Keine Namen, keine Fotos - das ist die Voraussetzung an diesem Abend. Wir haben uns mit Mitarbeitern der Bamberger Sozialstiftung verabredet, die über die problematischen Arbeitsbedingungen am Klinikum sprechen wollen. Kein leichtes Treffen. Eine Frau hat im letzten Moment abgesagt, weil sie die Konsequenzen fürchtet, wenn sie offen über den Stress am Arbeitsplatz redet. Zwei Männer im mittleren Alter fassen erst dann den Mut, als wir ihnen völlige Anonymität zusichern.

Was die beiden erzählen, ist eine Geschichte, wie sie vielen Mitarbeitern in modernen Unternehmen bekannt vorkommen dürfte. Auch in der Sozialstiftung Bamberg mit ihren 3300 Beschäftigten. Ganz besonders hier. Es geht um eine dramatisch gestiegene Arbeitsbelastung, um Berge von Überstunden, die zwar gemacht werden, aber nicht abgefeiert werden können; es geht um schlechte Führung und um einen hohen Krankenstand. Das ganze bei Durchschnittslöhnen zwischen 2100 und 2800 Euro brutto im Monat.

Schon mehrfach hat das Klinikum wegen der Arbeitsbedingungen Schlagzeilen gemacht, zuletzt im Frühsommer 2012, als hinter den Kulissen um die Vertragsverlängerung für Krankenhausmanager Xaver Frauenknecht gerungen wurde. Immerhin führte das Aufbegehren der Grünen dazu, dass auch andere Politiker Klartext formulierten: CSU-Chef Helmut Müller sprach von einem "Klima der Angst" im Bamberger Krankenhaus; die Freien Wähler rangen der Geschäftsführung ab, dass mindestens 30 zusätzliche Pflegekräfte eingestellt werden sollen.Fragt man den Geschäftsführer heute, was aus dem Beschluss geworden ist, dann sieht es so aus, als wäre alles in Butter. Das Klinikum habe noch 2012 28 neue Vollzeitkräfte im Pflegedienst eingestellt und 14 neue Arztstellen geschaffen - bei gleichen Behandlungszahlen, sagt Frauenknecht. Mit 2,6 Millionen Euro belasten sie den Personaletat des Krankenhauses.

Doch weit ist es mit dem Vertrauen mancher Bamberger Politiker nicht her. In einem Antrag fordern die Freien Wähler, dass die Schaffung der neuen Stellen von einer externen Stelle bestätigt werden soll. Nicht ohne Grund: Felix Holland, Personalratschef der Sozialstiftung, kann heute nicht sagen, ob die 28 Mitarbeiter wirklich zusätzlich eingestellt und nicht die einen Stellen mit anderen verrechnet wurden. Das müsse sich durch den Vergleich langer Listen erst erweisen. Nach wie vor sei eine extreme Belastung im Pflege-, aber auch im ärztlichen Dienst zu beklagen.

Auch Xaver Frauenknecht räumt ein, dass es an der ein oder anderen Stelle zu viele Überstunden gibt, glaubt aber nicht, dass man das Problem dadurch löst, indem man mehr Mitarbeiter einstellt. Im Gegenteil: "Mehr Personal, das bedeutet mehr Überstunden", sagt der Geschäftsführer, der selbst aus dem Pflegedienst kommt. Er sieht Überstunden vor allem als organisatorisches Problem.

Doch es ist nicht nur die immer wieder hochkochende Unzufriedenheit beim Personal, die wie bereits in den Vorjahren das Krankenhaus am Bruderwald beschäftigen wird. Nach einer Phase des Gewinnanstiegs findet sich das zweitgrößte Bamberger Unternehmen von einem aufs andere Jahr in schwerer See wieder. So sind es vor allem gestiegene Sachkosten für die Haftpflichtversicherung (0,5 Millionen Euro), für verweigerte Vergütungen durch die Krankenkassen (1,5 Millionen Euro) und die erwarteten Tarifsteigerungen vor allem für Ärzte, die die Gewinne laut Frauenknecht beträchtlich abschmelzen lassen. Nur durch ein Konsolidierungsprogramm werde es gelingen, 2013 nicht ins Minus abzurutschen, sagt Frauenknecht.

Immerhin: Von Verhältnissen wie in München ist man in Bamberg Welten entfernt. Dort verzeichnet das Münchner Stadtklinikum laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ein Defizit von 125 Millionen Euro. Die Sozialstiftung gehört zu jener besseren Hälfte der bayerischen Krankenhäuser, die nach einer Erhebung der Krankenhausgesellschaft noch Gewinne macht. Immerhin 47 Prozent müssen teils mit großen Verluste leben, stehen deshalb vor der Schließung oder werden zu willkommenen Übernahmekandidaten. Doch Frauenknecht ist guter Dinge, dass die Sozialstiftung nicht im Rachen eines Konzerns landen wird: Bamberg sei gut aufgestellt "Wir haben in den vergangenen Jahren einen Investitionsstau von 100 Millionen Euro aufgelöst."

Ein defizitäres Klinikum wäre nicht nur für die Beschäftigten problematisch. Auch für die öffentlichen Kassen und ihre Sachwalter, die sich bisher darüber freuen konnten, dass es den Bamberger Krankenhäusern gelingt, die Verluste der chronisch defizitären Altenheime Antonistift und Bürgerspital auszugleichen. OB Starke (SPD) hat seinem Geschäftsführer deshalb stets den Rücken gestärkt, als es um die Vertragsverhandlungen ging: "Man kann Frauenknecht nicht für die Strukturprobleme des Krankenhauswesens verantwortlich machen", so Starke.

Sitzen in Bamberg Beschäftigte, Konzernleitung und Politiker noch in einem Boot? Daran zweifelt Personalratsvorsitzender Holland nicht. Die Probleme der Krankenhäuser, auch die Überlastung der Mitarbeiter, sind aus seiner Sicht Folge einer verfehlten Gesundheitspolitik. Sie zwinge die Häuser Gewinne zu machen und favorisiere die Apparatemedizin.

Die Sozialstiftung erzielte zuletzt eine Umsatzrendite von fünf Prozent. "Mancher Private macht 15 Prozent. Den Unterschied können wir ins Personal stecken", wirbt Frauenknecht für das Bamberger Modell. Für die grüne Stiftungsrätin Ulrike Heucken sind selbst fünf Prozent noch zu viel. Sie will keine Gesundheitsfabrik auf Kosten von Mitarbeitern, sondern ein Krankenhaus mit menschlichem Gesicht. "Eine Stiftung soll dem Allgemeinwohl dienen."