Medizin aus dem Supermarkt: Die Walmartisierung des Gesundheitswesens

Der Gesundheitsökonom David Cutler glaubt, dass die zunehmende Vernetzung des Gesundheitswesens zu einer ähnlichen Entwicklung wie im Einzelhandel führen könnte – vom kleinen Krämer hin zu Walmart.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 165 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.

Der Gesundheitsökonom David Cutler glaubt, dass die zunehmende Vernetzung des Gesundheitswesens zu einer ähnlichen Entwicklung wie im Einzelhandel führen könnte – mehr große Player, mehr Professionalisierung. Das schreibt der Harvard-University-Forscher in einem Essay für Technology Review. Der Gesundheitssektor von heute gleicht seiner Einschätzung nach dem Einzelhandel in den frühen 1980ern, als Haushaltsprodukte und Kleidung noch von vielen lokalen Geschäften und kleinen Ladenketten vertrieben wurden. "Die Preise waren höher, die Qualität war mitunter Glückssache und das Kauferlebnis der Kunden durchwachsen. Die konnten sich nur auf Produktinformationen stützen, die ein Geschäft selbst oder die Sonntagszeitung gab."

Mit der Verbreitung der Informationstechnik seien die Einzelhandelsfirmen größer geworden. Supermärkte wie Walmart ersetzten den Laden an der Ecke, Amazon verdrängte den lokalen Buchhändler. "Denn große Unternehmen können mehr aus Informationstechnik herausholen als kleine, wenn sie ihr Inventar verwalten, die Bestände konsistenter machen, Routineabläufe automatisieren und Preise heruntersetzen." Der Output pro Mitarbeiter im Einzelhandel sei seit 1995 jährlich um vier Prozent gestiegen – der von Personal im Gesundheitswesen habe im gleichen Zeitraum hingegen abgenommen.

Wie schon im Einzelhandel, dürften auch im Gesundheitswesen zum Vorreiter des Wandels werden, glaubt Cutler. Kleine Krankenhäuser und Praxen werde es als Erstes treffen. "Bei Anschaffungskosten für medizinische Datensysteme von 20 Millionen Dollar begeben sich bereits jetzt einige unter die Obhut der großen Konkurrenten. Ich vermute, dass in den Großstädten innerhalb der nächsten zehn Jahre die Zahl der einzelnen Hospitäler von zehn bis 15 auf drei bis fünf – große Einrichtungen – fallen wird. Die bieten dann alles an: Gesundheitschecks, Seniorenbetreuung und Herzbehandlungen ebenso wie das Verschreiben von Allergiepillen."

Wer die Menschen behandele, werde sich ebenfalls ändern. Mit einer elektronischen Anbindung müsse niemand mehr für jede Kleinigkeit den Doktor aufsuchen. "Zunehmend wird das, was Hausärzte tun, von Gesundheitspersonal etwa in einem Walmart oder in einer Filiale der Apothekenkette CVS erledigt werden. Dauerrezepte für bestimmte Medikamente können online erneuert werden, unter Aufsicht eines elektronischen Arztes." Sogar anspruchsvolle Dienste könnten damit weiträumiger abgewickelt werden, "koordiniert von spezialisierten Einrichtungen, die weit weg vom Wohnort sein können".

Mehr zum Thema in Technology Review online:

(bsc)