Spitäler-Vergleich
Kantonsspitäler: Winterthur überflügelt Aarau bei der Rendite deutlich

Wer schwierige Fälle an ein Zentrumsspital abgibt, erwirtschaftet mehr Rendite. Das Kantonsspital Winterthur macht genau das, was ein Grund ist für seine höhere Rendite. Das Kantonsspital Aarau will dagegen Patienten nicht nach Zürich abgeben.

Christian Gurtner*
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Genug Gewinn für einen Neubau: Das Kantonsspital in Winterthur. KEY

Genug Gewinn für einen Neubau: Das Kantonsspital in Winterthur. KEY

In Winterthur stimmt die Performance. Im letzten Jahr erwirtschaftete das dortige Kantonsspital (KSW) eine Rendite von 5,7 Prozent (22 Millionen Franken Gewinn bei 387 Millionen Umsatz). Das Kantonsspital Aarau (KSA) brachte es dagegen nur auf eine Rendite von 0,3 Prozent (2 Millionen Gewinn bei 603 Millionen Umsatz). An der Grösse liegt das nicht: Beide Spitäler haben ein Einzugsgebiet, dessen Ausmass als betriebswirtschaftlich optimal gilt.

In Winterthur braucht man ebenso wie in Aarau viel Geld für einen Neubau. Spitaldirektor Rolf Zehnder muss für den Ersatz des alten Hochhauses eine Viertelmilliarde auftreiben. Er ist zuversichtlich, dass der Businessplan, den er erstellt, Banken und andere Kreditgeber überzeugen wird. «Wenn wir jedes Jahr 10 Millionen für den Neubau abschreiben», rechnet er vor, «haben wir nach 30 Jahren 300 Millionen zusammen.»

Position im Schatten ausnutzen

Wie kommt das KSW zu den nötigen Gewinnen? Das Spital nutzt seine Position im Schatten des grossen Zürcher Universitätsspitals aus. Patienten, die an seltenen Krankheiten leiden und zum Beispiel vor einer komplizierten Herz- oder Hirnoperation stehen, überweist man gerne nach Zürich. So kommt das Spital darum herum, Chirurgen mit Spezialausbildung sowie besondere Apparate für solche Eingriffe zu stellen – Apparate, die in Winterthur schlecht ausgelastet wären. Zehnder sagt: «Es fällt uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir Patienten nach Zürich überweisen. Wir wollen kein kleines Unispital sein.» Das Universitätsspital Zürich erzielte letztes Jahr eine Rendite von nur 0,1 Prozent, also weit weniger als das Spital in Winterthur.

Patienten nach Zürich weiterreichen – das will man in Aarau explizit nicht. Das wichtigste Krankenhaus im Kanton möchte sich als grosses Zentrumsspital mit hoch spezialisierter Medizin profilieren. Ein «breites, qualitativ hochwertiges medizinisches Leistungsangebot» sei im Interesse der Bevölkerung und des Kantons, sagt KSA-Finanzchef Erwin Rieben. Dafür bezahlt das Spital einen hohen Preis. Es beschäftigt Ärzte mit 30 verschiedenen Facharzttiteln der höchsten Ausbildungskategorie. Die von diesen Spezialisten durchgeführten komplexen Eingriffe würden von den Krankenkassen nur ungenügend vergütet, kritisiert Rieben.

Weniger Top-Ärzte in Baden

In Baden gibt es weniger als halb so viele Spitzen-Facharzttitel wie in Aarau. Das kleinere der zwei Kantonsspitäler profitiert vom selben Mechanismus wie das Spital in Winterthur: Es tritt die schwierigen Fälle mit ihrem ungünstigen Kosten-Ertrags-Verhältnis an den grossen Bruder in Aarau ab. Im letzten Jahr erreichte das Spital in Baden eine Rendite von 8,9 Prozent (25 Millionen Gewinn bei 284 Millionen Umsatz). Damit lässt es viele Spitäler in der Region weit hinter sich (siehe Grafik).

Die Abgabe schwieriger Fälle ist freilich nur einer von mehreren Gründen für die unterschiedlichen Renditen. Gerne weist man bei den erfolgreichen Spitälern auf die tiefen Kosten und die straffen Abläufe im Betrieb hin. Bei den wenig rentablen Spitälern wiederum klagt man über zu geringe Fallpauschalen und ungünstige räumliche Voraussetzungen. Dennoch ist der Winterthurer Spitalchef Zehnder überzeugt: «Wer zu viel im eigenen Haus machen will, steht sich selbst im Weg.»

*Christian Gurtner ist Journalist beim Winterthurer «Landboten» und war diese Woche Gastredaktor bei der az.