Die Kliniken im Land klagen über Finanznot. Die Krankenkassen hingegen sagen, für stationäre Behandlungen werde gut bezahlt. Die Landespolitik müsse nur ihre Instrumente gezielter ansetzen.

Stuttgart - Die umtriebige Öffentlichkeitsarbeit der Krankenhausbetreiber hat schon erste Erfolge gebracht. Die Regierungskoalition in Berlin beschloss vergangene Woche Maßnahmen, die den Kliniken mehr Geld zuspielen sollen. Wie wirksam das Paket sein wird, ist zwar umstritten – aber immerhin. Vor der Bundestagswahl im September ist das Thema offenbar als wichtig eingestuft worden.

 

Das Geld für die Krankenhäuser kommt von den Krankenkassen. Die sitzen derzeit auf Milliardenreserven. Doch das habe mit den Problemen der Kliniken nichts zu tun. Behandlungen im Krankenhaus werden im Land „sehr vernünftig bezahlt“, sagt der Vorstandschef der AOKBaden-Württemberg, Christopher Hermann. Mit 3,9 Millionen gesetzlich Versicherten ist die AOK im Land der größte Akteur am Gesundheitsmarkt auf Seiten der Kostenträger.

Hermann ist lange im Geschäft. Er ahnte schon, dass sich die Parteien vom Trommeln der Krankenhausträger nicht würden unbeeindruckt zeigen können. Aber es sei „irrwitzig, die Löcher mit immer mehr Geld zu stopfen“. Da würden nur „Pflaster verteilt“ und „in zwei Jahren sind wir wieder so weit wie jetzt“.

Seit der Einführung der Fallpauschalen sind die Krankenhäuser unter Druck. Vor zehn Jahren wurde damit begonnen, das Abrechnungssystem umzustellen. Rechneten die Kliniken zuvor Tagessätze für ihre Patienten ab und stellten quasi ihre Kosten in Rechnung, erhalten sie jetzt eine vom Krankheitsfall abhängige Pauschalvergütung. Auf diese Weise rücken die Kosten in den Vordergrund: Kann ein Haus einen Fall günstiger behandeln als er per Pauschale vergütet wird, macht es Geld gut. Arbeitet es aber teurer, kommt es zwangsläufig in die roten Zahlen.

Kliniken unter Druck

„Das System der Fallpauschalen ist kein Schlafwagen“, sagt AOK-Chef Hermann. Zwar wurde die Anpassungszeit für die Träger mehrmals verlängert. Voll wirksam ist die Umstellung erst seit 2010. Doch „das System ist auf enorme Effizienzsteigerungen ausgelegt“, sagt Hermann, „wer dem nicht standhalten kann, geht von der Fahne“.

Das sehen auch seine Kollegen so. Das Abrechnungssystem habe dazu geführt, dass Patienten weniger lange im Klinikbett liegen, und dadurch „zu wirtschaftlicheren Strukturen in den Krankenhäusern beigetragen“, sagt der Vizechef der Landesvertretung des Verbandes der Ersatzkassen (Vdek), Frank Winkler, hinter dem 2,7 Millionen Versicherte stehen. „Ein Krankenhaus muss, unabhängig davon, ob es in öffentlichem Besitz ist oder nicht, ein modern geführtes Dienstleistungsunternehmen sein“, ergänzt Andreas Vogt, Chef in der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse (TK). Bevor man nach Hilfe vom Staat rufe, solle man erst mal alle seine Aufgaben selbst erledigen.

Immer noch überversorgt

Hermann erkennt an, dass in Baden-Württemberg gemessen an der Einwohnerzahl schon jetzt die Dichte an Krankenhausbetten sehr niedrig ist. Aber die Menschen im Südwesten seien auch gesünder. Zudem gebe es „eine sehr gute ambulante Versorgung“, deshalb habe man im Land nicht so viele Krankenhausbehandlungen wie in anderen Bundesländern. Wer ins Krankenhaus müsse, sei ein schwieriger Fall. Dafür werde auch besser bezahlt als anderswo. Die landesweite Grundpauschale sei eine der höchsten in der Republik.

Für die Ersatzkassen ist der Anpassungsprozess noch nicht zu Ende. „Nach wie vor ist in Baden-Württemberg von einer Überversorgung auszugehen“, sagt Frank Winkler. Das gelte trotz Bettenabbaus, trotz Kooperationen von Krankenhäusern oder gar Fusionen und Schließungen. Noch immer gebe es Doppelvorhaltungen gleicher Abteilungen und Aufrüstung bei medizinischen Großgeräten.

Die Instrument der Landespolitik

Hier fordern die Kassen mehr Aktivität der Politik. „Wer anders als das Land hat die Legitimation dafür“, fragt Hermann. Das Land müsse seine Instrumente nur stärker nutzen. Für planbare medizinische Eingriffe etwa müsse es eine übergeordnete Fachplanung geben. Über Strukturanforderungen, so drückt es der Vdek-Funktionär Winkler aus, solle gesteuert werden, dass „für möglichst viele Versorgungsbereiche geeignete Schwerpunkte gebildet werden“ und nicht alle Krankenhäuser alle möglichen Fachabteilungen vorhalten.

Ein Positivbeispiel könnten die Schlaganfallzentren sein, die das Land gefördert hat. Sie sind klar hierarchisiert. Insgesamt gibt es 47 Schlaganfalleinheiten im Land. Sieben leisten Maximalversorgung, weitere sieben sind regionale Schwerpunkte, dazu kommen 33 lokale Anlaufstationen. 70 Prozent aller Schlaganfallpatienten werden von dem gestuften Versorgungsangebot erreicht und effektiv betreut. Als Negativbeispiel dient die Versorgung extremer Frühchen, also von Frühgeborenen, die höchstens 1250 Gramm wiegen. Der Versuch, nur Kliniken für die Betreuung dieser Fälle zuzulassen, die wenigstens 30 solcher Frühgeburten pro Jahr vorweisen können, ist gerichtlich gestoppt worden. Die Krankenhäuser haben hochgerüstet. Derzeit werden Hochrisiko-Frühgeborene im Land an 21 Standorten versorgt. Aus Sicht der Kassen wäre die Hälfte ausreichend.

Förderung angemahnt

Das Lenkungsinstrument des Landes sind die Fördergelder. Was es für unnötig hält, wird nicht bezuschusst. Das ist ein sehr indirektes Mittel. Aber so wenig wie der Landrat vor Ort will das Sozialministerium die Prügel der Bevölkerung abbekommen, wenn ein Krankenhaus geschlossen wird. So rankt sich die Debatte darum, ob das Land genug Mittel für Investitionen bereitstellt. Wenn es die Investitionen der Krankenhäuser ausreichend fördere, sei das eine wichtige Voraussetzung für vernünftiges Arbeiten. „Baden-Württemberg tut hier mehr als viele andere Länder“, räumt TK-Landeschef Vogt ein, „aber gemessen am Bedarf leider nicht genug.“

Die Krankenhäuser versuchen, Investitionen aus ihren Betriebsergebnissen zu finanzieren, auch darum gehen sie ins Mengengeschäft. Pro Tag 50 neu eingesetzte Kniegelenke kommen der TK komisch vor. 2006 seien es noch 40 gewesen. Dabei müsse eigentlich die Behandlungsqualität belohnt werden und nicht die Menge, sagen die Ersatzkassen. Als Anreiz schlagen sie vor, dass künftig „nur Krankenhäuser mit einer guten Behandlungsqualität einen Anspruch auf die volle Vergütung haben“.

Die Diskussion kann also weitergehen.