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Abtreibungen in Wilhelmshaven Kirche beeinflusst Klinik

Wilhelmshaven. Die Stadt Wilhelmshaven will bei ihren Krankenhausplänen zur finanziellen Unterstützung die katholische Kirche mit einbinden. Das hat Konsequenzen. Künftig soll es in der kommunalen Klinik keine Schwangerschaftsabbrüche mehr geben.
04.03.2013, 05:00 Uhr
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Von Martin Wein

Wilhelmshaven. Die Stadt Wilhelmshaven will bei ihren Krankenhausplänen zur finanziellen Unterstützung die katholische Kirche mit einbinden. Das hat Konsequenzen. Künftig soll es in der kommunalen Klinik keine Schwangerschaftsabbrüche nach der gesetzlichen Fristenregelung mehr geben. Der Stadtrat hat bereits zugestimmt.

Abtreibungen soll es im neuen Klinikum Wilhelmshaven künftig nur noch in Notfällen geben. Auch wenn die katholische Kirche in der Trägergesellschaft nur Juniorpartner werden möchte, will sie die Linie des Hauses entscheidend mitbestimmen. Die Kommune ist angesichts hoher Schulden und eines enormen Sanierungsstaus einverstanden. Ansonsten sei eine Privatisierung unvermeidlich.

Das geplante, überwiegend kommunal betriebene Klinikum in Wilhelmshaven soll sich in seiner Arbeit an den ethischen Standards der katholischen Kirche orientieren. Schwangerschaftsabbrüche nach der Fristenlösung auf Wunsch der Mutter werde es nicht geben, sagte Heinz Hoffstedde für die katholische Hospitalgesellschaft Jade-Weser bei der Vorstellung eines gemeinsamen Eckpunkte-Papiers mit der Stadt. Nach Vergewaltigungen oder bei medizinischen Indikationen werde die Klinik helfen, "aber wir werden kein schon entstandenes Leben zerstören".

Die Stadt und die katholische Hospitalgesellschaft streben bereits für Anfang 2014 den organisatorischen Zusammenschluss ihrer beiden Krankenhäuser in Wilhelmshaven in einer Klinik-Gesellschaft an. Auch wenn beide Häuser vorerst bestehen bleiben, sollen dann bereits ganze Abteilungen zusammengelegt werden. Das könnte auch Geburtshilfe und Gynäkologie betreffen. Der Stadtrat hat dem Grundsatzbeschluss in geheimer Sitzung zugestimmt.

Die kirchliche Einrichtung soll 20 bis 30 Prozent der Anteile übernehmen. Auch für diesen Minderheitsanteil erwartet sie deutlichen Einfluss auf die Ausrichtung der Klinik, die nach den jetzigen Plänen 2018 in einen gemeinsamen Neubau ziehen könnte. Eine Kapelle und ein katholischer Seelsorger sollen ebenso selbstverständlich sein wie die Verweigerung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Oberbürgermeister Andreas Wagner (CDU) sieht darin kein Problem. Nach der grundsätzlichen Einigung seien nur noch technische Fragen offen, sagt er. Schwangerschaftsabbrüche würden auch bisher schon überwiegend ambulant von Gynäkologen erledigt, erklärt sein Pressesprecher auf Nachfrage. Man sei sich aber der "Verantwortung zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte betroffener Frauen bewusst."

Die enge Bindung Wilhelmshavens an die katholische Kirche erstaunt viele umso mehr, als die Stadtbevölkerung überwiegend nicht konfessionell gebunden ist oder der evangelisch-lutherischen Kirche angehört. Nur rund zwölf Prozent der Einwohner sind katholisch. Als Erklärung wird vielfach gesehen, dass die Stadt einen Ersatz für das im Unterhalt nicht mehr finanzierbare Reinhard-Nieter-Krankenhaus aus eigener Kraft nicht stemmen kann. "Dann bliebe tatsächlich nur die Privatisierung", warnt Wagner die Kritiker.

Das Land als Hauptfinanzier des Klinkneubaus mit einem Kostenvolumen von mindestens 70 Millionen Euro habe bereits seine Zustimmung signalisiert. Seit 2006 hat das städtische Krankenhaus kontinuierlich Verluste geschrieben, die der im Herbst entlassene Geschäftsführer gezielt vertuscht haben soll. Die von der Stadt mit Ermittlungen beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers fand heraus, dass der Geschäftsführer offenbar bei bis zu zehn Banken wiederholt Kredite außerhalb des genehmigten Rahmens von 7,5 Millionen Euro einholte, um Finanzierungslücken zu schließen. Geflossen sei das Geld indessen nicht auf die Konten der Klinik, sondern auf ein ruhendes Konto des städtischen Eigenbetriebs.

Dementsprechend tauchten die Summen in den Büchern nicht auf. Teils soll der Geschäftsführer erteilte Kreditermächtigungen sogar mehrfach verwendet haben. Wohin das Geld letztlich floss und wofür es verwendet wurde, sei nicht abschließend zu klären, so die Wirtschaftsprüfer. Ob der Aufsichtsrat der Klinik von alledem wusste, ist nicht bekannt. Immerhin war die damals SPD-geführte Ratsmehrheit entschlossen, die 2004 in fünf gemeinnützige Gesellschaften zergliederte Klinik um keinen Preis zu privatisieren.

Ziel des jetzt verabschiedeten Eckpunktepapiers ist ein Klinikum zur Vollversorgung. Die Bettenzahl soll von derzeit 540 in der Stadt auf 500 reduziert werden. Das Leistungsangebot könnte dagegen sogar steigen. Aus Angst vor Widerständen seitens der Mitarbeiter haben beide Seiten vereinbart, das Personal beider Häuser künftig nach einem gemeinsamen Haustarifvertrag zu bezahlen, der geltende Ansprüche respektieren soll. Eine Kirchenmitgliedschaft, wie sie die Kirche sonst von ihren Angestellten verlangt, ist damit offenbar nicht zwingend.

Die Stadt Wilhelmshaven hofft von ihrem neuen Partner, mit dem man bislang eher eine stillschweigende Konkurrenz pflegte, offenbar auch Entlastung auf einer anderen Baustelle. Es sei denkbar, dass der katholische Trägerverein der Hospitalgesellschaft, die auch Krankenhäuser in Varel und Brake unterhält, künftig die städtischen Altenwohnanlagen übernimmt. Die Kommune sieht sich auch hier außerstande, den angesammelten Sanierungsstau aus eigener Kraft zu bewältigen.

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