StartseiteRegionalOberschwabenRavensburgKrankenhauskrise: „Man soll jetzt nicht die Fusionitis anfangen“

Krankenhauskrise

Krankenhauskrise: „Man soll jetzt nicht die Fusionitis anfangen“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Ellio Schneider, Geschäftsführer der Waldburg-Zeil-Kliniken, äußert sich zur aktuellen Krankenhauskrise
Veröffentlicht:24.09.2013, 10:32

Von:
Artikel teilen:

Um die Krise im Gesundheitswesen besser meistern zu können, denken derzeit viele Krankenhausträger über radikale Veränderungen nach. Das Klinikum Friedrichshafen hat das tief in die roten Zahlen gerutschte Weingartener Krankenhaus 14 Nothelfer übernommen, und die Oberschwabenklinik (OSK) hat bereits ihren Standort in Leutkirch geschlossen und will das gleiche mit Isny tun, sobald das Gerichtsverfahren zwischen Landkreis Ravensburg und Stadt Isny in ihrem Sinne abgeschlossen ist.

Jüngst wurden auch Überlegungen bekannt, dass Landrat Kurt Widmaier für die OSK eine enge Kooperation mit anderen Trägern anstrebt, die Rede war von Friedrichshafen und den Waldburg-Zeil-Kliniken mit Sitz in Isny-Neutrauchburg, die hauptsächlich Reha-Kliniken betreiben, aber auch Akutkrankenhäuser in Tettnang, Wangen und Oberammergau. Der Vorteil einer engen Zusammenarbeit: Unter dem Dach einer Holding, in der alle drei Träger vertreten wären, könnten medizinische Fachgebiete sinnvoll aufgeteilt und Doppelstrukturen - etwa bei der Anschaffung teurer medizinischer Geräte - vermieden werden. Anderenfalls droht in den Kreisen Ravensburg und Bodensee ein ruinöser, weil teurer Wettbewerb um Patienten, Fallzahlen, Bettenbelegungen, fürchtet man bei der OSK.

Im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung äußerte sich der Geschäftsführer der Waldburg-Zeil-Kliniken, Ellio Schneider, jedoch leicht irritiert über diesen Vorstoß. "Man kann nicht erst zehn Jahre neben einander arbeiten und dann plötzlich, wenn die Lage schwieriger wird, für morgen die Hochzeit bestellen." In der Ära von OSK-Geschäftsführerin Elizabeth Harrison seien sämtliche zarten Vorstöße abgewiesen worden. Mittlerweile arbeite man auf Geschäftsführerebene gut zusammen, auch OSK-Chef Sebastian Wolf seien bei vielen wichtigen Entscheidungen aber die Hände gebunden, weil der Ravensburger Kreistag immer mitentscheiden muss.

Die Situation, dass ein politisches Gremium, dessen Mitglieder in ihren jeweiligen Kommunen wiedergewählt werden wollen, bei schwierigen wirtschaftlichen Entscheidungen der OSK mitwirkt, vergleicht Schneider mit einer Autofahrt. "Die Politik sitzt auf dem Beifahrersitz und greift dem Fahrer ständig ins Lenkrad. Wenn der einen Unfall baut oder geblitzt wird, sagt der Politiker: Du bist Schuld." Es sei nahezu unmöglich für Kreisräte, sinnvolle wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, wenn diese in den eigenen Heimatstädten extrem unpopulär seien. Daher meint Ellio Schneider: "Private Träger können das besser als kommunale. Damit meine ich nicht, dass kommunale Häuser nicht auch gut arbeiten würden, aber sie sind ganz anderen Zwängen unterworfen."

Prinzipiell sieht Schneider einer engeren Zusammenarbeit der Klinikträger aber positiv entgegen. Auf medizinischer Ebene gebe es schon gute Kontakte, und man könne auch über gemeinsame Einkaufsmöglichkeiten oder eine gemeinsame Aus- und Weiterbildung nachdenken. Mit dem Klinikum Friedrichshafen gebe es ebenfalls Berührungspunkte. "Wir nutzen deren Klinikapotheke und bekommen Patienten zur Nachsorge, ansonsten gibt es bisher noch keine gemeinsamen Aktivitäten." Heißt: Man werbe sich zum Beispiel nicht gegenseitig das Personal ab. Aber Schneider sagt auch: "Man soll jetzt nicht die Fusionitis anfangen, wenn kein Stein zum anderen passt." Aus diesem Grunde seien die Waldburg-Zeil-Kliniken auch nach anfänglichem Interesse am Weingartener Krankenhaus 14 Nothelfer nicht ins Bieterverfahren eingestiegen. „Das passte in dieser Konstellation nicht zu unserem Leistungsangebot." Seiner Meinung nach wäre es vernünftig gewesen, das 14 Nothelfer zu einem Facharztzentrum weiter zu entwickeln. Das hätte aber eher nicht der Zielsetzung der Stadt Weingarten entsprochen.

Aber wie geht es jetzt weiter? Schneider, der auch Mitglied des Vorstandes im Bundesverband Deutscher Privatkliniken ist, fordert die Verantwortlichen zu einem Paradigmenwechsel auf. Momentan sei die Fragestellung zu sehr darauf fokussiert, was den Trägern (finanziell) nutze, wie sie also aus den roten Zahlen herauskämen. Dabei müsste die eigentliche Frage seiner Meinung nach lauten: Was braucht der Patient? Wo werden also welche medizinischen Einrichtungen benötigt, um eine möglichst gute Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten? Als nächstes dann die Frage: Was braucht der Mitarbeiter? Durch den hohen Frauenanteil in medizinischen Berufen seien Teilzeitmodelle und eine flexible Arbeitszeitregelung zunehmend wichtig. Anderenfalls hätten hätten in Zukunft vielleicht manche Kliniken schon wegen des Fachkräftemangels Probleme im Betrieb der Krankenhäuser.