Banger Blick zum Preisüberwacher

Kosten und Preise sind unterschiedliche Grössen. Das lernen mit der neuen Spitalfinanzierung auch die Klinikdirektoren. Nur existieren unterschiedliche Ansichten darüber, welcher der zwei Werte zu gelten habe.

Drucken
Blick von der Frauenklinik auf das Gebiet des Universitätsspitals Zürich. (Bild: Adrian Baer/NZZ)

Blick von der Frauenklinik auf das Gebiet des Universitätsspitals Zürich. (Bild: Adrian Baer/NZZ)

rsr. ⋅ Das Jahr 2012 ist schon fast zu zwei Dritteln vorbei, und noch immer verfügen die öffentlichen Spitäler im Kanton Zürich über keine definitiv gültigen Tarife. Zufrieden ist mit dem tariflosen Zustand keiner der Beteiligten. Verschiedentlich ist zu hören, man würde gerade Lehrgeld bezahlen, kam doch das neue Verfahren für dieses Jahr zum ersten Mal zur Anwendung. Als erste Konsequenz beginnen Versicherer und Spitalverband bereits dieser Tage mit den Verhandlungen für nächstes Jahr, früher also als im Vorjahr. Ob dies allerdings reicht, um ins Jahr 2013 mit gültigen Tarifen zu starten, ist unklar.

Kosten oder Preise?

Das Verfahren ist nämlich längst nicht beendet, wenn sich Spitäler und Versicherer geeinigt haben (siehe Kasten). Das zeigt sich auch bei den diesjährigen Tarifen, bei denen zurzeit auf die Empfehlung des eidgenössischen Preisüberwachers gewartet wird. Dieser hatte vor den Sommerferien um detailliertere Informationen über die Kostensituation der Spitäler nachgesucht. Laut der Gesundheitsdirektion wurden diese mittlerweile gesammelt und eingereicht.

Verkompliziert wird das Ganze noch durch den Umstand, dass sich die Gremien nicht einig scheinen, ob das neue System der Spitalfinanzierung auf einer Kostenabgeltung oder einer Preisbildung beruht. Das revidierte Krankenversicherungsgesetz ist in diesem Punkt in den Augen der Involvierten nicht eindeutig. Zürich stellt sich wie andere – aber eben nicht alle – Kantone auf den Standpunkt, die Spitäler und Versicherer verhandelten über einen Preis; die Zeiten der Kostenabgeltung, die bis im letzten Jahr überall herrschten, sollen demnach vorbei sein.

Dezidiert für das Preissystem tritt zum Beispiel Jörg Kündig ein. Er präsidiert die Trägerschaft des Wetziker Spitals und ist zugleich Kantonsrat in den Reihen der FDP. Er befürchtet, eine Rückkehr zur Kostenabgeltung würde die Krankenkassenprämien verteuern und effiziente Spitäler bestrafen. Dabei sei gerade die Wirtschaftlichkeit der Kliniken eines der Ziele der Neugestaltung der Spitalfinanzierung gewesen. Mit der Fallpauschale, die ein Spital für die Behandlung eines Patienten erhält, sollen nicht nur die laufenden Kosten gedeckt werden, sondern es muss auch möglich sein, Kapital zu äufnen, um später in die Klinik zu investieren. Kündig schätzt, dass sich der Investitionsbedarf pro Spital in den nächsten Jahren «im dreistelligen Millionenbereich» bewegt. Sind solche Beträge früher vom Kanton beglichen worden, müssen sie nun von den Spitälern aus eigenen Mitteln gedeckt werden. Dass dieser Paradigmenwechsel nicht von allen gleich gut bewältigbar wird, ist nachvollziehbar.

Sorgen bereiten Kündig erste Äusserungen vonseiten des Preisüberwachers und des Bundesverwaltungsgerichts, das sich – damit wird überall fest gerechnet – dereinst auch mit den verabschiedeten Tarifen befassen wird. Beide zeigten, «dass sie die Idee des Gesetzgebers nicht verstanden» hätten – oder dass sich dieser zu wenig klar ausgedrückt habe. «Der Preisüberwacher stellt sich gegen Tarife, die über den effektiv anrechenbaren Kosten liegen, das Gericht will wirtschaftlich arbeitende Spitäler nicht mit einer Prämie belohnt sehen.» Im Klartext heisse das, dass die Spitäler kein Eigenkapital bilden könnten und dass der Anreiz zu effizientem Wirtschaften abhandenkomme.

Dass sich Kündig derart für das Preissystem starkmacht, hat nicht nur mit wettbewerbsfreundlichem und liberalem Gedankengut zu tun. Sein Spital in Wetzikon ist stets auf den Spitzenplätzen der kostengünstigsten Spitäler im Kanton anzutreffen. Beim Preissystem besteht für ihn also mehr Potenzial als für Kliniken, die höhere Durchschnittskosten pro Fall vorzuweisen haben.

«Standhaftigkeit» gefordert

Kündig fordert nun, die erforderlichen Präzisierungen der Krankenversicherungsverordnung auf nationaler Ebene «im Sinne des Wettbewerbs schleunigst vorzunehmen». Und in der Zwischenzeit verlangt er von der Zürcher Regierung «Standhaftigkeit».

Solche dürfte sie vorerst auch beweisen. Die Gesundheitsdirektion erklärt nämlich auf Anfrage, das Bundesgesetz weiter so zu interpretieren, dass von den Kantonen ein Preis zu genehmigen oder festzusetzen sei. Bis zum Herbst erwarte man die Empfehlung des Preisüberwachers; Ziel sei es, bis Ende Jahr die Tarife zu verabschieden – rückwirkend für das Jahr 2012 notabene.