Großrazzia in der Neurochirurgie

Homburg · 30 Kripobeamte haben gestern die Neurochirurgie der Uniklinik durchsucht. Gegen deren Direktor Oertel und sieben Oberärzte wird wegen Betrugsverdachts ermittelt. Zudem geht es um Folgen einer OP-Technik.

 Die Neurochirurgie an der Homburger Uniklinik wurde gestern von der Kripo durchsucht. Foto: bub

Die Neurochirurgie an der Homburger Uniklinik wurde gestern von der Kripo durchsucht. Foto: bub

Foto: bub

. Die Fahnder sind gestern kurz nach acht Uhr zur überraschenden Visite in der Klinik für Neurochirurgie des Homburger Universitätsklinikums aufgetaucht. Prof. Dr. Joachim Oertel (43), seit Anfang 2010 Chef der Neurochirurgen, war gerade mit seiner Ärztemannschaft bei der Frühbesprechung, als die Kripobeamten einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss präsentierten und zur Tat schritten. Ärztezimmer und Büros der Klinik sowie des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) wurden inspiziert, kistenweise Patientenakten, Abrechnungsunterlagen, Dienstpläne, Schriftverkehr, Dienstanweisungen und Computer beschlagnahmt. Rund 30 Beamte des Dezernates für Wirtschaftskriminalität waren bei der Großrazzia im Einsatz.

Gegen Klinikdirektor Oertel und sieben seiner Oberärzte wird wegen Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs und der Körperverletzung ermittelt. So steht es nach Informationen unserer Zeitung im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Saarbrücken.

Konkret wird Oertel und weiteren Medizinern, die wegen besonderer Qualifikationen von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ermächtigt waren, Patienten in der kassenärztlichen Ambulanz der Klinik zu behandeln, vorgeworfen, gegenüber der KV falsche Angaben gemacht zu haben. So sollen sie offenbar über Jahre hinweg Untersuchungen und Behandlungen abgerechnet haben, die sie tatsächlich nicht persönlich erbracht haben. Assistenzärzte und Fachmediziner, die keine Kassenzulassung hatten, seien vielmehr mit diesen Behandlungen beauftragt worden. So kursieren im Uniklinikum derzeit Zahlen, wonach etwa Chefarzt Oertel in einem Quartal 2012 angeblich mehr als 1100 Patientenkontakte in der Kassenambulanz abgerechnet, aber nur in 71 Fällen die Leistungen selbst erbracht haben soll. Die KV erfuhr von diesen angeblichen Unregelmäßigkeiten und alarmierte Kripo und Staatsanwalt. KV-Chef Gunter Hauptmann bestätigte gestern, dass der Klinikarzt, der über eine Kassenarztzulassung verfügt, Leistungen grundsätzlich "höchstpersönlich" erbringen muss.

Auch im Bereich des neuen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), in das die neurochirurgische Ambulanz seit Jahresbeginn eingegliedert wurde, sollen Assistenzärzte ohne Genehmigung eingesetzt worden sein. Angaben zur möglichen Schadenshöhe wollten gestern weder Staatsanwaltschaft noch KV machen.

Die Fahnder interessieren sich neben den Betrugsvorwürfen nach SZ-Informationen auch für die Folgen einer, wie es heißt, besonderen Operationstechnik von Klinikchef Oertel. Angeblich sei es bei der Implantation von Sonden zur Messung des Gehirndrucks häufig zu Einlagerungen von Flüssigkeit gekommen.

Von Oertel war zu den Vorwürfen gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Er verwies an seinen Vorgänger, Professor Wolf-Ingo Steudel, der jetzt ärztlicher Direktor und Vorstandschef des Uniklinikums ist. Der wiederum wollte wegen des "schwebenden Verfahrens" keine Erklärung abgeben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort