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Oberschwabenklinik

Fraktionschefs waren schon damals über das Klinik-Gutachten zur Oberschwabenklinik informiert

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Analyse warnte schon 2004 vor Fehlentwicklungen im OSK-Verbund
Veröffentlicht:31.08.2012, 16:45

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Die finanzielle Situation der Oberschwabenklinik (OSK) ist prekär. Mit einem Defizit von zehn Millionen Euro rechnen die Verantwortlichen des Klinikverbunds für das laufende Geschäftsjahr. Ein Gutachten, damals von der OSK in Auftrag gegeben, hatte vor einer entsprechenden Entwicklung bereits 2004 gewarnt und Handlungsoptionen aufgezeigt. Veröffentlicht wurde diese Analyse, die jetzt der SZ vorliegt, aber nie (wir berichteten). Wie war es möglich, dass dieses Gutachten vor acht Jahren in einer Schublade verschwand und letztlich folgenlos blieb? „Wir hatten damals nicht den Mut, aus dem Gutachten die politischen Schlüsse zu ziehen“, sagt heute CDU-Kreisrat Hans-Peter Haug.

Sicher ist: Das Gutachten wurde im November 2004 von der Bayreuther Unternehmensberatung Oberender vorgelegt. Öffentlich vorgestellt und debattiert wurde es nicht, auch nicht im Ravensburger Kreistag . Lediglich die damaligen Fraktionsvorsitzenden und der Aufsichtsrat der OSK kannten die Inhalte, bestätigt Franz Hirth, Sprecher von Landrat Kurt Widmaier, auf Nachfrage. Die Inhalte, dazu gehörte unter anderem der Satz, „dass die Oberschwabenklinik in ihrer jetzigen Struktur (…) in ihrem Bestand gefährdet ist“. Oberender prognostizierte schon damals „ein Jahresdefizit zwischen ca. 5 und 15 Millionen Euro.“ Seine Empfehlung: „Das Zentralisierungskonzept … sieht eine Weiterführung der akutstationären Versorgung innerhalb der Oberschwabenklinik an den Standorten St. Elisabeth und Wangen vor. Die Standorte Isny, Leutkirch, Bad Waldsee und Heilig-Geist-Spital werden aus dem Verbund herausgelöst.“

Warum wurde die Analyse nicht weiter behandelt? Aus dem Landratsamt heißt es dazu: „Wenige Tage nach Abgabe dieses Gutachtens hat der Kreistag beschlossen, gegenüber der Stiftung St. Elisabeth ein Kaufangebot für das Elisabethenkrankenhaus und die Gesellschaftsanteile der Stiftung St. Elisabeth an der OSK in Höhe von 20 Millionen Euro abzugeben. Unmittelbarer Anlass war die akute Gefahr, dass die OSK wegen der von der Stiftung verlangten Rückzahlung eines Darlehens Insolvenz anmelden muss. In den Wochen danach war das Handeln des Landkreises vor allem dadurch geprägt, diese Insolvenz zu vermeiden. Mit der Annahme des Kaufangebotes und dem Dienstantritt der neuen Geschäftsführerin, Frau Dr. Harrison, hat die OSK ab März 2005 insgesamt eine neue Ausrichtung erhalten, die mit dem von Dr. Harrison vorgestellten medizinischen Konzept, das die Aufrechterhaltung aller Standorte zum Inhalt hatte, zunächst durchaus erfolgreich war.“

Das Oberender-Gutachten geriet bei Kommunalpolitikern offenbar in der Folge in Vergessenheit. So glaubt Manfred Lucha , Ravensburger Grünen-Politiker und inzwischen Landtagsabgeordenter, sich heute zu erinnern, dass die Inhalte 2004 in öffentlicher Kreistagssitzung vorgelegt und beraten wurden. Lucha: „Das waren ganz legendäre Sitzungen damals.“ Das Gutachten werde punktuell in das neue einfließen, das gerade erstellt und am 17. September präsentiert wird - diesmal öffentlich. Eines ist aber Lucha klar: Es könne kein „weiter so“ geben, und: „Es gibt Strukturen, die man sich nicht mehr leisten kann.“

Werner Fricker (FWV) fragt in einem offenen Brief Landrat Widmaier: „Lag das Oberender-Gutachten damals dem Aufsichtsrat vor? Wenn Ja, hat der Aufsichtsrat beschlossen, dieses Gutachten in einer Schublade verschwinden zu lassen?“ Fricker fordert, dass mit dem neuen Gutachten auch das alte öffentlich gemacht wird: „Im neuen Gutachten wird nichts anderes drinstehen als damals schon konstatiert wurde. Wir haben eine falsche Struktur. Sechs OSK-Standorte und dazu noch das 14 Nothelfer und private Kliniken sind absolut zu viel. Kein Mensch braucht ein Krankenhaus in Isny , das mit 30 Betten ein Defizit von zwei Millionen Euro gemacht hat.“ Fricker befürchtet, dass sich der Kreistag vor der seiner Ansicht nach richtigen Entscheidung drückt, die Standorte Isny, Leutkirch und langfristig auch Bad Waldsee zu schließen. Sollte der Kreistag sich vor klaren Entscheidungen drücken, so werde er als Konsequenz die Besetzung des OSK-Aufsichtsrates infrage stellen.

„Wir hatten damals nicht den Mut, aus dem Gutachten die politischen Schlüsse zu ziehen“, sagt der Wangener Hans-Peter Haug ( CDU ), seinerzeit wie heute Kreisrat und aktuell im Aufsichtsrat der OSK sitzend. Vor allem „starken Gegenwind aus Isny und Leutkirch“ nennt er als Grund. Es habe im Lauf der Jahre mehrere Gutachten gegeben, „die alle aufs Gleiche hinausgelaufen“ sind. Im Klartext: auf die Schließung von Standorten. Mit der Übernahme der Geschäftsführung durch Harrison habe die OSK allerdings eine andere Strategie eingeschlagen. „Man hatte das Gefühl, wir könnten das retten. Das hat anfangs auch gestimmt“, so Haug. Eine Veröffentlichung des Gutachtens von 2004 hält er dennoch „für kalten Kaffee“: „Das ist Kokoleres, das ist Vergangenheit, das ist rum.“ Es gelte jetzt, in die Zukunft zu schauen – konkret auf die Ergebnisse des Gutachtens des Bremer Instituts BAB. Das OSK-Aufsichtsratsmitglied hält es nicht für ausgemachte, dass Standortschließungen anstehen.

Das Gutachten der Bayreuther sah auch die Schließung des Bad Waldseer Krankenhauses vor – das einzige im Klinikverbund, das nach jüngster Bestandsaufnahme schwarze Zahlen schreibt. Roland Schmidinger, Vorsitzender der Freien Wähler im Waldseer Gemeinderat, ist seit 1994 im Kreistag. „Es gab nie eine politische Mehrheit für wirkliche strukturelle Veränderungen“, sagt er. Schon seit seiner Anfangszeit im Kreisrat sei den Mitgliedern bewusst gewesen, dass der Klinikverbund defizitär wirtschafte. Und das Gutachten von 2004 sei nicht das einzige gewesen, das diesen Zustand beschrieb. „Es gab immer wieder Diskussionen, Häuser zu schließen. Das war politisch nicht durchsetzbar.“

„Über die Struktur der Krankenhäuser im Kreis habe ich schon drei oder vier Gutachten gelesen“, so der Kreistagsfraktionsvorsitzende der CDU, Roland Bürkle. Bürkle war schon 2004 Fraktionschef, sagt aber: Das Gutachten habe er „damals wohl nicht erhalten, zumindest erinnere ich das nicht“. Unabhängig davon müssten die Kreisräte heute entscheiden, „und ich bin sehr gespannt was die jetzigen Gutachter an Vorschlägen zur Situation unterbreiten“.