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Kauf von 43 Rhön-Kliniken Fresenius wird größter Klinikbetreiber Europas

Nun kommt Fresenius doch noch zum Zug: Der Medizinkonzern kauft für gut drei Milliarden Euro die Mehrzahl der Krankenhäuser von Rhön-Klinikum. Damit steigt Fresenius zum größten privaten Klinikbetreiber Europas auf.
Übernahmeziel: Ein Großteil der Rhön-Kliniken geht an Fresenius

Übernahmeziel: Ein Großteil der Rhön-Kliniken geht an Fresenius

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ picture alliance / dpa

Frankfurt am Main - Nach der gescheiterten Übernahme des fränkischen Unternehmens Rhön-Klinikum im Jahr 2012 kann Fresenius-Chef Ulf Schneider nun durch die Hintertür doch noch sein Ziel erreichen: Mit dem Überraschungscoup wird die Fresenius-Tochter Helios unangefochtener Marktführer in Deutschland. Vor allem im Einkauf kann Fresenius  so Geld sparen.

Rhön-Gründer Eugen Münch zerschlägt damit sein Lebenswerk. Das Unternehmen richtet sich völlig neu aus und konzentriert sich auf wenige Krankenhäuser, darunter die Uni-Klinik Gießen und Marburg.

Bei den Investoren sorgte der Deal am Freitag für Begeisterung. Die Gewerkschaft Verdi befürchtet hingegen einen Stellenabbau. Fresenius kauft 43 Kliniken und 15 medizinische Versorgungszentren - diese sollen im laufenden Jahr auf einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 250 Millionen Euro und einen Umsatz von zwei Milliarden Euro kommen. Das sind rund zwei Drittel der Gesamterlöse von Rhön-Klinikum.

Schuldenfinanzierte Übernahme - "sind keine angstorientierte Firma"

Fresenius finanziert den Deal ausschließlich mit Fremdkapital. Schulden werden keine übernommen. Die Spitzen von Fresenius und Rhön haben den Plan mit ihren Juristen ausgeheckt. Die Aufsichtsräte und Vorstände beider Unternehmen hätten den Deal abgesegnet, sagte ein Fresenius-Sprecher. "Wir sind keine angstorientierte Firma. Deswegen können wir solche Sachen machen", sagte Schneider, der in den vergangenen Jahren mehrere Milliardenübernahmen gestemmt hat.

Im vergangenen Jahr war der Konzern aus Bad Homburg noch an der ebenfalls drei Milliarden Euro teuren Übernahme von Rhön gescheitert, weil sich der Konkurrent Asklepios in letzter Minute eingekauft hatte - ein großer Rückschlag für Schneider.

Auch der Medizintechnikkonzern und Helios-Lieferant B. Braun plant, seinen Anteil an Rhön auf über 25 Prozent aufzustocken, womit der Konzern einen Verkauf des Gesamtkonzerns dauerhaft blockieren könnte. B. Braun und Asklepios wollen verhindern, dass ein übermächtiger Anbieter auf dem deutschen Klinikmarkt entsteht.

Streit mit B. Braun und Asklepios

Die Frage, ob ihnen das nun noch gelingt, wird Juristen beschäftigen. "Wir haben uns größtmögliche Mühe gegeben, alle Formalitäten korrekt und richtig abzubilden, insofern habe ich großes Vertrauen in unsere Lösung", sagte Schneider der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Blockade ist aufgehoben - die Kuh ist vom Eis", meinte ein Beteiligter. Nach Einschätzung eines auf Übernahmen spezialisierten Anwalts spricht auf den ersten Blick juristisch wenig gegen den Vorstoß von Fresenius.

"Die beteiligten Unternehmen werden die juristische Seite genau angeschaut haben", sagte Michael Ulmer von der Kanzlei Allen & Overy, die keine der Parteien bei der Transaktion berät. B. Braun und Asklepios wollten sich nicht äußern.

