Gesundheitswesen
Krankenkassenverbände streiten um Millionen

Eine Scheidung endet meist im Streit. Das ist auch der Fall nach dem Austritt der Krankenversicherer CSS, Helsana und KPT aus Santésuisse. Die drei Konzerne gründeten im vergangenen Frühling Curafutura – zusammen mit der Sanitas Gruppe.

Roman Seiler
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Reto Dietschi (Curafutura) und Verena Nold (Santésuisse)

Reto Dietschi (Curafutura) und Verena Nold (Santésuisse)

ZVG/Key

Am 4. Dezember findet eine «Elefantenrunde» zwischen Vertretern der beiden Kassenverbände statt. Finden wird man sich dann kaum: Gestritten wird um die Abgeltung komplexer Dienstleistungen, die der in Solothurn domizilierte Verband Santésuisse seit Jahren für die gesamte Branche ausführt. Er hat nach dem Wiedereintritt der Assura einen Marktanteil von 60 Prozent.

Einig ist man sich über die Finanzierung des Ombudsmanns Krankenversicherung und der Führung des Zahlstellenregisters, dem Verzeichnis aller Leistungserbringer wie Ärzte und Spitäler. Einen heftigen Knatsch gibt es um die Beteiligung am Kapital und den Aufwendungen der Betriebsgesellschaften, welche für die Pflege und Weiterentwicklung der beiden zentralen Tarifwerke Tarmed und SwissDRG für Behandlungen von Ärzten und Spitälern zuständig sind.

Streit um Geld und Macht

Der Streit der Kassenverbände Santésuisse und Curafutura entzündet sich um den Einfluss bei diesen Organisationen:
Tarmed Suisse ist für die Pflege und Weiterentwicklung der Struktur des Tarmed zuständig. Dieser Einzelleistungsvertrag gilt für ambulante Behandlungen in Arztpraxen und Spitälern. Diese einfache Gesellschaft soll in eine Aktiengesellschaft überführt werden. Gesellschafter sind Santésuisse, die Medizinaltarif-Kommission (MTK) der Unfallversicherer sowie der Militär- und der Invalidenversicherung, der Berufsverband der Ärzte (FMH) sowie der Spitalverband H+. Beobachterstatus hat die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK).
SwissDRG AG ist für die Pflege und Weiterentwicklung der Fallpauschalen zuständig. Damit werden stationäre Behandlungen in Spitälern abgegolten - zum Beispiel eine Blinddarm-Operation. Aktionäre sind die GDK, H+, Santésuisse, FMH und MTK. Diese beiden Firmen regeln, was mit einer Tarifposition oder einer Fallpauschale abgegolten wird. Was das effektiv kostet, handeln danachdiejeweiligen Tarifpartner miteinander aus. Aufseiten derKrankenversicherer sind dies die HSK, der die Curafutura-Mitglieder Helsana, die KPT und die Sanitas angehören. Die restlichen Kassen vertritt Tarifsuisse, eine Tochter von Santésuisse. (sei)

Curafutura will nicht zahlen

Wer nicht Mitglied von Santésuisse ist, muss im Fall des Tarmed pro Versicherten einen Unkostenbeitrag zahlen. Direktorin Verena Nold sagt: «Diese Beträge sind angemessen und korrekt.» Die Sanitas-Gruppe, welche Santésuisse schon Ende 2012 verlassen hat, zahlte deswegen gemäss Informationen der «Nordwestschweiz» eine sechsstellige Summe. Die vier Curafutura-Mitglieder soll dies pro Versicherten 90 Rappen kosten. Das sind rund 2,8 Millionen Franken.

Curafutura will dies nicht akzeptieren, wie Direktor Reto Dietschi bestätigt. Im Bereich des öffentlichen Rechts gelte der Grundsatz, Gebühren dürften nur für Aufwendungen erhoben werden, die effektiv anfallen und auch belegt sind: «Zahlungen, die darüber hinausgehen, sind nicht verhältnismässig und somit nicht gesetzeskonform.» Ohne einen transparenten Ausweis dieser Kosten gebe es keine Zahlung: «Momentan liegen die Vorstellungen, was dies kosten darf, weit auseinander.» Dass dies in einem Rechtsstreit endet, ist nicht auszuschliessen.

Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Einfluss. Die Chefs der Curafutura-Kassen fordern, dass sich ihr Verband an den beiden Tarifgesellschaften beteiligen und Einsitz in deren Gremien nehmen könne. Laut Verena Nold befürwortet Santésuisse, dass Curafutura in diesen Gesellschaften des Tarmed und der Fallpauschalen «entsprechend ihres Marktanteils» vertreten ist: «Im Vorfeld der jeweiligen Sitzungen muss aber verbindlich Einigkeit darüber bestehen, wie sich die gesamte Branche in diesen Organisationen einbringt. Nur so kann ein repräsentativer Meinungsprozess überhaupt stattfinden.» Curafutura lehnt dies ab, sagt Dietschi: «Wir verlangen eine eigenständige Vertretung. Die Mitglieder der Ärzte und der Spitäler in diesen Gremien sprechen auch nicht immer mit einer Stimme.»

Dass beide Verbände an Bord der Gesellschaften sind, welche diese Tarifverträge warten, hält Carlo Conti, Basler Gesundheitsdirektor und Präsident der SwissDRG AG, für wünschenswert: «Ihre Vertreter müssen sich aber darüber einig sein, welche Positionen sie in Fragen betreffend Tarifstrukturen einnehmen wollen. Diese müssen für die ganze Schweiz einheitlich sein.» Der Direktor des Spitalverbands H+ und SwissDRG-Verwaltungsrat, Bernhard Wegmüller, befürwortet den Einsitz von Curafutura in diesen Gremien noch aus einem weiteren Grund: «Wir haben den Eindruck, dass die Mitglieder von Curafutura offener sind für vertragliche Lösungen und Kompromisse als diejenigen von Santésuisse.»

CSS bleibt bei Tarifsuisse

Im Klartext heisst dies: Curafutura-Versicherer verhandeln beim Einkauf von Leistungen oft grosszügiger über die Preise. Die Zeche bezahlen die Versicherten mit ihren Prämien. Offenbar ist dies selbst den Chefs des Curafutura-Mitglieds CSS nicht geheuer. Der Luzerner Konzern bleibt vorderhand Mitglied bei der Santésuisse-Tarifverhandlungstochter Tarifsuisse, wie eine Sprecherin bestätigt. Weil sie wirtschaftlicher agiere, unken Branchenkenner.