Das neue Modell einer Klinik in Pforzheim provoziert Unmut in der Branche. Das Krankenhaus will Untersuchungen vor und nach Operationen an niedergelassene Ärzte delegierten – und vergüten. Die Konkurrenz befürchtet illegale Kopfprämien für Einweisungen von Patienten.

Kreis Ludwigsburg - Es gibt Angebote, die muss man annehmen. Es gibt Angebote, die sofort stutzig machen. Und es gibt Angebote, die völlig unterschiedliche Reaktionen auslösen – je nachdem, wer davon erfährt. Eine solche Offerte haben die Arcus-Kliniken Pforzheim jüngst an mehrere Hundert Orthopäden in Baden-Württemberg verschickt. Die Ärzte dürften zumindest interessiert sein – doch die Krankenhäuser sind alarmiert: Sie befürchten den Beginn eines ruinösen Wettbewerbs, bei dem nicht mehr die medizinische Qualität der Kliniken, sondern finanzielle Lockmittel den Ausschlag für die Wahl des Krankenhauses geben.

 

Im Kern geht es bei dem Modell um Leistungen vor und nach Knie- und Hüft-Operationen, die das Krankenhaus an die Ärzte delegiert – und vergütet. Die Honorierung ist je nach Kooperation unterschiedlich. Wer sich nur zur Erbringung nachstationärer Leistungen verpflichtet, erhält dafür pauschal 60 Euro. Lukrativer ist es für die Ärzte, auch vor der Operation aktiv zu werden. Für die Einweisung inklusive Stellungnahme, Arztbericht und ausgefülltem Fragebogen zum Thema Gelenkprothesen gibt es 85 Euro. Wird zusätzlich eine Röntgenaufnahme gemacht, beträgt die Summe 100 Euro. Für die Nachsorge, eine Röntgenkontrolle und das Ausfüllen eines weiteren Registerbogens sechs bis acht Wochen nach der Operation gibt es noch einmal 100 Euro, ebenso für die gleichen Leistungen ein Jahr später.

Andere Krankenhäuser lehnen das Modell ab

Dieses Modell sorgt nicht gerade für Begeisterung bei anderen Krankenhäusern. „Wir lehnen das strikt ab“, sagt Dietmar Köhrer, Direktor des Siloah St. Trudpert Klinikums in Pforzheim. Er hoffe, dass auch künftig das Krankenhaus nach der medizinischen Qualität und nicht nach der finanziellen Vergütung ausgewählt werde. Zudem verstehe er die Motivation der Arcus-Kliniken nicht. „Wir haben für so etwas gar keinen finanziellen Spielraum.“ Weder könne er verantworten, Geld für die Einweisung von Patienten zu zahlen, noch für die nachstationäre Behandlung.

Jörg Martin, der medizinische Geschäftsführer der Regionalen Kliniken-Holding, sieht das ähnlich. „Die Krankenhäuser jammern, dass sie unterfinanziert sind, und dann gibt es so etwas.“ Zudem sei das gegen die Absprache, auf die sich die meisten Kliniken in Baden-Württemberg geeinigt hätten, nämlich: dass sie nicht für jegliche Nachsorge zuständig seien – und deshalb auch nicht pauschal die Finanzierung derselben übernähmen.

Dieses Thema sei schon lange ein Streitpunkt zwischen den Kliniken und der Kassenärztlichen Vereinigung, erklärt Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft. Dabei gebe es eine eindeutige Vereinbarung, die besage, dass die ambulante Behandlung nach einem Krankenhausaufenthalt eben nicht automatisch Sache der Kliniken sei. Zum Angebot der Arcus will Einwag sich nicht äußern. Nur so viel: Nach Gesetzeslage sei die Kooperation nur in einem sehr engen Rahmen möglich, betont er. Es müsse gewährleistet sein, dass weiterhin ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend für die Wahl eines Krankenhauses seien.

Arcus-Klinik weist die Kritik zurück

Mit deutlichen, teils drastischen Worten weist Arcus-Gesellschafter Bernhard Rieser die Kritik zurück. „Dann sollen die Kritiker uns doch anzeigen“, sagt er. „Wir sind rechtlich auf der sicheren Seite.“ Wörtlich spricht Rieser von „Neidhammelei“ und vermutet, dass hinter den Vorwürfen gegen Arcus letztlich die Sorge von „leistungsunfähigen Kliniken“ stecke, die „nicht mehr mithalten können“. Denn: „Wir machen das für unsere Patienten.“ Harte Worte, aber Rieser hat eine Erklärung parat. Arcus beteilige sich am sogenannten Endocert-Projekt, einem Qualitätsmanagement-Programm in der Gelenkprothetik. Um das begehrte Zertifikat zu erhalten, müsse jede Klinik ein Register aufbauen: eine umfassende Dokumentation über die Operationen und alle dazugehörigen Untersuchungen. Dazu gehören beispielsweise gesonderte Röntgenaufnahmen, Messungen der Beweglichkeit der Gelenke – Untersuchungen also, die nicht vorgeschrieben, aber sinnvoll seien. Ohne solche Tests, so Rieser, bestehe immer die Gefahr, dass Patienten zwei Jahre nach der OP wieder Schmerzen haben und eventuell erneut operiert werden müssen. „Das wird dann richtig teuer.“ In Ländern wie Schweden oder England seien solche Register längst etabliert.

Rieser: Aufregung ist dummes Geschwätz

In Deutschland aber werden die dafür notwendigen Untersuchungen nicht von den Kassen bezahlt. Arcus habe sich daher entschieden, die Aufgabe an Fachärzte zu delegieren und angemessen zu honorieren. „Wenn wir es bei uns machen, kostet uns das auch Geld.“ Vor Kurzem habe die Klinik begonnen, Ärzten das Kooperationsmodell anzubieten. Es seien bereits rund 120 Vereinbarungen unterschrieben worden. Die Aufregung darüber sei „dummes Geschwätz“, sagt Rieser. „Der Gesetzgeber hätte diese Nachuntersuchungen längst zum Standard machen müssen.“ Ohnehin sei völlig unverständlich, dass in Deutschland „jede Klitsche an Knien rumfummeln darf“ – ganz ohne Qualitätskontrolle.

Die Kassenärztliche Vereinigung ist derweil erfreut über den Vorstoß der Arcus-Kliniken. „Wir fordern solche Verträge seit Langem“, sagt der Sprecher Kai Sonntag. Solange nicht unter dem Deckmantel dieser Verträge Kopfprämien für die Einweisung von Patienten in eine Klinik vergeben würden – was illegal sei –, seien diese gut für die Ärzte.