Schneider will Asklepios in Verbund mit aufnehmen

Fresenius-Chef Schneider möchte beiden Firmen entgegen kommen: So will er künftig eng mit den verbliebenen Rhön-Kliniken zusammenarbeiten und ist offen, auch weitere Krankenhäuser etwa von Asklepios in diesen Verbund aufzunehmen. B. Braun will er mit der Ankündigung besänftigen, dass Helios auch künftig viele Lieferanten haben wolle.

Eine Zustimmung der Rhön-Aktionäre halten die Vorstände nicht für nötig, wie ein Fresenius-Sprecher betonte. Sie sollen mit einer Sonderdividende von bis zu 13,80 Euro pro Aktie von dem Verkauf profitieren. Kleinaktionärsvertreter kritisieren das und fordern eine Abstimmung auf der Hauptversammlung. "Wir prüfen das rechtlich", sagte ein Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) dem "Tagesspiegel".

Berenberg: Fairer Deal für Rhön-Aktionäre

Die Analysten der Bank Berenberg sprachen von einem fairen Deal für die Rhön-Aktionäre. Nach Ansicht der Experten der DZ Bank ergibt die Übernahme strategisch Sinn. Auch die Blockade der beiden Rhön-Großaktionäre könne so "möglicherweise endgültig umgangen" werden.

Die im Nebenwerteindex MDax  enthaltenen Papiere von Rhön-Klinkum (Kurswerte anzeigen) schossen um 11,7 Prozent auf 19,49 Euro nach oben. Die im Dax  notierten Aktien von Fresenius (Kurswerte anzeigen) gewannen 4,2 Prozent.

Nach dem Verkauf dürfte Rhön aus dem MDax fallen. "Ich gehe nicht davon aus, dass das in diesem Jahr noch passiert, aber im nächsten Jahr steht das sicher an", sagte LBBW-Analyst Berndt Fernow. Noch ändere sich an der Marktkapitalisierung nichts. "Aber wenn sie den riesigen Erlös an die Aktionäre ausgeschüttet haben, dann dürfte der Aktienkurs in sich zusammenfallen, und dann werden sie auch aus dem MDax fallen."

Neue Rhön besteht aus zehn Kliniken

Rhön will sich in Zukunft vor allem auf Kliniken konzentrieren, an denen Spitzenmedizin und universitäre Forschung betrieben wird. Die "neue Rhön" besteht aus zehn Kliniken an fünf Standorten. Rund 15.000 Mitarbeiter erwirtschaften dann einen Umsatz von etwa einer Milliarde Euro.

Rhön will die EU-Kommission bitten, die Pläne durch das Kartellamt prüfen zu lassen. Damit könnte das Verfahren erheblich verkürzt werden. Bei bestimmten Krankenhäusern ist auch die Zustimmung der ehemaligen Eigentümer nötig, meist der jeweiligen Kommune. Fresenius will den "überwiegenden Teil der Transaktion" bis Ende des Jahres über die Bühne bringen.

Die Fresenius-Tochter Helios wird nach der Übernahme mit 117 Kliniken, 50 Versorgungszentren und einem Umsatz von rund 5,5 Milliarden Euro der größte private Klinikbetreiber Europas sein. Helios wird dann rund 70.000 Beschäftigte haben. Der größere Klinikverbund soll auch die Kosten senken: Fresenius plant, bis 2015 Einsparungen von rund 85 Millionen vor Steuern im Jahr zu erreichen.

Die Gewerkschaft Verdi befürchtet einen zunehmenden Druck auf die Beschäftigten. "Wir fordern deshalb, unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Rhön und Helios Sicherheit und Schutz zu geben", sagte Verdi-Bundesvorstand Sylvia Bühler. Helios wird nach der Übernahme der erste Anbieter mit einem flächendeckenden Kliniknetz und kann damit Angebote wie eine private Zusatzversicherung für gesetzlich Versicherte einführen. Damit würde ein großer Traum von Rhön-Gründer Münch erfüllt, der den Verkauf an Fresenius einfädelte. Seine Idee ist es, einen allumfassenden Klinikversorger mit angeschlossener Zusatzversicherung zu schaffen.

von Frank Siebelt, Reuters

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