Jährlich sterben etwa 50.000 Patienten in Europa nach einer Krankenhausinfektion. Auch in Deutschland werden oft Regeln missachtet.

Die Berliner Charité informierte jetzt über den Ausbruch des multiresistenten Keimes des Typs Klebsiella pneumoniae (KPC) in einer Erwachsenen-Intensivstation des Campus Virchow. Zwei Patienten starben.

Für gesunde Menschen sind KPC-Bakterien ungefährlich. Für abwehrgeschwächte Patienten stellt ein KPC-Bakterium ein Risiko dar. Bei einer Infektion mit KPC treten die typischen Infektionssymptome wie Fieber, schweres Krankheitsgefühl oder Atemnot auf. Eine Infektion mit KPC ist nur mit wenigen Reserve-Antibiotika behandelbar.

Der bisher größte KPC-Ausbruch in Deutschland wurde 2012 in Leipzig bekannt. Seit 2010 haben sich dort mindestens 95 Menschen mit dem multiresistenten Keim „Klebsiella pneunomiae Carbapenamase“ (KPC) infiziert. Eingeschleppt wurde der multiresistente Keim offenbar von einem Griechenland-Urlauber, der sich nach seiner Rückkehr im Leipziger Uniklinikum behandeln ließ.

Die Antibiotika schlugen nicht an, der Patient bekam eine Lungenentzündung und starb. Obwohl der Kranke sofort isoliert worden war, wurde der Keim einige Wochen bei anderen Patienten der Uniklinik festgestellt.

Nachdem sich die Fälle häuften, meldete die Uniklinik die Fälle Anfang 2011 dem Gesundheitsamt. Die Öffentlichkeit erfuhr erst ein gutes Jahr später von dem Keim-Ausbruch. Inzwischen waren 30 der infizierten Patienten gestorben, nach Angaben der Klinik war jedoch unklar, wie viele der Todesfälle direkt auf den Keim zurückgingen.

Antibiotikaforschung ist nötig

In schöner Regelmäßigkeit kocht das Thema hoch. Das Europäische Zentrum für Prävention und Krankheitskontrolle schätzt, dass in Europa jährlich drei Millionen Menschen eine Krankenhausinfektion erleiden und schätzungsweise 50.000 daran sterben. Nach anderen Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene kommen allein in Deutschland jährlich 20.000 Patienten ums Leben, die sich im Krankenhaus mit einem resistenten Keim infiziert hatten.

Noch gut im Gedächtnis sind die Infektionen von Frühchen mit Serratien an der Berliner Charité im vergangenen Jahr. Ein Baby starb. Auch an einer Klinik in Bremen waren es Frühchen, die mit antibiotikaresistenten Keimen infiziert wurden und starben. Dabei sind die Verursacher oft völlig harmlos für gesunde Menschen. Es handelt sich oft um solche, die den Menschen natürlicherweise besiedeln: Sie leben auf der Haut oder im Darm. Die häufigsten Krankenhaus-Infektionen betreffen deshalb Wunden, Atemwege und den Harntrakt. Gelangen die Erreger in die Blutbahn, zumal bei einem Patienten, der aus anderen Gründen schon geschwächt ist, können sie großen Schaden anrichten.

Wenn dann die Antibiotika versagen, wird es lebensbedrohlich. Das Problem ist alles andere als neu – aber nach wie vor unbewältigt. Das drängendste Problem sind, wie auch im aktuellen Fall, die multiresistenten Keime, die sich an die Mehrzahl der existierenden Antibiotika angepasst haben. Häufig deshalb, weil diese Medikamente unsachgemäß und unsinnig angewendet werden. Seit Jahrzehnten wurden zudem kaum neue Antibiotika-Klassen entwickelt, die die Lücken in den Schutzwällen schließen könnten. Alle Experten drängen hier auf mehr Forschungsanstrengungen.

