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Keine großen Einschnitte

Die Klinik Kirchheim soll laut „Ernst & Young“-Gutachten keine Abteilungen verlieren

Das Krankenhaus-Gutachten empfiehlt für die Klinik Kirchheim keine gravierenden Einschnitte – anders als für das Paracelsus-Krankenhaus in Ostfildern-Ruit, das ganze Abteilungen verlieren soll. In Kirchheim sollen sogar noch Abteilungen hinzukommen.

Klinik Kirchheim - KrankenhausLuftbild, Luftaufnahme, honorarpflichtig

Das Kirchheimer Krankenhaus soll nach dem Willen der Krankenhaus-Gutachter bleiben, wie es ist – zumindest von außen. Neue Abteilungen werden in bestehenden Gebäudeteilen untergebracht.

Kirchheim. „Kirchheim und Nürtingen sind für uns eine Einheit“. Diesen Satz hat man von Norbert Nadler, Pflegedirektor am Klinikum Kirchheim-Nürtingen, in den vergangenen Jahren wiederholt gehört. Diese Maxime scheint in den krisengebeutelten Zeiten, in denen sich die meisten kommunalen Krankenhäuser aktuell befinden, die richtige gewesen zu sein. Das „Ernst & Young“-Gutachten, das aktuell die Runde durch die politischen Gremien macht, attestiert den Kliniken Kirchheim und Nürtingen „eine gute, komplementäre Abstimmung ihrer medizinischen Leistungsangebote“.

Man könnte es auch so sagen: Zwischen den Krankenhäusern Kirchheim und Nürtingen, die kaum acht Kilometer voneinander entfernt sind, ist vieles anders gemacht worden als zwischen dem Paracelsus-Krankenhaus in Ostfildern-Ruit und dem Klinikum Esslingen, die auch nur zehn Kilometer auseinander liegen. Was natürlich mit daran liegt, dass Kirchheim, Nürtingen und Ruit zu den Kreiskliniken gehören, das Klinikum Esslingen aber nicht. „Wettrüsten“ ist ein Wort, das in den vergangenen Jahren oft gefallen ist, um den Aufbau immer neuer, ähnlicher Abteilungen in Ruit und Esslingen zu beschreiben – alles mit dem Ziel, sich gegenseitig Patienten abzujagen. Im Gutachter-Deutsch von „Ernst & Young“ klingt das so: Weil die beiden Krankenhäuser „auf engstem geografischem Raum in den letzten Jahren gleiche Leistungsangebote aufgebaut“ haben, müssen nun Doppelstrukturen abgebaut werden. Sollten die politischen Gremien dem Gutachten folgen, würde Ruit Urologie und Geburtshilfe verlieren.

Kirchheim hingegen soll von Einschnitten verschont bleiben. Die Gutachter, die sich die Stärken und Schwächen der fünf Krankenhäuser in Plochingen, Kirchheim, Nürtingen, Ruit und Esslingen angesehen haben, attestieren der Klinik „eine stabile Unfallchirurgie, gestärkt durch die Wirbelsäulenchirurgie“. Während die Klinik Kirchheim ihren Schwerpunkt auf den konservativen Fächern der Inneren Medizin habe, sei die Klinik Nürtingen auf die operativen Disziplinen ausgerichtet.

Natürlich läuft auch in Kirchheim nicht alles rund. Die Viszeralchirurgie, die die operative Behandlung der Bauch-Organe umfasst, sei auf ein enges Spektrum eingeschränkt und habe damit „Probleme der Minimalbesetzung“, schreiben die Gutachter. Die Kirchheimer Allgemeinchirurgie hat im Betrachtungszeitraum nicht wirtschaftlich gearbeitet – wohl auch ein Resultat der reduzierten Bettenzahl, mit der die Chirurgie während des jüngsten Baustopps auskommen musste. Weil nur 80 von 100 Betten verfügbar waren, mussten immer wieder Patienten nach Nürtingen geschickt werden. Trotz dieses Schönheitsfehlers empfiehlt das Gutachten, die Allgemeinchirurgie in Kirchheim zu behalten. Sie müsse „im Kontext mit der Unfallchirurgie“ gesehen werden und solle deshalb auch künftig vorgehalten werden.

Dass Plochingen komplett zur Psychiatrie umgebaut werden soll, hatten schon vor der Veröffentlichung des Gutachtens viele vermutet. Dass ein Teil der Psychiatrie, nämlich die Abteilung für Suchtkranke, in Kirchheim angesiedelt werden soll, dürfte in Kirchheim für viele eine Überraschung gewesen sein. Schließlich ging man davon aus, dass für die Psychiatrie-Betten kein Platz mehr ist, wenn die Rheumatologie nach Kirchheim verlegt wird. Letzteres hatte der Kreistag Ende vergangenen Jahres beschlossen.

Allerdings soll die psychiatrische Abteilung für Suchtkranke nur 25 bis 30 stationäre Betten umfassen – wenig im Vergleich zur Psychiatrie in Plochingen, die 140 bis 160 Betten groß sein soll. Diese Betten könnten in bereits bestehenden Gebäuden untergebracht werden, sagte Kliniken-Sprecherin Iris Weichsel. Der Grund, warum die Abteilung für Suchtkranke in Kirchheim ihren Platz finden soll, ist, dass sie laut Gutachten die Anbindung an eine somatische Abteilung braucht – und die fehlt ab Juli in Plochingen, wenn die Innere nach Kirchheim zieht. Die psychiatrische Tagesklinik soll ebenfalls nach Kirchheim kommen, wenn es nach „Ernst & Young“ geht. Dafür müsste der Rohbau, der seit einiger Zeit an der Ecke Stuttgarter Straße/Charlottenstraße steht, fertiggebaut werden.

„Der Standort Kirchheim bleibt in seiner Versorgungsstruktur unter Stärkung des internistischen Angebots erhalten“, heißt es in dem Gutachten. Empfohlen wird unter anderem der Aufbau eines Schwerpunkts Nephrologie in Kirchheim, der sich Erkrankungen der Niere widmet. Auch die geriatrischen Leistungen sollen ausgebaut werden, unter anderem haben die Gutachter der Klinik den Aufbau einer stationären Akutgeriatrie auf die Agenda geschrieben. Die Geriatrie umfasst die Vorsorge, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von körperlichen und seelischen Erkrankungen im fortgeschrittenen Lebensalter.

Das Gutachten wird nun in den politischen Gremien beraten. Der Esslinger Gemeinderat und der Kreistag haben das letzte Wort darüber, welchen Kurs die Kliniken im Landkreis einschlagen.

Baustelle , Baustop Krankenhaus KirchheimDas Eingangsgebäudes der psychiatrischen Tagesklinik (im Vordergrund) an der Ecke Stutt

Sollten die politischen Gremien grünes Licht geben, wird die psychiatrische Tagesklinik fertiggebaut.Fotos: Werner Feirer/Deniz Calagan