"Allein durch operative Kostenreduzierungen werden wir keine schwarze Null erreichen können": Landrat Helmut Riegger. Foto: Schwarzwälder-Bote

Landrat Helmut Riegger über eine finanzierbare Krankenhausversorgung, aufgespürte Sparpotenziale und die Bürgerbeteiligung.

Kreis Calw - Am 16. Dezember fällt der Kreistag seine Entscheidung, wie die Kliniklandschaft des Kreises in Zukunft aussehen wird. Wir sprachen im Vorfeld dieser wichtigen Weichenstellung mit Landrat Helmut Riegger über das Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeitsstreben und Patientenwohl, weitere Sparpotenziale und über eine drohende finanzielle Belastung für die Bürger des Landkreises.

Viele Bürger sind der Meinung, dass man vor lauter Streben nach Wirtschaftlichkeit den Patienten nicht vergessen sollte. Haben sie nicht Recht damit?

Bei der strategischen Neuausrichtung der Krankenhäuser im Landkreis Calw steht der Patient im Mittelpunkt. Das Ziel ist eine wohnortnahe, qualitativ hochwertige stationäre Versorgung einschließlich der Notfallversorgung bei Herzinfarkt und Schlaganfall. Deshalb auch der Vorschlag des Gutachterbüros, beide Standorte in Nagold und Calw beizubehalten. Der Klinikneubau in Calw mit jetzt 125 Betten und einem Facharztzentrum wird den Gesundheitsstandort Calw stärken und dauerhaft sichern. Selbstverständlich dürfen wir dabei nicht das Ziel der Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit aus dem Auge verlieren. Ebenso wichtig für mich ist jedoch, dass eine qualitativ hochwertige Versorgung mit renommierten Ärzten und gutem Pflegepersonal erhalten bleibt. Die Konzeption des Gutachters erreicht alle diese Ziele.

Warum kann man bei den Kliniken nicht weitermachen wie bisher?

Die Defizite steigen kontinuierlich. Im nächsten Jahr werden es voraussichtlich 5,7 Millionen Euro sein. Solange Bund und Land sowie die Krankenkassen nicht umsteuern, sind die Krankenhausträger gezwungen, sich selbst zu helfen. Die Defizite der Krankenhäuser müssen vom Kreishaushalt und damit über die Kreisumlage finanziert werden. 1,6 Millionen Euro sind ein Kreisumlagepunkt. Der Haushaltsplanentwurf 2014 sieht zum Ausgleich des Verlustes aus dem vergangenen Jahr 2,75 Prozentpunkte Kreisumlage vor, also 4,4 Millionen Euro. Die Städte und Gemeinden müssen die Kreisumlage aus ihrem Budget finanzieren, es bleibt ihnen also weniger Geld für eigene Aufgaben. Das wird auf Dauer nicht akzeptiert. Hinzu kommt, dass wir uns mit einer Klage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken konfrontiert sehen, der genau diese Finanzierung über die Kreisumlage als wettbewerbswidrig ansieht. Auch wenn ich persönlich diese Ansicht nicht teile, schwebt dieses Damoklesschwert dennoch über unseren Krankenhäusern.

Aber bislang ging’s doch auch – trotz der Verluste...

Ja, ich gebe Ihnen Recht. Aber die Voraussetzungen haben sich geändert. Nach der Gründung des Klinikverbundes haben wir zunächst schwarze Zahlen geschrieben und konnten dann noch einige Jahre von der Rücklage zehren. Doch die Rahmenbedingungen der Krankenhausfinanzierung haben sich grundlegend geändert. In diesem Jahr musste dann der Kreishaushalt zum ersten Mal die Verluste der Krankenhäuser ausgleichen. Vor diesem Hintergrund haben wir den Bürgerbeteiligungsprozess mit einem Gutachten zur strategischen Neuausrichtung der Kreiskliniken angestoßen. Ein ›Weiter so‹ kann es nicht geben. Deshalb ist es auch wichtig, dass der Kreistag am 16. Dezember über das weitere Vorgehen entscheidet und entsprechende Untersuchungs- und Planungsaufträge für das Szenario 3 plus beschließt.

Sie haben eben angedeutet, was vielen nicht bewusst ist: Die Bürger des Kreises sind selbst unmittelbar betroffen. Der Kreis hat die Klinikverluste an die Kommunen weitergegeben. Und die Städte und Gemeinden holen’s dann wieder über höhere Steuern und Gebühren beim Bürger. Mancher Schultes denkt schon über eine Verdoppelung der Grundsteuer nach...

Genau das ist die Kette der finanziellen Belastung durch die Verluste bei den Kreiskliniken. Am Ende werden die Verluste von den Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis Calw getragen, gleich, ob sie die Kreiskliniken in Anspruch nehmen oder nicht. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele geben, was das für die Städte und Gemeinden bedeutet: Bad Wildbad muss in diesem Jahr zusätzlich 246 000 Euro bezahlen, Schömberg 207.000 Euro.

In diesem Jahr rechnete man mit dem Schlimmsten: mit acht Millionen Verlust aus den Kliniken, hat sie aber auf rund die Hälfte drücken können. Klingt danach, als ob da noch mehr Luft drin wäre.

Seit einem Jahr sind die Krankenhäuser mit der Unterstützung des Büros Grefe-Consult auf Konsolidierungskurs. Effizienzpotenziale wurden aufgespürt und realisiert. Hier hat die Leitung des Klinikverbundes einiges erreicht. Richtig ist aber auch, dass der Großteil der Ergebnisverbesserung in diesem Jahr auf Einmaleffekte zurückzuführen ist, wie zum Beispiel nachträgliche Vergütung der Leistungen des Linksherzkathedermessplatzes in Nagold oder die Auflösung von Rückstellungen. Allein durch operative Kostenreduzierungen werden wir keine schwarze Null erreichen können. Es sind strategische Änderungen notwendig, also die Neustrukturierung der Kliniken in Calw und Nagold, um eine dauerhafte wirtschaftliche Verbesserung zu erreichen und somit die stationäre Versorgung an beiden Standorten langfristig zu sichern. Im Calwer Haus sind die organisatorischen Abläufe baulich bedingt sehr ungünstig und damit teuer. Das Haus ist 100 Jahre alt. Da macht ein Neubau wirtschaftlich wie medizinisch Sinn.

In dieser Woche beginnen Sie ihre Bürgergespräche über die Krankenhäuser in Schömberg, Altensteig und Wildberg. Warum sind Sie nicht in Calw, wo’s doch am meisten Gesprächsbedarf gibt?

Die stationäre Versorgung ist eine Aufgabe für den gesamten Landkreis und nicht nur ein Thema für Nagold und Calw. Ich bin ganz bewusst nicht in die beiden Standortkommunen gegangen, in denen das Gutachten ohnehin diskutiert wird. Es geht hier im Kern nicht um die Standortinteressen einzelner Städte, sondern um eine gute und finanzierbare Krankenhausversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger des Landkreises. Dafür möchte ich in den Veranstaltungen um Verständnis werben. Selbstverständlich sind alle interessierten Einwohner des Landkreises zu den Veranstaltungen eingeladen.