Bundesrat stützt Bersets Gegenvorschlag zur Einheitskasse

Der Bundesrat will mit einem Hochkostenpool und der Verfeinerung des Risikoausgleichs die Risikoselektion der Krankenkassen verringern. Die Reaktionen der bürgerlichen Parteien und der Versicherer sind teilweise harsch ausgefallen.

Christof Forster, Bern
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Bundesrat Alain Berset erklärt die Mechanik des Gegenvorschlags. (Bild: Keystone)

Bundesrat Alain Berset erklärt die Mechanik des Gegenvorschlags. (Bild: Keystone)

Im Vorfeld der Bundesratssitzung vom Mittwoch haben bürgerliche Gesundheitspolitiker gegen den indirekten Gegenvorschlag zur Einheitskassen-Initiative lobbyiert. Sie haben ihre jeweiligen Bundesräte gebeten, die Pläne von Gesundheitsminister Alain Berset zu stoppen oder abzuschwächen (NZZ 22. 2. 13). Den Entscheid konnten sie damit jedoch nur in Nuancen beeinflussen. Je nach Lesart ist dies ein Beweis für die Unabhängigkeit der Regierungsmitglieder von ihren Parteien oder aber ein Beispiel dafür, dass sich in der derzeitigen Zusammensetzung die Bundesräte davor scheuen, die Geschäfte ihrer Kollegen mitzuprägen.

Das Kollegium ist weitgehend den Anträgen von SP-Bundesrat Berset gefolgt. In einem Punkt wurde die Vorlage leicht abgeändert: Bei der «Rückversicherung» bevorzugt der Bundesrat die moderatere Version.

Kleinere Prämienunterschiede

Der Bundesrat lehnt die von SP, Grünen sowie Patienten- und Konsumentenorganisationen eingereichte Initiative für eine Einheitskasse ab. Das gegenwärtige System, basierend auf dem Prinzip des regulierten Wettbewerbs, weise gegenüber einem Monopol klare Vorzüge auf. Mit dem indirekten Gegenvorschlag will der Bundesrat aber Verbesserungen anbringen und die Solidarität verstärken, wie Berset am Mittwoch vor den Medien sagte. Ziel sei es, den Wettbewerb zwischen den Kassen auf die Qualität der Angebote zu beschränken. Hingegen soll die Jagd nach guten Risiken weitgehend ausgeschaltet werden.

Die im Gegenvorschlag geplante Rückversicherung wird die Risikoselektion und damit die Prämienunterschiede reduzieren, was zu weniger Kassenwechseln und damit zu tieferen Kosten führen wird, wie es im Vernehmlassungsbericht heisst.

Diese Rückversicherung – in der Branche spricht man eher von einem Hochkostenpool – sieht eine solidarische Finanzierung für Patienten mit hohen Kosten vor. Der Pool übernimmt ab einer bestimmten Höhe die Behandlungskosten für eine Person (abzüglich eines Selbstbehalts von 20 Prozent) und wird über die Krankenkassenprämien finanziert. Je tiefer diese Grenze ist, desto stärker nähert sich das heutige System dem Regime der Einheitskasse an. Im vergangenen Herbst nannte Berset eine Schwelle von zwischen 5000 und 20 000 Franken pro Jahr. Nun schlägt der Bundesrat in der Vernehmlassung zwei Schwellenwerte vor: einen tieferen bei 16 296 Franken und einen höheren bei 32 592 Franken. Diese Limite ist keine fixe Grösse, sondern wird an die Kostenentwicklung angepasst. Der Hochkostenpool übernähme je nach Variante 18 Prozent der Leistungen (3,6% der Versicherten) beziehungsweise 7 Prozent (1,2%). Bei der vom Bundesrat bevorzugten höheren Schwelle entspricht dies 1,7 Milliarden Franken Bruttoleistungen, die dem Wettbewerb entzogen würden.

Berset und das Parlament

Als zweites Element des Gegenvorschlags soll der bestehende Risikoausgleich mit der Aufnahme eines zusätzlichen Indikators verfeinert werden. Im Vordergrund stehen als Ergänzung zu den heutigen Kriterien Alter, Geschlecht und Spitalaufenthalt die Medikamentenkosten. Schliesslich will der Bundesrat, dass Grund- und Zusatzversicherung in unterschiedlichen juristischen Einheiten geführt werden. Dadurch soll der Austausch von Versichertendaten und damit die Möglichkeit der Risikoselektion unterbunden werden.

Gefragt, wieso der Bundesrat trotz Widerstand aus dem Parlament an einem Gegenvorschlag festhalte, sagte Berset, er habe die Motionen zur Kenntnis genommen. Ohne konkreten Vorschlag sei der Widerstand jedoch schwierig abschätzbar. Zudem ist laut Berset der Zeitgewinn mit dem in den Motionen geforderten Verzicht auf einen Gegenvorschlag minim. Statt im kommenden November würde die Botschaft im September vorliegen. Deshalb schlage der Bundesrat vor, die Motionen abzulehnen, sagte Berset.

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