Gesundheitskosten im Visier

Die Krankenkassenprämien steigen nicht in erster Linie wegen höherer Preise, sondern wegen Mehrkonsums. Dies bekräftigt eine neue Analyse.

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Mehr Spezialärzte und mehr spitalambulante Betreuung erhöhen die Nachfrage der Leistung (im Bild eine Herzoperation im Stadtspital Triemli in Zürich.) (Bild: NZZ-Fotografenteam / Christoph Ruckstuhl)

Mehr Spezialärzte und mehr spitalambulante Betreuung erhöhen die Nachfrage der Leistung (im Bild eine Herzoperation im Stadtspital Triemli in Zürich.) (Bild: NZZ-Fotografenteam / Christoph Ruckstuhl)

(hus. Bern)

Banalitäten werden in der Politik zuweilen gerne übersehen. Dies gilt zum Beispiel für die Tatsache, dass die Gesundheitskosten und die Krankenkassenprämien nicht nur durch die Preisentwicklung, sondern auch den Mehrkonsum getrieben sind. Es ist deshalb ein Unsinn, wenn die Reallohnentwicklung wie oft getan durch Hinweise auf «steigende Krankenkassenprämien» relativiert wird. In der Berechnung der Reallöhne ist die Preisentwicklung bereits drin, aber Mehrkonsum von Gesundheitsleistungen spiegelt a priori ebenso wenig eine Wohlstandseinbusse wie zum Beispiel Mehrkonsum von Äpfeln, Computern oder Reisen.

Preise sind sekundär

Eine neue Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Auftrag des Krankenkassenverbands Santésuisse bekräftigt es nun in Zahlen: Der Prämienanstieg in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist weit stärker durch Mehrkonsum als durch Preissteigerung getrieben. Demnach stiegen die Preise von 2004 bis 2010 total um rund 6 Prozent, während der Mehrkonsum je nach Berechnungsart einen doppelt bis dreimal so grossen Einfluss auf den Kostenanstieg hatte. Besonders deutlich war der Mehrkonsum bei den Ärzten, den Medikamenten und den ambulanten Leistungen im Spital. Auch die Kostendifferenzen zwischen den Kantonen sind laut der Studie grossenteils durch die Unterschiede der Konsummenge getrieben.

Der Einfluss des Mehrkonsums zeigt sich noch deutlicher in den Indizes der Bundesstatistiker. Die Krankenkassenprämien (Grund- und Zusatzversicherung) stiegen demnach von 2000 bis 2012 um über 60 Prozent, während sich die Preise im Gesundheitswesen nur um knapp 2 Prozent erhöhten. Mehrkonsum ist auch im Gesundheitswesen nichts Schlechtes, sofern dies den Wünschen der Konsumenten entspricht und keine Fehlanreize vorliegen. Beide Bedingungen sind aber kaum voll erfüllt. Die Fehlanreize sind krass (Patienten können den grössten Teil der Kosten ihres Mehrkonsums auf andere abwälzen), und die Patienten sind auf Empfehlungen von Ärzten und Spitälern angewiesen (die bei Mehrkonsum mehr verdienen). Santésuisse vermutet daher wohl nicht ganz zu Unrecht, dass ein Teil der Gesundheitsleistungen «unnötig» sei. Die Definition von «unnötig» ist allerdings knifflig. Eine ökonomische Definition (unnötig wäre eine Leistung, wenn der Patient bei vollständiger Information und voller Kostenübernahme darauf verzichten würde) ist im Gesundheitswesen zu streng. Klar ist jedenfalls, dass das starke Konsumwachstum kein ewiges Naturgesetz sein muss.

Kanton Bern am Schwanz

Das Papier der Zürcher Hochschule dokumentiert im Übrigen auch die zum Teil deutlichen Differenzen zwischen den Kantonen in der Produktivität der Spitäler. Während der Kanton Zürich in der Periode 2007 bis 2010 mit einer Produktivität von rund 10 Prozent über dem helvetischen Durchschnitt an der Spitze stand, lag der Kanton Bern mit einem Rückstand von fast 10 Prozent auf den Landesschnitt zuhinterst. Die Produktivitätsmessung von Spitälern ist knifflig, doch die Güte solcher Rechnungen liegt darin, dass sie vor allem in den unterdurchschnittlichen Kantonen Erklärungsdruck auslöst.

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