Solothurner Spitäler
Trotz der Fallpauschale gab es keine «blutigen Entlassungen»

Ein Jahr nach der Umstellung auf das neue Abrechnungssystem ziehen die Solothurner Spitäler Bilanz. Die Befürchtungen, dass Patienten zu früh nach Hause gelassen werden, haben sich nicht bestätigt.

Elisabeth Seifert
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Fallpauschalen prägen ihre Arbeit: Peter Dür, Ärztlicher Direktor der Spitäler AG, und Pflegedirektorin Gudrun Hochberger.

Fallpauschalen prägen ihre Arbeit: Peter Dür, Ärztlicher Direktor der Spitäler AG, und Pflegedirektorin Gudrun Hochberger.

Hanspeter Bärtschi

Blutige Entlassungen» - ein Schreckgespenst, das im Vorfeld der Einführung der neuen Spitalfinanzierung immer wieder die Runde machte. Konkret ist damit die Befürchtung gemeint, dass Patienten unter dem Kostendruck der Fallpauschalen viel zu früh entlassen werden. «Die Befürchtungen haben sich nicht bestätigt», sagt Peter Dür, Ärztlicher Direktor der Solothurner Spitäler AG (soH), jetzt, gut ein Jahr nach der Umstellung auf das neue Abrechnungssystem. «Die Patienten bleiben so lange bei uns, wie es medizinisch und sozial angezeigt ist.»

Patient steht im Zentrum - Noch

Kommt es zu kritischen Rückmeldungen vonseiten der Patienten, dann beziehen sich diese vor allem auf die Infrastruktur, etwa die Parkplatzsituation, weiss Gudrun Hochberger, Pflegedirektorin der soH. «Und auch Beanstandungen im medizinischen Bereich haben nichts mit der Umstellung auf die Fallpauschalen zu tun.» «Wir können den Patienten noch in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.»
Dies zeige sich auch in einer nach wie vor hohen Zufriedenheit des Spitalpersonals. «Der Kostendruck auf Ärzte und Pflegende nimmt allerdings zu», beobachtet die Pflegedirektorin. Dies zeige sich etwa in einer permanent hohen Auslastung der Spitalbetten, wodurch in Spitzenzeiten - wie in den Grippemonaten Januar und Februar - kaum mehr «Puffermöglichkeiten» bestehen. «Häufig bleibt bei einem Patientenwechsel nur wenig Zeit, um das Zimmer vorzubereiten.»

Eine Herausforderung stellt die neue Spitalfinanzierung vor allem für die öffentlichen Spitäler dar. Peter Dür: «Im Unterschied zu so manchem Privatspital behandeln wir oft Patienten, die an einer Vielzahl von Krankheiten, sogenannten Mehrfachdiagnosen, leiden.» Hinzu kommen aufwendige Abklärungen, wie und wo ein Patient nach dem Spitalaufenthalt weiter betreut werden kann. «Mehrfachdiagnosen werden bei der Berechnung der Diagnosis Related Groups (DRG) bzw. der Fallpauschalen aber nicht abgebildet», kritisiert Dür. Deshalb fordert er eine entsprechende Weiterentwicklung der DRG. Zufrieden ist der Ärztliche Direktor indes mit den Leistungsaufträgen des Kantons. «Mit diesen wird uns insbesondere der Mehraufwand für die medizinische und soziale Beratung von Menschen in komplexen Situationen abgegolten.»

Zahlen werden Ende April publik

Unter dem Regime der neuen Spitalfinanzierung sowohl den Bedürfnissen der Patienten als auch den wirtschaftlichen Anforderungen zu genügen, ist alles andere als einfach. «Unser Ziel muss darin bestehen, eine schwarze Null zu schreiben», betont Dür. Und: «Um künftige Investitionen zu decken, müssten wir zusätzlich noch einen Gewinn erzielen.» Ob dies gelingt, werden die Zahlen zum Geschäftsjahr 2012 zeigen, die Ende April veröffentlicht werden.

Zu denken gibt dem Ärztlichen Direktor vor allem, dass die Spitäler nach dem Willen der Versicherer jedes Jahr immer noch günstiger werden sollen. Einsparungsmöglichkeiten habe ein Spital bei den Behandlungsabläufen und auch im administrativen Bereich. Hier gebe es bei der soH auch noch ein gewisses Verbesserungspotenzial. Kein Sparpotenzial sieht Peter Dür hingegen bei der direkten Beziehung zwischen Arzt, Pflegepersonal und Patient. «Wenn man hier beginnt zu schrauben, dann bedeutet das eine Verschlechterung der Behandlungsqualität.»

Ganz generell bezweifelt Peter Dür zudem, dass das Gesundheitswesen durch die Fallpauschalen - wie beabsichtigt - günstiger wird. Im Gegenteil: «Wir haben mit den Fallpauschalen noch mehr Akteure, die sich den Kuchen teilen», betont er. Konkret spielt der Ärztliche Direktor damit auf zunehmende Kosten im administrativen Bereich an. Bei den Spitälern steige mit den DRG der Bedarf nach Medizincontrollern. Zudem braucht es Codierer, die aus den medizinischen Berichten, DRG-taugliche Rechnungen erstellen. Aber auch die Versicherungen rüsten auf. Zwecks Kontrolle der Abrechnungen werde hier gleich alles nochmals codiert. Hinzu komme ein ganzer Beraterstab. Und für die Zukunft rechnet Dür damit, dass vermehrt Rechnungen an die Spitäler zurückgewiesen werden - was den Rechtsabteilungen auf beiden Seiten Mehrarbeit bescheren wird.

Bessere Zusammenarbeit

Peter Dür will aber nicht einfach schwarzmalen. «Durch den Kostendruck müssen wir unsere Prozesse genau überdenken und immer weiter optimieren». Und gemäss Gudrun Hochberger hat die neue Spitalfinanzierung bewirkt, dass die einzelnen Professionen innerhalb des Spitals besser zusammenarbeiten. «Wir reden endlich alle miteinander.»
Eine Herausforderung stellt nach wie vor die weitere Verbesserung der Zusammenarbeit mit den nachgelagerten Institutionen dar. Aus diesem Grund wurde das von der soH initiierte SHS-Netzwerk (Spitex, Heime und soH) ins Leben gerufen. Ausserdem sei die soeben vom Kanton in Aussicht gestellte Aufstockung um 300 Heimplätze bis 2020 gut, meint Hochberger. Weiter brauche es - flächendeckend - eine Spitexbetreuung, die während 24 Stunden verfügbar ist. «Es ist wichtig», betont Hochberger, «dass Kanton, Heime, Spitäler und Spitex flexibel auf akute Situationen reagieren können.»