Gesundheitskosten steigen stärker

Die Spitalkosten sind 2012 in vielen Kantonen unerwartet stark gestiegen. Nun fordern dieKrankenkassen die Kantone auf, Gegensteuer zu geben und sohöhere Prämien zu verhindern.

Sarah Nowotny
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Die Kosten für Spitalaufenthalte, Medikamente, Arztbesuche, Pflegeheime und Ähnliches sind vergangenes Jahr schweizweit pro Kopf um mindestens 3,3 Prozent gestiegen. Dies ist deutlich mehr als in den beiden Jahren zuvor. Gross sind die Unterschiede zwischen den Kantonen (siehe Grafik): Während die Gesundheitskosten etwa in Nidwalden um 12 Prozent zugenommen haben, sind sie im Tessin um 0,8 Prozent gesunken. Allerdings bilden diese neuen Zahlen der Tarifsuisse, einer Tochtergesellschaft des Krankenkassenverbands Santésuisse, erst einen Teil der Kostensteigerung im Jahr 2012 ab.

Grösste Steigerung in Nidwalden

Der Grund dafür ist, dass viele Rechnungen der Spitäler erst bis Mitte Jahr bei den Krankenversicherern eintreffen werden. «Aber der Trend zu höheren Kosten steht bereits mit unseren momentanen Zahlen fest. Es kann jetzt nur noch teurer werden», sagt Verena Nold, Direktorin von Tarifsuisse. Höhere Kosten in einem Jahr bedeuten oft steigende Krankenkassenprämien in den Folgejahren. «Im Moment ist es indes zu früh, um aus der Kostensteigerung konkrete Rückschlüsse auf die Prämien 2014 zu ziehen», sagt Nold. Für die höheren Kosten und die Verzögerungen bei den Rechnungen ist eine neue Art der Abrechnung in den Spitälern verantwortlich.

Anfang 2012 wurden für die stationären Spitalbehandlungen – für alle medizinischen Schritte ohne Übernachtung – die sogenannten Fallpauschalen eingeführt. Seither können die Spitäler nicht mehr Behandlungstage in Rechnung stellen, sondern erhalten von den Kassen Geld pro Diagnose, also einen Pauschalbetrag etwa für eine Blinddarmentzündung. Effizienz soll auf diese Art belohnt werden, und im besten Fall sinken die Kosten. 2012 geschah aber das Gegenteil: Die stationären Spitalkosten sind landesweit um 2,3 Prozent gestiegen. Angesichts der erwähnten offenen Rechnungen ist noch ein weit stärkeres Kostenwachstum möglich. Bereits die jetzigen Zahlen zeigen indes, dass die Unterschiede zwischen den Kantonen auch im Spitalsektor riesig sind. So sind die Spitalkosten in Nidwalden um 42,5, in St. Gallen um 19,8 und in Zürich um 9,5 Prozent gewachsen – weit stärker als jeweils in den Vorjahren. Im Kanton Bern dagegen hat man letztes Jahr 4,8 Prozent weniger ausgegeben. Noch unübersichtlicher wird die Sache dadurch, dass die Unterschiede sogar zwischen einzelnen Spitälern gross sind. Schaut man etwa die Universitätsspitäler an, ist die Kostensteigerung am Berner Inselspital mit 25 Prozent am stärksten. Sprecher Markus Hächler spricht jedoch nicht von einer Kosten-, sondern von einer Leistungssteigerung – also mehr teuren Patienten. «Das Inselspital betreute 2012 mehr schwerkranke Patienten», sagt er.

Kassen schreiben Kantonen

Doch für Tarifsuisse-Chefin Nold ist klar, dass die neuen Fallpauschalen noch nicht wie gewünscht funktionieren. «In 18 Kantonen sind die Spitalkosten gestiegen, zum Teil viel stärker, als wir erwartet hatten», sagt sie. Dem pflichtet Jürg Vontobel bei, Mitglied der Geschäftsleitung von Concordia, der viertgrössten Schweizer Krankenkasse. «Die Kosten sind stärker als erwartet gestiegen. Ein Grund für den Anstieg dürfte sein, dass die Spitäler das neue System der Fallpauschale vollständig ausgereizt haben», sagt er.

Die Kassen bemängeln, dass die Fallpauschalen oft zu hoch seien und sich die Kantone zu wenig an den Spitalkosten beteiligten. Um diese Kritik zu verstehen, muss man wissen, dass die Tarife vielerorts noch provisorisch sind. Die Kantone mussten sie festlegen, weil sich Spitäler und Kassen nicht einigen konnten. Tarifsuisse hat nun den Kantonen einen Brief geschrieben und warnt vor explodierenden Kosten und einem Prämienschub. Zudem schlagen die Kassen den Regierungen vor, die zu grosszügigen Tarife rückwirkend zu senken und sich dabei an die Empfehlungen des eidgenössischen Preisüberwachers zu halten. Das Schreiben werden die Kantone nächste Woche erhalten. In zwei Wochen dürfte auch das Bundesamt für Gesundheit die bisher unveröffentlichten Zahlen zum Gesundheitswesen 2012 publizieren.