Das Defizit des Klinikverbunds wächst und wächst. Deshalb hat der Aufsichtsrats ein Sparprogramm beschlossen. Dieses trifft auch die Mitarbeiter. Entlassungen soll es wohl aber nicht geben.

Böblingen - Das Defizit im Klinikverbund Südwest wächst und wächst. Nun sind auch die Rücklagen aufgebraucht. Erstmals müssen die Gesellschafter im Kreis Böblingen in diesem Jahr Geld nicht nur für notwendige Investitionen, sondern auch für den laufenden Betrieb zuschießen. Eher beiläufig hat der Böblinger Landrat Roland Bernhard im Kreistag eine Zahl genannt: vermutlich 15 Millionen Euro Defizit im Klinikum Böblingen-Sindelfingen in diesem Jahr. Rund drei Millionen davon können aus Rücklagen gedeckt werden. Für den Rest müssen die Gesellschafter – der Kreis Böblingen und die Stadt Sindelfingen – aufkommen. In den Kreiskliniken Böblingen – dazu gehören die Krankenhäuser in Leonberg und Herrenberg – wird mit einem Defizit von acht Millionen Euro gerechnet, das der Kreis ausgleichen muss.

 

Der Aufsichtsrat hat daher in seiner Sitzung weitgehende Sparmaßnahmen beschlossen. So sollen Stationen künftig interdisziplinär belegt werden, das heißt Patienten aus der Chirurgie werden beispielsweise in freie Betten der Inneren Medizin gelegt. Zudem sollen offenbar die Intensivstationen der Häuser enger kooperieren. Bei solchen Themen schrillen bei den Kommunalpolitikern aus Leonberg und Herrenberg sofort die Alarmglocken, fürchten sie doch um ihre Standorte.

Einsparziel offenbar: zehn Millionen Euro

Auch vor dem Personal machen die Sparpläne nicht Halt, Details sind aber noch nicht bekannt. Personalentlassungen soll es wohl aber nicht geben. Insgesamt zehn Millionen Euro will der Klinikverbund offenbar mit diesen Maßnahmen einsparen. Gestern wurde damit begonnen, die Mitarbeiter über die finanzielle Situation zu informieren. Als erstes gab es eine Betriebsversammlung in Böblingen, die anderen Krankenhäuser sollen folgen.

Die Fraktionschefs des Kreistags rechnen damit, dass die Kürzungen beim Personal noch Widerstand der Angestellten auslösen wird. Die Betriebsräte waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, sie diskutieren offenbar momentan intern, wie sie vorgehen sollen.

Im Landkreis Calw ist die Situation bereits seit dem vergangenen Jahr dramatisch. Dort musste der Kreis schon im v ergangenen Jahr knapp fünf Millionen Euro zuschießen, dieses Jahr rechnet er mit rund acht Millionen Euro Zuschussbedarf. Am Freitag tagt der Aufsichtsrat des Klinikums Nagold-Calw, um über Sparmaßnahmen in den Häusern zu beraten.

Wie gehen die Böblinger Kreispolitiker mit dem drohenden Defizit um? Unisono wird der Schwarze Peter Richtung Bund und Land weitergereicht. „Wir können diese Zahlen nicht mehr ausgleichen ohne Hilfe aus Berlin“, sagt der FWV-Fraktionschef Wilfried Dölker. Ohne schmerzliche Einschnitte werde es nicht gehen, aber die Schere aus steigenden Personalkosten und sinkenden Vergütungen gehe immer weiter auseinander. Auch die FDP-Fraktionschefin Heiderose Berroth sagt: „Wir müssen auf der politischen Ebene tätig werden.“

Die SPD warnt davor, zu stark bei den Angestellten zu sparen. „Die verfehlte Gesundheitspolitik dürfen nicht die Mitarbeiter ausbaden“, sagt der SPD-Fraktionschef Tobias Brenner. Das gehe zu Lasten der Motivation, und angesichts des Fachkräftemangels würden den Kliniken dann die Mitarbeiter davonlaufen. Große Summen seien aus den Einrichtungen ohnehin nicht mehr herauszupressen. Prinzipiell stellt sich jedoch keine Fraktion gegen den harten Sparkurs, den der Aufsichtsrat beschlossen hat. „Es müssen Gegenmaßnahmen getroffen werden“, sagt der grüne Fraktionschef Roland Mundle, „wir brauchen ein völlig neues Konzept.“

Klinikverbund hält an geplanter Flugfeldklinik fest

Die vier Standorte stehen nicht zur Disposition, auch der geplante und umstrittene Klinikneubau auf dem Böblinger Flugfeld für 334 Millionen Euro soll weiter verfolgt werden. „Gerade jetzt brauchen wir dieses neue Haus, um die Strukturen effizienter zu machen“, sagt etwa der SPD-Mann Tobias Brenner. Zu den kleinen Häusern in Leonberg und Herrenberg bekennen sich alle, gleichwohl müssten Fachbereiche zentralisiert werden. „Es müssen nicht immer alle alles machen“, sagt Brenner.

Zusätzliche Brisanz bekommt die schwierige Situation im Landkreis Böblingen durch die Überlegung der finanzstarken Stadt Sindelfingen, den Klinikverbund zu verlassen. Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer (CDU) hat dies am Wochenende erstmals angedeutet, morgen berät der Sindelfinger Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Sitzung darüber.