Am 22. Januar wird das Gutachten zur Zukunft der Kliniklandschaft im Kreis vorgestellt. Doppelstrukturen abzubauen, würde vor allem die Paracelsus-Klinik treffen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Nervosität steigt. In wenigen Tagen, am 22. Januar, wollen die Fachleute von Ernst & Young den Verhandlungsdelegationen der Stadt Esslingen und des Landkreises ihr mittlerweile mehrfach überarbeitetes Gutachten zur zukünftigen Klinikstruktur im Landkreis vorstellen. Damit soll die Frage beantwortet werden, was geschehen muss, damit das gewaltige Defizit der Kreiskliniken – allein im Jahr 2012 waren das 16 Millionen Euro – abgebaut werden kann. Auch soll geklärt werden, ob eine engere Zusammenarbeit, möglicherweise sogar die Fusion mit dem städtischen Klinikum Esslingen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten darstellbar und sinnvoll ist.

 

Mit großer Sorge ist am Paracelsus-Krankenhaus in Ostfildern-Ruit ein Interview gelesen worden, das der Esslinger Landrat Heinz Eininger in der vergangenen Woche einer Lokalzeitung gegeben hat. „In einem Landkreis, in dem sich die Krankenhäuser wie an einer Perlenkette aneinanderreihen, bedeutet die Wohnortnähe etwas anderes als im ländlichen Raum“, hat Eininger gesagt und betont, dass die „Konkurrenzsituation, auch über die Kreisgrenzen hinweg, schärfer“ sei. Damit meinte er offensichtlich die Nähe zu Stuttgart. Auch hatte Eininger angekündigt, dass Doppelstrukturen abgebaut werden müssten. Da nicht davon auszugehen ist, dass der Landrat ohne Kenntnis – zumindest der Grundzüge des Gutachterergebnisses – das Interview gegeben habe, befürchtet man in Ostfildern nun, dass vor allem das Paracelsus-Krankenhaus in Ruit der große Verlierer der vom Landkreis favorisierten Fusion sein könnte.

Ausgeprägte Parallelstrukturen zwischen Ruit und Esslingen

In Ostfildern geht man davon aus, dass bei der Diskussion über den Abbau von Doppelstrukturen die benachbarten Kliniken, also Ruit und Esslingen sowie Kirchheim und Nürtingen, von den Gutachtern als Einheit gesehen werden. Während es in Kirchheim und Nürtingen vergleichsweise wenige dieser Doppelstrukturen gibt, seien diese Parallelstrukturen in Esslingen und Ruit deutlich ausgeprägter. Zwar haben die einzelnen Bereiche bei den Kliniken unterschiedliche Bezeichnungen. Aber faktisch haben sich die Ostfilderner und die Esslinger auf vielen Gebieten in den vergangenen Jahren einen harten Konkurrenzkampf geliefert. Das gilt unter anderem für die Kardiologie, für die Strahlentherapie, die Unfallchirurgie, die Urologie, die Frauenheilkunde und die Geburtshilfe.

Es sei nicht davon auszugehen, dass das Klinikum Esslingen im Rahmen der Fusionsverhandlungen bereit sein werde, seine Rolle als Zentralversorger aufzugeben. Vielmehr müsse man damit rechnen, dass der Esslinger Gemeinderat einer gemeinsame Zukunft der Kreiskliniken und des städtischen Klinikums nur dann zustimmen werde, wenn das bisher eigene, finanziell momentan vergleichsweise gut dastehende Haus gestärkt aus den Verhandlungen hervorgeht. Bestenfalls sei darauf zu hoffen, dass zumindest in einigen Bereichen die Leistungen auf beide Häuser verteilt würden. Aber selbst hier sei zu befürchten, dass in Zukunft vor allem Esslingen das Sagen haben werde.

Nur noch ein Chefposten statt zwei

Hinter solchen strukturellen Entscheidungen, die wohl noch im Lauf dieses Jahres getroffen werden, stehen viele Einzelschicksale. Während es im Bereich des Pflegepersonals auch aufgrund der vergleichsweise hohen Fluktuation relativ leicht sei, einen denkbaren Stellenabbau ohne Kündigungen zu realisieren, stelle sich auf der Ebene der Chefärzte die Frage, wie es weitergehen wird. Denn der Abbau von Doppelstrukturen bedeute, dass in Zukunft nicht zwei, sondern nur noch ein Chefposten besetzt werden muss.

Kommentar: Ein langer Weg

Esslingen - Das Ziel ist ehrgeizig. Die Experten von Ernst & Young sollen ermitteln, „wie die Krankenhausversorgung im Landkreis Esslingen gestaltet sein muss, um die bisher hohe Qualität der medizinischen Leistungen sicherzustellen und wirtschaftlich zu erbringen“. So lautet die zentrale Fragestellung des Gutachtens, das der Kreistag und der Esslinger Gemeinderat gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Am 22. Januar soll nun das Geheimnis gelüftet werden, zu welchem Ergebnis die Fachleute gekommen sind und ob sie überhaupt die vom Landkreis angestrebte Fusion für realisierbar halten.

Dass die Nervosität bei den direkt von diesen Überlegungen Betroffenen wächst, ist verständlich. In der Ärzteschaft, aber auch in den Verwaltungen wird kräftig spekuliert, wie es weitergehen wird. Allein: mit der Veröffentlichung des Gutachtens wird die Hängepartie für diese Menschen nicht zu Ende sein. Denn die Gutachter von Ernst & Young werden zwar – aller Voraussicht nach – einen Weg zur Fusion aufzeigen. Doch der Teufel steckt auch hier einmal mehr im Detail.

Zwar ist es denkbar, dass sich der Kreistag und der Esslinger Gemeinderat bis zur Sommerpause zu einer Grundsatzentscheidung durchringen. Bis aber endgültig geklärt ist, welche Rechtsform das neue Klinikkonstrukt haben soll, wie die Beteiligungsverhältnisse aussehen werden und wer letztlich das Sagen hat, wird es lange dauern. Niemand kann im Moment sagen, ob sich bei diesem Verhandlungsmarathon nicht doch irgendwann Hürden auftun, über die die eine oder die andere Seite einfach nicht springen will oder kann. Die Fusionsdiskussion wird den Landkreis noch lange Zeit in Atem halten.