Spitäler wachsen eindimensional

Kaum ein Spital in Zürich ist ohne Ausbaupläne. Kaum ein Spital ist dabei kreativ. Von Reto Scherrer

Reto Scherrer
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Hier ein Neubauprojekt, da eine umfassende Sanierung und dort ein Erweiterungsbau. Im Kanton Zürich scheint es derzeit Usus, dass jedes Spital, das etwas auf sich hält, in ein ambitiöses Bauprojekt investiert. Diese sind natürlich unterschiedlich weit gediehen, und doch ist es eine Häufung an Vorhaben, die auffallen muss. Begründet werden die meist in einen Ausbau mündenden Projekte mit dem zunehmenden Zustrom von Patienten und mit mehr Komfort für ebendiese.

Wettbewerb auf falschem Terrain

Kapazitätsengpässe sind die Kehrseite der eingeschlagenen Strategien, die darauf basieren, die Auslastung der Infrastruktur zu maximieren. Das macht es erforderlich, mehr Patienten zu behandeln. Gerade mit der relativ neuen Spitalfinanzierung über Fallpauschalen ist die Quantität eine wichtige Einflussgrösse für den finanziellen Abschluss. In den Jahresberichten der Spitäler ist das Ausmass des Patientenzuwachses mittlerweile zum Wert für den Erfolg geworden; und alle vermelden Zustrom. In den Augen der Betreiber ist dies Ausdruck der eigenen Qualität und der eigenen Stärke im Wettbewerb.

Doch damit macht es sich die Spitalbranche zu einfach. Der Zuwachs an Patienten hat mit der Bevölkerungszunahme, veränderten soziodemografischen Strukturen und neuen Gewohnheiten zu tun. Vor allem hat es auch mit dem hausgemachten, rein ökonomisch motivierten, stetigen Ausbau gewisser – einträglicher – Angebote zu tun. Es mag sein, dass das eine oder andere Haus von seinem wie auch immer erworbenen Ruf profitiert; eine Auszeichnung für gebotene medizinische Qualität ist die Zunahme der Patientenzahlen aber nicht.

Noch immer krankt der Wettbewerb unter den Spitälern daran, dass er auf dem falschen Terrain ausgetragen wird. Es handelt sich nicht um einen Qualitätswettbewerb, denn dafür fehlen trotz den – wenig aussagekräftigen – Statistiken des zuständigen Bundesamts schlicht die geeigneten Mess- und Publikationsmethoden. Es besteht höchstens eine Konkurrenzsituation durch die öffentlich vermutete oder zugeschriebene Qualität eines Spitals. Auch ein Wettbewerb über die Preise findet nicht statt. Zum einen reagieren Patienten bei stationären Spitalaufenthalten nicht preisempfindlich; ihr Anteil an den Behandlungskosten ist dafür zu gering. Zum andern unterliegen im Kanton Zürich die meisten Akutspitäler denselben Tarifen, so dass Gleiches den gleichen Preis hat.

Neue Wege gehen

Der Wettbewerb wird also über das nichtmedizinische Angebot ausgetragen. In diesem Portefeuille spielt das infrastrukturelle Angebot eine zentrale Rolle. Mit veralteten Mehrbettzimmern ohne Nasszelle hat jedes Spital einen schweren Stand gegen modernere Konkurrenz. Ebenso schwierig wird es für Häuser, die permanent überbelegt sind. Das spricht sich herum und wirft in der erfolgsrelevanten öffentlichen Wahrnehmung kein gutes Licht auf das Spital.

Für Spitäler gäbe es aber kreativere Wege als Grossbauprojekte, um sich einen guten Namen zu machen, die Infrastruktur auszulasten und auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen. Das Wachstum, das für das wirtschaftliche Überleben als so wichtig eingeschätzt wird, muss nicht zwingend nur hausintern und im Kerngeschäft erfolgen. Im Gesundheitsmarkt sind noch manche ohne Partner, aus Sicht eines Akutspitals gerade auch nachgelagerte Betriebe. So könnte man sich als Spital, statt weitgehend auf bauliches Wachstum zu fokussieren, zum Beispiel ein Pflegeheim oder eine Spitexorganisation einverleiben; die Stadt Zürich macht nicht die schlechtesten Erfahrungen mit ihrer gänzlich integrierten Versorgungskette. Auch können sich die Häuser in einer Nische spezialisieren – der Möglichkeiten sind viele. Mehr vom Gleichen hat jedenfalls noch nirgends dauerhaft Erfolg gebracht.