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Wirtschaft Klinik-Skandal

Die fragwürdigen Machenschaften eines Chefarztes

Der hochdekorierte Chefarzt Professor Peter Altmeyer setzt seine Assistenzärzte in einer fremden Klinik ein, die ihm zum Teil gehört. Ein Lehrstück über den Machtmissbrauch in Krankenhäusern.

Professor Peter Altmeyer, renommierter Chefarzt, Autor von Standardwerken über Hautkrebs und Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse, hat sich gut organisiert.

Im Erdgeschoss seiner Klinik in Bochum wacht ein Doppelsekretariat darüber, dass die Geschäfte in seiner Dermatologie mit den zehn Oberärzten und 23 Assistenzärzten gut laufen.

Ein Stockwerk darüber, nur kurz durch das Treppenhaus, steht dem 68-Jährigen ein weiteres Büro samt Sekretärin und Assistentin der Geschäftsführung zur Verfügung.

Altmeyer ist nicht nur Chef-Dermatologe, er ist auch Ärztlicher Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung des gesamten Katholischen Klinikums Bochum – er ist der unumschränkte Herrscher des größten katholischen Krankenhauses der Republik mit mehr als 1000 Betten und insgesamt gut 3500 Beschäftigten.

Der Chefarzt hält acht Prozent an der Klinik auf Borkum

Altmeyer hat offenbar noch einiges vor. Als er vor drei Jahren seinen 65. Geburtstag feierte, ließ er verbreiten, dass er vom Ruhestand noch weit entfernt sei. Das ist nachvollziehbar, denn es läuft rund für ihn. Zuletzt stieg der Umsatz seiner Klinik um gut fünf Prozent auf knapp 177 Millionen Euro.

Allerdings legen Recherchen der „Welt am Sonntag“ nahe, dass Altmeyers Alleinherrschaft auch ihre Schattenseiten hat. Seit Jahren verschickt er Assistenzärzte während ihrer Ausbildung von Bochum aus in eine kleine Klinik auf die Nordseeinsel Borkum.

Das ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Erstens hat die Abteilung, um die es geht, keine Weiterbildungsberechtigung und darf demnach keine Ärzte ausbilden. Zweitens untersteht das Fachklinikum Borkum nicht der katholischen Kirche, sondern gehört Privatinvestoren. Den größten Anteil mit rund acht Prozent hält Altmeyer selbst.

Assistenten erdulden die Autokratie

So gewährt der Fall Altmeyer einen besonders delikaten Einblick in den Alltag in deutschen Krankenhäusern. Dort treten Chefärzte nicht selten wie Alleinherrscher auf, die, abhängig von ihrer Chuzpe, über ihre Untergebenen verfügen. Kontrollen gibt es kaum. Die Aufsichtsräte der Kliniken sind oft fachfremde lokale Honoratioren.

Die Assistenzärzte sind von den Chefs abhängig und erdulden für die Jahre ihrer Ausbildung die Autokratie. Ihren Unmut äußern sie in der Regel nur anonym in Internetforen. Und die Ärztekammern nehmen sich des Themas kaum an – auch weil die Chefärzte zu ihren Aushängeschildern gehören.

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Altmeyer etwa gilt über Deutschlands Grenzen hinaus als Koryphäe auf seinem Gebiet, das haben die Laudatoren hervorgehoben, als sie dem Mediziner das Bundesverdienstkreuz verliehen: „Herr Prof. Altmeyer genießt national und international großes Ansehen.“ Seine fachlichen Verdienste sind unbestritten.

Für seine Qualitäten als Chef sieht das anders aus. Ein wichtiges Herrschaftsinstrument Altmeyers sind die Rotationspläne seiner dermatologischen Abteilung. Über sie erfahren die Assistenzärzte, wann sie während ihrer fünfjährigen Ausbildungszeit wo eingesetzt werden. Der Professor führt Buch. Wer alle Stationen brav ableistet, bekommt am Ende die ersehnte Approbation als Facharzt für Dermatologie – das Sprungbrett für die Karriere im Krankenhaus oder als niedergelassener Arzt.

„Altmeyer hat einen guten Ruf, da spurt man lieber“

Solche Rotationspläne sind in der Branche absolut üblich und auch sinnvoll. Dass Altmeyer sie in einer Mail an die „Welt am Sonntag“ dennoch als „hochsensible Interna der Klinik“ bezeichnet, hat womöglich einen guten Grund: In seinen Rotationsplänen taucht eine Station für die Assistenzärzte auf, die mit dem Katholischen Klinikum Bochum gar nichts zu tun hat, wohl aber mit Altmeyer persönlich: eben das Fachklinikum Borkum mit 300 Betten.

Für sechs Monate verschickt Altmeyer seine Assistenten auf die kleine, gut durchlüftende Nordseeinsel, rund 300 Kilometer von ihrem eigentlichen Vertragsort entfernt.

Während dieses halben Jahres wird Urlaub nach Angaben ehemaliger Mitarbeiter nicht so gern gesehen, nahezu jedes zweite Wochenende ist Dienst, gewohnt wird in einer kleinen Bleibe in der Nähe der Klinik. „Altmeyer hat in der Branche einen guten Ruf, da spurt man lieber“, sagt ein Facharzt, der sich beim Professor hat ausbilden lassen.

