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Nach dem Insolvenz-Schock

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Zum letzten Mal an diesem Ort? Am Mittwochabend war der Zuspruch zum Neujahrsempfang des Klinikums jedenfalls so groß, dass zahlreiche der vom Ärztlichen Direktor Professor Dr. Norbert Rilinger begrüßten Gäste keinen Sitzplatz ergatterten.
Zum letzten Mal an diesem Ort? Am Mittwochabend war der Zuspruch zum Neujahrsempfang des Klinikums jedenfalls so groß, dass zahlreiche der vom Ärztlichen Direktor Professor Dr. Norbert Rilinger begrüßten Gäste keinen Sitzplatz ergatterten. © Georg

Offenbach - Es ist eine Art Abschiedsfeier gewesen, aber kein hoffnungsloses Leichenbegängnis. Die Tage eines von der Kommune gesteuerten Offenbacher Stadtkrankenhauses sind gezählt. Von Thomas Kirstein

Diese Gewissheit zieht sich durch Reden und Gespräche beim diesjährigen Neujahrsempfang, zu dem die Klinikum GmbH in den Sitzungssaal der Stadtverordneten geladen hat. Bald haben andere, aller Voraussicht nach ist es es ein privater Konzern, am Starkenburgring das Sagen. Klinik-Geschäftsführerin Franziska Mecke-Bilz, 2011 vom kommunalen Berliner Verbund Vivantes als Helferin gekommen und seit Anfang 2012 vollwertige Chefin, formuliert Anspruch und Wunsch für die Zukunft: „Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was ein neuer Träger vorhat. Aber es ist zu wünschen, dass er dieser Stadt ein Hochleistungs-Klinikum mit dem Profil eines Maximalversorgers erhält.“

Den Beweis, dass der im Sanierungsplan für 2015 angepeilte Ausgleich von betrieblichen Einnahmen und Ausgaben möglich ist, muss das Klinikum als kommunales Haus zwar nicht mehr erbringen. Mecke-Bilz verkündet den mehreren hundert Gästen aber deutliche Fortschritte: Erstmals seit sechs Jahren ist demnach das Defizit nicht gestiegen, sondern hat sich verringert. Und zwar von 46 Millionen auf mindestens 39 Millionen. Wobei zusätzlich eine Tarifsteigerung von drei Millionen abgedeckt wurde. Zu verdanken ist das Sparanstrengungen (mehr als 200 Stellen wurden abgebaut), Umstrukturierungen und einem Patientenzuwachs.

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Viel Lob erfahren an diesem Abend die Mitarbeiter, die sich auf die Sanierung eingelassen haben und im Jahr 2012 schwere Schläge verdauen mussten. „Schock und Wut“ hätten geherrscht, als klar geworden sei, dass das Haus nicht kommunal zu halten sei, sagt Pflegedienstleiterin Sabine Braun: „Trotzdem hat sich jeder angestrengt, um das Beste für die Patienten zu ermöglichen.“

„Die Belegschaft hat sich auf das Höchste engagiert und sich mit dem Haus identifiziert“, preist der Krankenhausdezernent, Bürgermeister Peter Schneider. Der Ärztliche Direktor, Professor Dr. Norbert Rilinger, übermittelt allen Beschäftigten Dank für eine großartige Leistung im Zeichen der gemeinsamen Sanierungsanstrengungen. Chefin Mecke-Bilz nennt die Mitarbeiter „das größte Kapital, das diese Klinik hat“.

Dabei wäre dieses Kapital am Ende des Jahres fast drastisch zusammengeschmolzen oder hätte nur noch unter sehr widrigen Umständen Rendite bringen können. Alle Redner des Abends gestehen ihre Erleichterung, dass im November der „Größte Anzunehmende Unfall“ in letzter Minute abgewendet werden konnte – wenngleich zum Preis des vom Land verordneten Notverkaufs. Der Schock sitzt immer noch tief.

„Am Klinikum muss Ruhe einkehren“

Was eine von der faktischen Überschuldung verursachte Insolvenz bedeutet hätte, führt Mecke-Bilz vor Augen: Hoch kompetentes Personal wäre umgehend geflohen, niedergelassene Ärzte hätten keine Patienten mehr geschickt, deren Zahlen und Erlöse wären eingebrochen. Für Rilinger war mit der diskutierten Möglichkeit einer „Turbosanierung“ über eine beim Land für beherrschbar gehaltene Insolvenz Undenkbares denkbar geworden: Deutschlandweit einmalig wäre ein Maximalversorger mit wesentlicher Rolle in der Notfallversorgung seiner Region in den freien Fall gestürzt worden. Tragende Mitarbeiter hätten sich verabschiedet, die Versorgung wäre erst lückenhaft geworden, dann zusammengebrochen.

Mit der Bewältigung der Vergangenheit, in der das 150-jährige Stadtkrankenhaus an den Rand des Abgrunds getrieben wurde, geht man an diesem Abend sparsam um. Der grüne Bürgermeister Peter Schneider will kein Schwarzer-Peter-Spiel, hält es aber für legitim, dass Fragen gestellt und beantwortet werden, wer wann etwas entschieden hat. Fehler des früheren, 2011 gefeuerten Managements kommen ebenso wenig zur Sprache wie ein Versagen der politischen Aufsicht.

Es ist am Radiologen Rilinger, Zusammenhänge zu durchleuchten: wie der Staat seit den den 90er Jahren seine gesetzliche Pflicht zur Finanzierung von Krankenhausinvestitionen vernachlässigt, was Klinikverkäufe erzwingt oder in Offenbach das Refinanzierungsmodell des Neubaus scheitern lässt. Auch Beruhigendes hat der Mediziner parat: Private Trägerschaft bedeute genauso wenig zwingend eine Verschlechterung der Krankenversorgung, wie eine kommunale Trägerschaft eine gute garantiere. Wichtig sei Planungssicherheit. Die Mitarbeiter seien die „Achterbahn der Gefühle“ leid, die ihnen immer neue Horrormeldungen über Finanzlöcher, Aufsichtsversagen und neue Lösungskonzepte bereitet hätten: „Was das angeht, muss am Klinikum Ruhe einkehren.“

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