorge. Aber es ist das Ziel aller, dass wir uns hier zukunftsweisend aufstellen. Deshalb verbessern wir das Leistungsangebot der Klinik. Wir haben auch angefangen, die Pflege in unserem Haus umzustellen: weg von der Bereichspflege hin zum „Primary Nursing“. Dies ist eine patientenbezogene Bezugspflege.

Was heißt Bezugspflege?

Weigert: Bisher ist der Krankenhauspatient gewohnt, wenn er im Krankenhaus liegt, dass das Personal ständig wechselt. Viele Menschen kommen zum Patienten ins Zimmer, auch mal jemand von der Nachbarstation, der womöglich Essen austeilt. Unser Ziel ist es, dass es über die drei Schichten drei Ansprechpartner gibt, und davon einen Hauptansprechpartner.

Eine: Und der begleitet den Patienten vom Einchecken bis zu dem Tag, an dem er wieder entlassen wird. Das hat viele Vorteile, wie etwa die Steigerung der Pflegequalität oder die Verbesserung der Informationsweitergabe, die genauer wird. Es gibt weniger Reibungsverluste zwischen Arzt und Pflege und somit eine bessere Patientenbetreuung. Jedoch ist die Umsetzung des Primary Nursing ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und bei uns auch noch nicht abgeschlossen ist.

Gibt es viele Krankenhäuser, die das schon machen?

Eine: Im näheren Umkreis dürften wir die Einzigen sein.