Die Arbeit im Akkord ist für den Klinikbetreiber auf Borkum bares Geld wert. Assistenzärzte verdienen nach dem Tarifvertrag des Marburger Bunds im zweiten Jahr 4371 Euro monatlich – ein Facharzt mit etwas Erfahrung, den die Klinik sonst anstellen müsste, kommt auf 5917 Euro.

Über das Jahr gerechnet summiert sich das auf eine Differenz von gut 18.500 Euro – locker gespartes Geld für die Eigentümer der Borkumer Klinik. Immerhin wären das 2,7 Prozent des zuletzt ausgewiesenen Jahresüberschusses der Klinik von 681.000 Euro.

Assistenzärzte gehen ins Risiko

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Davon profitiert Altmeyer persönlich – zumindest indirekt. Seit Gründung 1988 ist der Professor Kommanditist der Firma, momentan ausweislich des Handelsregisters des Amtsgerichts Aurich mit einer Einlage von rund 192.000 Euro sogar deren größter.

Seine Beteiligung wird straff geführt: Trotz stagnierender Umsätze konnte die Klinik Borkum zuletzt ihren Überschuss steigern. Das mag auch daran liegen, dass für Altmeyers Mitgesellschafter die Einnahmequelle Borkum wichtiger geworden ist: An der Klinik sind mindestens elf Mitglieder der Familie Frömbling beteiligt. Der Unternehmersippe aus Osnabrück gehörte die Drogeriemarktkette Ihr Platz, bevor sie 2005 Insolvenz anmelden musste.

Altmeyers Landverschickung aber ist aus mehreren Gründen problematisch: Die Arbeitsverträge der Assistenzärzte sehen vor, dass sie nur beim Träger der Bochumer Klinik eingesetzt werden dürfen. Damit scheidet das Klinikum Borkum aus.

Zudem gefährdet Altmeyer ihre Anerkennung als Facharzt: Damit die Mediziner nach fünf Jahren als Fachärzte arbeiten dürfen, müssen sie in Kliniken oder Praxen ausgebildet werden, die eine Weiterbildungsberechtigung der jeweils zuständigen Ärztekammer haben. Die Chefärztin der Fachabteilung Dermatologie auf Borkum, bei der Altmeyers Assistenzärzte eingesetzt werden, hat diese Berechtigung aber nach Angaben der Ärztekammer Niedersachsen nicht.

Die Ärztekammer weiß von nichts

Das Klinikum Bochum versucht sich damit herauszureden, dass es „mit der Fachklinik Borkum eine wissenschaftliche Kooperation“ gebe. Diese würde als Weiterbildungsinhalt von Altmeyer testiert. Das Problem ist nur: Die Ärztekammer Westfalen-Lippe, zuständig für die Weiterbildung der in Bochum angestellten Assistenzärzte, scheint davon nichts zu wissen.

Auf Nachfrage der „Welt am Sonntag“ schreibt sie: „Die Begrifflichkeit ‚wissenschaftliche Kooperation‘ lässt sich anhand der Weiterbildungsordnung nicht zuordnen.“ Denkbar sei, dass man „Vereinbarungen ... für eine abweichende Weiterbildung“ treffe. Aber: „Derartige Vereinbarungen zwischen Klinikträgern existieren im Kammerbereich Westfalen-Lippe nicht.“

Im Klartext: Altmeyer deklariert etwas als Weiterbildung, was in der Weiterbildungsordnung nicht vorgesehen und mit der zuständigen Kammer offenbar nicht abgesprochen ist. Fragen, worin die „wissenschaftliche Kooperation“ mit Borkum konkret bestehe und ob es nach der jahrelangen Praxis bereits Aufsätze oder Studien darüber gebe, ließ Altmeyer unbeantwortet.

Altmeyers Arbeitgeber, das Katholische Klinikum in Bochum, legt viel Wert auf hehre Ideale: In seinem Leitbild heißt es etwa: „Unser Wissen, unsere Haltung, unser Menschenbild geben wir gerne weiter. Ausbildung und berufliche Bildung sind uns Verpflichtung.“

Altmeyer will „keine Stellung nehmen“

Der Aufsichtsrat des Klinikums scheint in Altmeyers Gebaren dennoch kein Problem zu sehen. Als Chef fungiert Wilhelm Beermann, einst Vorstandschef der RAG Deutsche Steinkohle AG und auch mit 77 Jahren noch stellvertretender Vorsitzender des Gesamtverbands Steinkohle.

Sein Stellvertreter ist Volker Goldmann, Chef der Stadtsparkasse Bochum. Von der „Welt am Sonntag“ auf Altmeyers spezielles Rotationsverfahren hingewiesen, antworteten sie, man habe eine „entsprechende Überprüfung von fachlicher Seite veranlasst“, alles laufe ordnungsgemäß.

Altmeyer selbst will zu den Vorgängen „keine Stellung nehmen“, wie er in der vergangenen Woche schrieb. Dafür äußerte er sich zu einem anderen Sachverhalt – dem Einsatz seiner Assistenzärzte in der Praxis seiner Frau, die mit großzügigen Räumlichkeiten direkt am Bochumer Stadtpark solvente Patienten lockt. Das geschehe über einen „mit ihrem Arbeitgeber abgestimmten 400-Euro-Vertrag“.

Mitarbeit: Julika Meinert

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