Kantonsspital Aarau
Gerüchte und Vorwürfe: Am KSA herrscht Missgunst wegen Pflege-Löhnen

Gleicher Job, gleiche Ausbildung, gleich viel Erfahrung – und trotzdem ungleicher Lohn: Solche Gerüchte machen am Kantonsspital Aarau die Runde. Beinahe hätte es sogar eine Petition gegeben. Jetzt steht eine Aussprache an.

Thomas Röthlin
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Am Kantonsspital Aarau sind die Löhne in einem Gesamtarbeitsvertrag geregelt.

Am Kantonsspital Aarau sind die Löhne in einem Gesamtarbeitsvertrag geregelt.

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Bekommen am Kantonsspital Aarau (KSA) frisch diplomierte Pflegerinnen mehr Lohn als dienstältere Kolleginnen? Dass dieser Vorwurf im Raum steht, bestätigen sowohl KSAPersonalchef Thomas Mauchle als auch Thomas Hildebrandt vom Schweizer Berufsverband für Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner. Die Frage sei von Pflegerinnen in der Chirurgie aufgeworfen und an den Verband herangetragen worden, sagt Hildebrandt auf Anfrage.

Mitte Februar Infoanlässe

Beinahe wären am Kantonsspital Unterschriften für eine Petition gesammelt worden. Im Entwurf steht: «Wir möchten nachvollziehen können, wie Berufserfahrung bei der Lohneinreihung berücksichtigt wird und ob Neuangestellte und Bisherige gleich behandelt werden.» Gefordert wird eine «bereichsspezifische Informations- und Diskussionsveranstaltung über das Lohnsystem und unsere konkrete Lohneinreihung.»

Die Infoanlässe finden Mitte Februar nun auch ohne Unterschriftensammlung statt. Sie werden von den Berufsverbänden durchgeführt, die als Sozialpartner am Gesamtarbeitsvertrag (GAV) mitwirken, dem alle KSA-Angestellten angeschlossen sind. Ihr Ziel ist, mit gesammelten anonymisierten Lohndaten die Bandbreite der effektiven Löhne darzustellen. So kann aufgrund der Streuung jede Mitarbeiterin ihren eigenen Schluss ziehen, ob sie aus ihrer Sicht gerecht entlöhnt wird oder nicht.

Thomas Mauchle ist der Meinung, das Problem werde vom Pflegeverband «aufgebauscht». Tatsache sei, dass der Anfangslohn per 2. Juli 2012 um 50 Franken erhöht worden sei. Wer also am 1.Juli oder früher am Kantonsspital anfing, konnte davon nicht profitieren. «Dafür machen diese Personen bei der Lohnrunde 2013 mit – und die zwischen Juli und Dezember 2012 Neuangestellten nicht», betont Mauchle. So gleiche sich das Lohnniveau wieder aus. Das KSA stellt 1 Prozent der Lohnsumme für individuelle Lohnerhöhungen bereit.

Bestehendes Personal diskriminiert?

In die Bemühungen um Lohntransparenz am Kantonsspital ebenfalls involviert ist der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD). «Damit man beurteilen kann, ob das bestehende Personal gegenüber Neuangestellten diskriminiert wird, braucht es zuerst einmal Transparenz», sagt Generalsekretär Stefan Giger. «Diese Transparenz fordern die Personalverbände schon lange, nun endlich können wir diese herstellen. Und selbstverständlich wollen wir konkrete Fälle überprüfen und, falls Falscheinreihungen festgestellt werden, diese auch korrigieren».

Der Spital-GAV kennt 20 Lohnstufen mit Minimal- und Maximallöhnen. Giger kann sich anders als Hildebrandt nicht vorstellen, dass jemand falsch eingereiht ist. Die Lohnstufe hängt nicht von der Person, sondern vom Stellenprofil ab. Wie viel man innerhalb seines Lohnbandes verdient, von einer standardisierten Leistungsbeurteilung. Dazu zählen gemäss GAV auch Berufs- und Lebenserfahrung.

Der Leistungslohnanteil kann zwar bis 60Prozent des Grundlohns ausmachen, doch das sei ein theoretischer Wert, sagt Thomas Mauchle. Die Lohnstufe 9, wo die meisten Pflegenden angesiedelt sind, reicht aktuell von 63040 bis 100864 Franken pro Jahr. Niemand verdiene effektiv das Minimum oder das Maximum, versichert der Personalchef. Der Anfangslohn für diplomierte Pflegefachpersonen liegt aktuell bei 5340 Franken pro Monat, das sind 69420 Franken pro Jahr.

Mangel bei Leistungslöhnen

Stefan Giger ortet einen generellen Mangel bei den Leistungslöhnen. «Das System hat seine Tücken», sagt der Gewerkschafter. Er macht ein Beispiel. Das für Lohnerhöhungen zur Verfügung stehende Geld wird zuerst auf die einzelnen Teams verteilt und in einem zweiten Schritt auf die einzelnen Mitarbeiter. Wenn Teamchef A mit Bestnoten grosszügiger umgeht als Teamchef B, dann ist die Top-Qualifikation in den beiden Teams nicht gleich viel wert: Die besten Mitarbeiter in Team A bekommen eine geringere Lohnerhöhung als die besten Mitarbeiter in Team B.

Die Lohnfrage in der Pflege ist im Aargau besonders relevant, weil die Löhne hier tiefer sind als in den Nachbarkantonen. Gemäss einer Zusammenstellung des Pflegeverbandes von 2009 war der Minimallohn für eine diplomierte Pflegefachperson mit Diplom-Niveau II im Kanton Solothurn 8Prozent höher als im Aargau. Die Zürcherinnen verdienten sogar 16Prozent mehr.

Den demografisch bedingten Pflegepersonalmangel bekommen alle zu spüren. Die Lohndiskrepanz im unmittelbaren Umfeld sei allerdings ein Nachteil im Wettbewerb um qualifizierte Leute, sagt Thomas Mauchle. Immerhin sei der Lohn nur in Einzelfällen ein Kündigungsgrund. Eine Abwanderung könne er deshalb nicht feststellen. Auch könnten die vakanten Stellen mehrheitlich nahtlos wiederbesetzt werden. Aktuell hat das KSA rund 30 Pflegestellen offen. In der Pflege arbeiten 1600 Personen.

Die Situation hat sich laut Mauchle seit letztem Frühling weder verschlechtert noch verbessert. Damals schrieb das Kantonsspital Mitarbeiterprämien aus. Wer jemanden erfolgreich anwarb, wurde mit bis zu 1000 Franken belohnt. Gemäss Mauchle wurden insgesamt 20 Prämien ausbezahlt.