„Mediziner sind auch nur Menschen“

Ein weiterer Grund für die Probleme ist der hohe finanzielle, zeitliche und personelle Druck in den Krankenhäusern. Mediziner sind auch nur Menschen, sagt etwa Klaus-Dieter Zastrow, Direktor der Abteilung Hygiene und Umweltmedizin am Berliner Auguste-Viktoria-Krankenhaus. Er koordiniert die Krankenhaushygiene der Vivantes-Kliniken und sitzt im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

So passiere es immer wieder, dass Ärzte und Pflegepersonal das eigentlich obligate Händedesinfizieren zwischen dem Betreuen der einzelnen Patienten vernachlässigen. Das sei keineswegs nur Gedankenlosigkeit, sondern auch Folge der zunehmenden personellen Engpässe. So ist, sagt der Mediziner, das Verhalten des Klinikpersonals die Hauptursache für Krankenhausinfektionen. Eine sachgerechte Hygiene könnte 50 Prozent der Fälle vermeiden.

Eitelkeit vor Sicherheit

Dennoch weiß, anders als man erwarten würde, längst nicht jeder Arzt und jede Schwester, was zu tun wäre. Die Fehler, die gemacht würden, seien grundlegend, sagt Klaus-Dieter Zastrow. „Es besteht häufig nicht das Bewusstsein für die Tragweite des eigenen Tuns. Da wird oft nur fünf Sekunden lang desinfiziert – das ist viel zu kurz.“ Und die Desinfektion müsste eigentlich unmittelbar vor der Betreuung eines neuen Patienten vollzogen werden. Stattdessen reinigt das Personal die Hände oft, nachdem es bei einem Patienten war.

Danach werden wieder Gegenstände angefasst: das eigene Handy, eine Bettdecke oder gar ein völlig verkeimter alter Verband, der gewechselt werden muss. Die Desinfektion und das Anlegen frischer steriler Handschuhe müsste danach erfolgen, wenn der neue Verband angefasst und aufgelegt wird. Ähnliches gelte für den Mund- und Nasenschutz. „Der wird manchmal allein deshalb weggelassen, weil der betreffende Mitarbeiter meint, damit unvorteilhaft auszusehen“, beklagt Hygienespezialist Zastrow.

Regelwerk wird nicht befolgt

Zur Ausbildung der Ärzte und des Pflegepersonals gehört durchaus auch die Hygiene, aber sie ist aus Zastrows Sicht unzureichend und wird an den Universitäten auch sehr unterschiedlich gelehrt. In der Pflegeausbildung seien 80 bis 100 Stunden Hygiene vorgesehen, aber der Großteil davon entfalle auf Ernährungslehre, was ebenfalls zur Hygiene gezählt wird.

Dabei verfügt Deutschland eigentlich über die vielleicht weitreichendsten Regeln zur Krankenhaushygiene, sagt Klaus-Dieter Zastrow. „Wir werden von ausländischen Experten um unser Regelwerk beneidet. Das Problem ist: Es wird nicht befolgt.“ Und die Einhaltung wird vonseiten der örtlichen Aufsichtsbehörden nicht kontrolliert. In Berlin war dies lange Zeit die Senatsgesundheitsverwaltung, heute sind es die Gesundheitsämter der Bezirke. Doch denen fehlt es offenbar an Zeit und an Bewusstsein und teilweise auch Kompetenz, denn „nicht alle Amtsärzte sind gut ausgebildet“, sagt Zastrow.

Dabei ist es kontraproduktiv, an der Hygiene zu sparen, sagen die Experten. Denn ganz abgesehen von dem menschlichen Leid, das die oft schweren und teils tödlichen Infektionen mit sich bringen, verursachen sie auch hohe Kosten. Nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch ganz für das einzelne Krankenhaus. Denn im Hinblick auf die Fallpauschalen muss der Krankenhausträger kräftig draufzahlen, wenn ein Patient nicht wie üblich nach ein paar Tagen gesund nach Hause geht, sondern wochenlang mit einem resistenten Keim kämpft.